Liebe Leserin, lieber Leser,
mit Mitte, Ende fünfzig mag man einiges erlebt haben und kann demnach Situationen sicher einschätzen oder zumindest ein Gefühl dafür entwickeln. Auch wenn die Flucht seit Jahrhunderten zum Alltag von Millionen Menschen gehört, ist sie mir und meinem Leben jedoch so fremd, dass ich die Ausmaße von Ängsten und Nöten Flüchtender kaum begreifen kann. Europas Nachkriegsgenerationen kennen weder Vertreibung noch Krieg, Hungersnot oder Naturzerstörung, die Flucht in nennenswertem Ausmaß hervorbrachte. Unsere Empathie für Flüchtende beruht demnach auf Berichten. Und wir verdrängen dadurch diese Grauen einfacher und schneller, als wenn wir sie selbst erlebt hätten. Nur so lässt sich erklären, dass der Begriff „Flüchtling“ inzwischen immer öfter negativ konnotiert ist, die Opfer schlimmster Not und Verzweiflung zu selten als solche wahrgenommen werden.
In mare berichten wir seit Anbeginn von Fluchten über das Meer. Vor genau zehn Jahren, in der April/Mai-Ausgabe 2009, lasen Sie über die grauenvolle Flucht von Somalia in den Jemen. Inzwischen gibt es eine Rückflucht aus dem Jemen, sogar in beide Richtungen gleichzeitig. Unsere Fotografin Alixandra Fazzina reiste jetzt wieder, wie schon damals, mehrmals für mare an den Golf von Aden und beschreibt das andauernde, unendliche Elend der Menschen dort. Dimitri Ladischensky besuchte in Wolfsburg geflüchtete Mädchen, die im sicheren Deutschland schwimmen lernen, um ihr Trauma des Mittelmeers zu bekämpfen. Martin Kolek, freiwilliger Retter auf dem Schiff „Sea-Watch 2“, beschreibt, wie er einen toten Jungen barg. Und ein Dorf in Süditalien plant einen Friedhof für Flüchtende, die das Meer nicht überlebt haben. – Wir geben nicht auf, uns allen immer wieder vor Augen zu führen, was es bedeutet, zu flüchten: Elend, Tod und Angst.
Nikolaus Gelpke
Beredte Porträts – Surfer in aller Welt eint die eine Leidenschaft, die allen sportlichen Ehrgeiz übertrifft: die Welle
Eine Katastrophe ohne sichtbares Ende: Die Flucht Hunderttausender Menschen aus dem und in das Bürgerkriegsland Jemen ist ein Fanal der Unmenschlichkeit der Krieg führenden Parteien
Die Not der flüchtenden Menschen sehen lernen: Es ist Zeit, dass wir die Empathie über unsere Ängste siegen lassen
Seit sie vor dem IS übers Meer geflohen sind, fürchten sie das Wasser. Drei jesidische Mädchen versuchen in Wolfsburg, das Schwimmen zu lernen, um ihre Angst zu überwinden
Ein Seawatch-Aktivist barg ein totes Kind aus dem Mittelmeer. Das Bild ging um die Welt. In mare schreibt er, was in ihm vorging
In einem kalabrischen Dorf entsteht ein Friedhof für Flüchtlinge, die ihr Leben bei der Überfahrt verloren haben. Der Ort scheint gut gewählt zu sein
Die irrealen Meeresbilder des Fotografen Andreas Gursky lassen uns verloren gegangenes Gefühl der Naturerhabenheit spüren
Kep-sur-Mer, vom Dschungel verschlungen, war einst der mondänste Badeort Französisch-Indochinas, Asiens Saint-Tropez
Das Seefahrtbuch: Passersatz, Dienstnachweis, Logbuch des Lebens. Jetzt kommt das Aus für das Traditionsdokument
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Unser Kolumnist reiste als Jugendlicher achtmal nach Hooge. Jetzt, nach 30 Jahren, erkundet er die Hallig erneut, als Erwachsener, als Stadtmensch, mit tausend Fragen im Gepäck. Diesmal will er wissen: Wie ist das Leben ohne Arzt?
Was den Deutschen der Wald, ist den Australiern das Große Barriereriff: mythischer Ort der Inspiration für Dichter und Denker
Weit draußen in der Nordsee steht ein großes Haus auf Stelzen – eine 100 Millionen Euro teure Unterkunft für Offshoretechniker, die sich um die Windräder im Meer kümmern