Dreht euch!

Weit draußen in der Nordsee steht ein großes Haus auf Stelzen – eine 100 Millio­nen Euro teure Unterkunft für Offshoretechniker, die sich um die Windräder im Meer kümmern

Dem Wind Energie anzuluchsen mag ein sauberes und zukunftsweisendes Geschäft sein, an diesem Wintermorgen beginnt es kalt, dunkel und ungemütlich. Es ist kurz nach vier in der Nacht, dünner Eisregen geht über dem dänischen Esbjerg nieder, die Pieranlagen sind gefroren. Im Hafenbecken liegen Versorgerschiffe und Errichterplattformen, hell erleuchtete Stahlriesen, von denen ein hohles, fernes Klonken hallt. Es ist der Sound der Windindustrie, Metall auf Metall.

Unten an der Südmole gehen sechs Offshoretechniker an Bord eines Crew-Transport Vessel (CTV), einem doppelrümpfigen Arbeitspferd, das Mannschaften und Material zwischen Festland und den Windparks im Meer hin- und herfährt. Die Techniker treten ihre zweiwöchige Schicht an den Turbinen an, sechs müde Gesichter, die schweigend der Überfahrt zu ihrem Arbeitsplatz entgegenblicken.

An Deck lösen zwei Matrosen die Trossen, oben im Cockpit prüft Kapitän Russ die letzten Wetterberichte. Er trägt Jogginghose, Sweatshirt, Adiletten, blickt von seinem gefederten Kapitänssessel auf die gläsernen Instrumente. Ungerührt nippt er an seinem Kaffee. „Die Überfahrt wird ein bisschen holprig“, sagt er. „Wir haben zwei Meter Restwelle, frontal gegenan.“

Vier Stunden muss die „MO1“ gegen die See marschieren, bis sie den Offshorepark DanTysk erreicht. Die Windenergieanlage DT 22, die Vattenfall und den Stadtwerken München gehört, liegt 110 Kilo- meter westlich der dänischen Küste, weit draußen in der Nordsee, wo der Wind öfter und stärker weht als an Land. Meterhoch klettert die „MO1“ durch die See. Für viele Windtechniker bleibt der Weg zur Arbeit ein ungewohnter Ritt. Sie sind Elektriker, Ingenieure, Metallbauer – Landberufe. Seit jedoch immer mehr Windparks im Meer entstehen, ist die Seefahrt Teil des Geschäfts. Die einzige Alternative ist der teure Helikopter. Aber er fliegt nur zur Plattform, wenn das Übersetzen per Boot zu gefährlich wird.

Bald sind die Gesichter an Bord kreideweiß. Für Seekranke hält Russ einen Ratschlag parat. „Musst Apfelkuchen essen, schmeckt runter wie rauf gleich gut.“ Wen es ganz schlimm erwischt, dem sagt er: „Such dir einen Job an Land.“

Nach gut drei Stunden taucht die OAP, die von Vattenfall betriebene Offshore Accommodation Platform, im grafitgrauen Meer auf. Eine stählerne Spinne auf gelben Beinen, deren Flutlichter einen gleißend hellen Lichtkranz aufs Wasser werfen. Mehr als 40 Meter hoch ragt das Trumm aus den Wogen, verankert auf gewaltigen Stelzen, die in 25 Meter Tiefe in den Meeresgrund gerammt sind. Eine 3800 Tonnen schwere und 100 Millionen Euro teure Unterkunft für die Arbeiter des Windes, deren Job darin besteht, die „Mühlen“ da draußen auf See in Bewegung zu halten. Die 152 Windturbinen – 80 im Windpark DanTysk, 72 im benachbarten Windpark Sandbank – entwachsen dem Meer wie fragile Pflanzen; jede einzelne kann bei guten Bedingungen Strom im Wert von 25 000 Euro am Tag erzeugen und 5000 Haushalte versorgen.

Die Techniker sind in ihre schweren Überlebensanzüge gestiegen, an ihren Hüften hängen Karabiner, Gurte, Sicherungsleinen, alle Mann tragen Rettungsweste und Helm. Kapitän Russ dockt die „MO1“ an, drückt den Bug des Schiffes unter Schub ans Metall. Das Boot hebt sich, senkt sich, Gummi quietscht. Ein eisiger Wind pfeift durch die Streben und Verankerungen, als die Offshoretechniker, einer nach dem anderen, einen großen Schritt machen und die schmale Leiter hinaufklettern, bis sie in 20 Meter Höhe die eigentlichen Decks erreichen.

Unten legt die „MO1“ wieder ab, oben steigen die Männer durch eine letzte Luke. Dann sind sie drin. Zwei Wochen Dienst liegen vor ihnen, auf dieser Raumstation über dem Meer. Neonlicht nimmt sie in Empfang, das Rauschen der Klimaanlage.

Dominik Binz gibt den neuen „On-Signern“ die Nummern ihrer Kammern. Er ist Notfallsanitäter auf der Plattform, kümmert sich aber auch um die Sicherheitseinweisungen, macht Hygieneinspektionen und bereitet die Helikoptertransfers vor. Binz trägt gelbe Sicherheitshosen, Arbeitsschuhe, Helm. „Kommt erst mal an“, sagt er. „Den Rest kennt ihr ja, alles wie immer. Heute ist übrigens Steaktag.“

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mare No. 133

No. 133April / Mai 2019

Von Marc Bielefeld und Paul Langrock

Bevor Marc Bielefeld, Jahrgang 1966, Autor in Hamburg, auf die Plattform durfte, musste er ein zweiwöchiges Sicherheitstraining absolvieren. Dazu gehörten der Ausstieg aus einem sinkenden Helikopter, Klettertechniken und Survivalstrategien auf See.

Seit Jahren fotografiert Paul Langrock, geboren 1954, wohnhaft in Berlin, Offshorewindparks. Die DanTysk-Wohnplattform gefällt ihm besonders gut. „Dort ist es auf jeder Etage absolut sauber.“

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Vita Bevor Marc Bielefeld, Jahrgang 1966, Autor in Hamburg, auf die Plattform durfte, musste er ein zweiwöchiges Sicherheitstraining absolvieren. Dazu gehörten der Ausstieg aus einem sinkenden Helikopter, Klettertechniken und Survivalstrategien auf See.

Seit Jahren fotografiert Paul Langrock, geboren 1954, wohnhaft in Berlin, Offshorewindparks. Die DanTysk-Wohnplattform gefällt ihm besonders gut. „Dort ist es auf jeder Etage absolut sauber.“
Person Von Marc Bielefeld und Paul Langrock
Vita Bevor Marc Bielefeld, Jahrgang 1966, Autor in Hamburg, auf die Plattform durfte, musste er ein zweiwöchiges Sicherheitstraining absolvieren. Dazu gehörten der Ausstieg aus einem sinkenden Helikopter, Klettertechniken und Survivalstrategien auf See.

Seit Jahren fotografiert Paul Langrock, geboren 1954, wohnhaft in Berlin, Offshorewindparks. Die DanTysk-Wohnplattform gefällt ihm besonders gut. „Dort ist es auf jeder Etage absolut sauber.“
Person Von Marc Bielefeld und Paul Langrock