Brecher im Orchestergraben

Es gibt nicht viele musikalische Werke, in denen die dunkle und die helle Schönheit des Meeres so gut hörbar werden wie in „The Sea“ des britischen Komponisten Frank Bridge

Wie komponiert man Meeresschaum? Diese federleichte weiße Masse, die an Sturmtagen über den Strand tanzt, zu Kugeln geformt und von kläffenden Hunden gejagt? Man könnte es mit Holzbläsern versuchen, mit Flöte, Klarinette, Fagott, die in kurzen, fröhlichen musikalischen Figuren in den Dialog miteinander treten, mit flinken Läufen der Piccolo­flöte, sonoren Antworten der Hörner. Abgerissene Akkorde in den Streichern, dann wieder schnelle, spielerische Passagen in den Violinen – wusch, da fliegt wieder ein Gischtfetzen durch die Luft. 

„Allegro vivo“ steht als Spielanweisung über „Sea Foam“, diesem kurzen, einem Scherzo ähnlichen zweiten Satz der viersätzigen Orchestersuite „The Sea“ des englischen Komponisten Frank Bridge. Sie entstand 1910/1911 und wurde 1912 mit großem Erfolg in London uraufgeführt. Ein ganz besonderes Werk, auch als „Symphonische Dichtung“ be-zeichnet, das das Meer in seinen verschiedenen Stimmungen musikalisch schildert und durch die vielen Nuancen seiner Instrumentierung besticht. 

Der erste Satz „Seascape“ malt nach Bridges eigenen Worten „die See an einem Sommermorgen“. „Eine weite Wasserfläche wird von der Sonne beschienen. Warme Brisen spielen auf der Oberfläche.“ Eine sehnsuchtsvolle Melodie durchzieht den ganzen Satz, erscheint mal in der Klarinette, mal in der Oboe, schwingt wundervoll weit aus in den Streichern, wird begleitet von Harfen­arpeggien und den Hörnern. Sie betont die friedliche Stimmung des Meers, kurze Flötenphrasen imitieren die spielenden Böen. Mehrere große dynamische Wellen durchwogen diesen Satz der Suite, schaffen Raum. Die auskomponierte Weite, die Erhabenheit der unendlichen See erfüllen den Zuhörer unmittelbar.

„Moonlight“ ist der Titel des dritten Satzes. „Ruhige See bei Nacht. Die ersten Mondstrahlen bemühen sich, die dunklen Wolken zu durchdringen, die schließlich abziehen und das Meer in vollem Mondschein schimmernd zurücklassen.“ Eine melancholische Flötenkantilene, begleitet von Harfe und Streichern, zaubert das Mondlicht herbei, schillernde Klangfarben leuchten im Orchester auf, erschaffen die magische Atmosphäre einer Nacht auf See. Die Geigen nehmen diese schöne, helle Melodie auf, variieren sie. Sie berührt in ihrer innigen Schlichtheit zutiefst. Warm erklingt sie darauf in den Celli und Kontrabässen. Mit einem ruhigen, lange gehaltenen Flötenton endet dieser romantische Satz. 


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mare No. 161

mare No. 161Dezember 2023 / Januar 2024

Von Elke Seifert

Fasziniert vom Meer und klassischer Musik, macht die Freiburger Autorin und Sängerin Elke Seifert in mare regelmäßig aufmerksam auf Werke, die beides verbinden. Und will doch eigentlich nur sagen: ­Hören! Unbedingt anhören! Bitte!

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Vita Fasziniert vom Meer und klassischer Musik, macht die Freiburger Autorin und Sängerin Elke Seifert in mare regelmäßig aufmerksam auf Werke, die beides verbinden. Und will doch eigentlich nur sagen: ­Hören! Unbedingt anhören! Bitte!
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