Liebe Leserin, lieber Leser,
länger als ein Jahr arbeiten wir gemeinhin an einer mare-Ausgabe. Vorrangig bestimmen wir das Titelthema und die langen Bildstrecken – eine auf eine Jahreszeit bezogene Reportage muss ja ungefähr zwölf Monate vor dem Erscheinen entstehen. Woche für Woche entwickeln wir ein Heft weiter, achten auf eine abwechslungsreiche Mischung, auf die „Heftmelodie“. In dieser Ausgabe könnten Sie auf den ersten Blick jedoch feststellen, dass es eine inhaltliche Redundanz gibt – wir berichten zweimal über Wellen. Es ist unsere Absicht.
Die Brandung ist den Meeren immanent und dabei in ihrer Wirkung für den Menschen unvereinbar gegensätzlich. Wir entspannen bei dem beruhigenden, regelmäßigen Geräusch, indes können brechende Wellen den Tod bringen: Erhabenheit und Gefahr im selben Moment. Schönheit und die Möglichkeit von Zerstörung sind hier vereint, und in diesem Heft wird nicht nur die Faszination der Wellen abgebildet, sondern auch genau diese Ambivalenz.
Der südafrikanische Fotograf Terence Pieters studiert Wetterberichte, beobachtet Windrichtung und -stärke sowie Wellenbewegungen. Dann begibt er sich mitten hinein, bis zu vier Stunden lang, mit Vorliebe im frühen Morgenlicht, mitten ins Kraftfeld des Ozeans. Nur auf einem kleinen Brett, im Neoprenanzug und mit Flossen, wird er Teil des Rhythmus, der Energie und Kälte. Dass ihm dabei magische Bilder gelingen, ist wohl seinem Respekt und seiner Kenntnis der Elemente zu verdanken (ab Seite 48).
Weder das eine noch das andere berücksichtigen manche Touristen im Süden Islands. Am schwarzen Lavastrand Reynisfjara bringen sie sich immer wieder in große Gefahr. Nur aus der Lust am Risiko und für das eine, scheinbar unwiederbringliche Bild in ihren Social-Media-Kanälen. Wer kennt es nicht, das Vorpirschen zum Meer hin, wenn sich die See zurückzieht, um dann genau vor dem auflaufenden Wasser wieder wegzurennen? Der Unterschied zu anderen Stränden: In Reynisfjara tauchen wie aus dem Nichts sogenannte Sneaker Waves auf, die sich in Bruchteilen von Sekunden zu tödlichen Fallen entwickeln. Und die Menschen wissen das. Jedoch nicht alle. Über eine ahnungslose Familie und deren Schicksalsmoment berichtet ab Seite 40 Alexandra Cavelius.
Und nun noch eine wirklich schöne Nachricht: mare-Mitbegründerin, Kulturredakteurin und meine älteste und beste Freundin, Zora del Buono, feiert gerade einen großen Erfolg. Ihr neuestes Buch „Seinetwegen“ steht zeitgleich auf den Buchpreiskandidatenlisten Deutschlands und der Schweiz. Auch wenn der Bestseller nicht bei mare erscheint (das Meer ist kein Bestandteil der Geschichte), ist es meine unbedingte Leseempfehlung, und wir freuen uns kollektiv für unsere Freundin und Kollegin.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Nikolaus Gelpke
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