Bauhaus on the beach

Kep-sur-Mer, vom Dschungel verschlungen, war einst der mondänste Bade­ort Französisch-Indochinas, Asiens Saint-Tropez

„Palmen am Meer“, so heißt eine Platte mit Kompositionen des kambodschanischen Königs Norodom Sihanouk. Der VEB Deutsche Schallplatten und das Rundfunk-Tanzorchester Leipzig nahmen sie 1968 auf. Fürst Sihanouk, so heißt es auf der Rückseite der Plattenhülle, „ist nicht nur ein hervorragender Politiker, auch als Künstler ist er hervorgetreten. Sein Wirken als Komponist unterhaltender Musik, vorzüglicher Pianist und Dirigent ist ebenso international bekannt wie sein Schaffen als Schriftsteller, Drehbuchautor, Schauspieler und Filmregisseur“. Die tanzbarste Nummer auf „Palmen am Meer“ ist das letzte Stück auf der Platte: „Beauté de Kep“, die Schönheit von Kep.

Kep-sur-Mer war das Lieblingsprojekt des Königs. Hier, am Golf von Thailand an der Südküste Kambodschas, wollte er dem süßen Leben einen Ort verschaffen, wie er ihn bis dahin nur von der Französischen Riviera kannte. Mehrere Königspaläste ließ er in Kep erbauen und ermunterte die Reichen und Schönen Kambodschas, ihre Sommerhäuser in seiner Nachbarschaft zu errichten.

Ein weißer Sandstrand wurde aufgeschüttet und eine Promenade angelegt, die sich zwischen der Brandung und den von altem Urwald bestandenen Hügeln an der Küste entlangschlängelt. Im Zentrum der Stadt: ein Casino am Meer, in dem jeden Abend eine Jazzkapelle leichte Tanzmusik zum Besten gab, während sich draußen die Fischerboote auf den Wellen wiegten.

Norodom Sihanouk beschäftigte sich auch gern mit Ballett und Theater und griff nicht selten selbst zum Mikrofon, um seine eigenen Kompositionen vorzutragen. So vergnügten sich der König und seine Gefolgschaft in der Scheinwelt rund um die Paläste und das Casino in Kep, während sich die dunklen Wolken über Kambodscha zusammenzogen – fast so, als verstünde man nicht, warum das Volk nach Brot verlangt, wenn man doch auch Kuchen essen kann.

Kep-sur-Mer galt schon seit den 1920ern als Saint-Tropez Südostasiens. Französische Kolonialbeamte hatten das pittoreske Strandbad zu ihrem liebsten Feriendomizil erkoren. Aber seit der Un- abhängigkeit 1953 blieben die Stamm-gäste fern. An ihrer Stelle ließen sich nun reiche kambodschanische und chinesische Geschäftsleute, Politiker, Filmstars und Popsänger samt Familie und Tross in Kep nieder.

Sogar ein Bahnhof wurde erbaut – unerhört für die damaligen Verhältnisse in der Gegend –, und wer nicht den Zug nehmen mochte, legte die 160 Kilometer von Phnom Penh in das Städtchen im Cadillac oder im Austin-Healey zurück. Catherine Deneuve kam vorbei, und das Gerücht will, dass Marguerite Duras längere Zeit hier in Kambodschas mondäner Sommerfrische verbrachte.

So kam es, dass zwischen 1953 und 1968 die hauchdünne Elite Kambodschas sich von den führenden Architekten des Landes in Kep-sur-Mer ihre Villen bauen ließ. Nicht selten waren es eigenwillige Experimente, inspiriert vom Bauhaus, aber auch vom Brutalismus und von Le Corbusier, hineingebaut in den hügeligen Dschungel, im Halbkreis um das Casino an der Küste. Geradezu einen Boom der kleinstädtischen Bauwirtschaft gab es: In wenigen Jahren entstanden gut 200 Villen in Kep-sur-Mer.

Der Plan war, kurz gesagt, etwas aus Kambodscha zu machen. Bis dahin war das Land zwar vielleicht der malerischste, aber eben auch der verschlafenste Teil Französisch-Indochinas gewesen. Und ob- wohl Kambodscha ein kleines Land ist, das sich wirtschaftlich und seinem politischen Einfluss nach nicht mit den vietnamesischen und thailändischen Hegemonen in der Region vergleichen kann, so konnte es kulturell und technologisch, so hoffte es König Sihanouk wenigstens, mit seinen Modernisierungsbemühungen doch den Ton angeben.

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mare No. 133

No. 133April / Mai 2019

Von Justus Krüger

Justus Krüger, Jahrgang 1974, seit gut elf Jahren Autor in Hongkong, war von Kep-sur-Mer fasziniert. Viele Villen sind von Gewehrkugeln durchlöchert und vom Dschungel überwuchert, wahre Spukschlösser in allen Stadien des Verfalls.

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Vita Justus Krüger, Jahrgang 1974, seit gut elf Jahren Autor in Hongkong, war von Kep-sur-Mer fasziniert. Viele Villen sind von Gewehrkugeln durchlöchert und vom Dschungel überwuchert, wahre Spukschlösser in allen Stadien des Verfalls.
Person Von Justus Krüger
Vita Justus Krüger, Jahrgang 1974, seit gut elf Jahren Autor in Hongkong, war von Kep-sur-Mer fasziniert. Viele Villen sind von Gewehrkugeln durchlöchert und vom Dschungel überwuchert, wahre Spukschlösser in allen Stadien des Verfalls.
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