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mare No. 161

Erscheinungsdatum: 05.12.23
ISBN: 978-3-86648-450-4
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Produktdetails

Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Blick auf den Zürichsee bin ich aufgewachsen. Eine wunderschöne Aussicht, die jenseits des Sees an Hügeln und Bergen endete. Ich mochte diesen weiten Blick, aber er beunruhigte mich auch. Warum, wurde mir erst klar, als ich den Meereshorizont zum ersten Mal bewusst wahrnahm.

Naiv gesehen, endet die Meeresfläche an dem Übergang zum Himmel, an einem Strich, hinter dem nichts mehr zu sein scheint. So sahen es jedenfalls Europäer, wenn sie vor über 500 Jahren westwärts auf den Atlantik blickten. Und die Fischer erreichten nie dieses vermeintliche Ende, denn es schien sich schlicht einfach immer weiter zu verschieben. Besaß damals der atlantische Horizont schon die gleiche Wirkung wie heute? Vielleicht zum Teil. Aber erst nachdem Ende des 15. Jahrhunderts Europa bewusst wurde, dass hinter dem Horizont eine weitere, konkrete Welt liegt, endete der reine Glaube, die Furcht vor dem Unvorstellbaren, die Unbegreiflichkeit des Unendlichen. Und das Wissen begann. Wissen macht nicht immer glücklich, und das Verdrängen ist ein erfolgreiches Mittel zum – ober­fläch­lichen – Glück, aber das Wissen um die Dinge mildert die Angst, nimmt die Ungewissheit.

Die Befreiung von Angst bringt erst innere Freiheit mit sich und schafft Raum für kognitives Bewusstsein. Im histo­ri­schen Kontext scheint mir das Wissen um die Wahrheit des Horizonts die fundamentale Voraussetzung für die Zeit der Aufklärung gewesen zu sein, für den Beginn einer bewussteren Weltanschauung. Mir persönlich bereitet diese Erkenntnis von Freiheit innere Ruhe, da ich mich geborgen fühle in Anbetracht des Horizonts – ich weiß, dass es immer weiter geht, nichts aufhört, alles möglich ist und ich nicht allein bin.

Es ist schon eine Weile her, und wir freuen uns immer noch. Anfang Oktober wurde der norwegische Autor Jon Fosse als diesjähriger Nobelpreisträger für Literatur verkündet. Im mareverlag haben wir dessen Novelle „Das ist Alise“ seit 20 Jahren im Programm. Und wie der Literaturkritiker Denis Scheck zu Recht behauptet, eignet sich dieser Text besonders als Einstieg in Fosses Werk, weil er eine Reduktion aller großen Themen des Autors beinhaltet. Dieses schmale, zugängliche Buch, dessen Weltrechte mare besitzt, findet nun nicht nur unzählige neue deutschsprachige Leserinnen und Leser, sondern wir verkaufen seit der Bekanntgabe der Auszeichnung Lizenzen in viele weitere Länder. Es ist wundervoll, wenn ein so bedeutender Preis vielen Menschen einen weiteren Einblick in große Weltliteratur ermöglicht.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke

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