Schwarzes Herz

Mit ihrem riesigen Ölterminal verdienen die Shetlands ein Vermögen. Dafür leben sie mit dem Risiko, das jeder Supertanker bringt

Die Insel

Welchen Preis haben ökologische Bedenken? Wie ist der Verlust von Traditionen zu kompensieren? Und des Inselfriedens?
Es geht um Geld, um sehr viel Geld

Shetland schreibt das Jahr 32 seiner Vermählung mit dem Öl, wobei die Uhr der neuen Ära eigentlich sogar noch ein Jahr nachgeht. Denn die Crew der Bohrplattform „Staflo“ stößt bereits im Juli 1971 gut 100 Seemeilen nordöstlich der Shetlands auf Öl. Ein gigantisches Reservoir, erste Schätzungen liegen bei einer Milliarde Barrel. Doch die Welt erfährt nichts, kein Wort; der Fund bleibt geheim, und das aus gutem Grund. Öl zu finden und zu fördern ist eine Sache; es sicher auf Schiffe zu verladen eine andere. Das Öl muss auf kürzester Strecke durch eine Pipeline zum nächstgelegenen Hafen, in dem Tanker sicher manövrieren können. Die Wahl der Ölmanager fällt auf die Shetlandinseln. Kundschafter der Konzerne Shell und Esso schwärmen aus, um die Lage vor Ort zu sondieren und erste Claims abzustecken, bevor offizielle Verlautbarungen die Preise verderben.

„Wir haben uns natürlich über den Ansturm von feinem Zwirn auf unserem windigen Archipel gewundert“, sagt Jonathan Wills, damals Reporter der „Shetland Times“, „aber wir haben ja alle gedacht, die Geschäftsleute seien lediglich auf der Suche nach einer Versorgungsbasis für die Bohrinseln in der Nordsee.“ Deshalb auch die zwei Hubschrauberairlines, die auf einmal Sumburgh/ Shetland in den Flugplan aufnehmen. Und die Reparaturbetriebe für Offshore-Technik, die sich am alten Heringskai im Hafen von Lerwick niederlassen. Da hat der Ölboom eben auch den Shetlands ein paar neue Jobs spendiert. Selbst als Shell-Botschafter im vorsichtigsten Konjunktiv anklingen lassen, dass der Konzern, würde er je Öl in diesen Breiten entdecken, es möglicherweise zu den Shetlands pumpen wollen könnte, ahnen die Inselbewohner nichts.

Erst im August 1972 lüftet Shell das Geheimnis. Der Nordseegrund unweit der Shetlands berge einen kolossalen Schatz, den man nun mit tatkräftiger Hilfe der Inseln zu heben gedenke. Um das neue Ölfeld zu erschließen, benötige man einen Brückenkopf an Land. Einen Hafen für Supertanker, außerdem großzügig dimensionierte Lagertanks, eventuell eine Raffinerie. Dazu Straßen, Unterkünfte für ein paar tausend zusätzliche Arbeitskräfte, Schulen, Geschäfte. Mehr nicht.

Ein spektakulärer Interessenkonflikt bahnt sich an. Auf der einen Seite schmieden Profitstreben und nationales Interesse eine mächtige Allianz. Auf der anderen Seite steht ein versprengter Haufen von Fischern und Schafzüchtern, die auf ihren kargen Inseln den Elementen und jeglicher Form britischer Zentralverwaltung trotzen – und denen es bei aller Sympathie für die Ölsucher sauer aufstößt, dass die Manager planen, ohne vorher zu fragen.

In Hollywood arbeiten die Drehbuchschreiber schon bald an der komödientauglichen Vereinfachung dieser Konstellation. In „Local Hero“ möchte Goliath aus Texas (Knox Oil) Schottlands David (den Hafen Ferness) schlucken.

Labor in Aberdeen, Schottland
(Kamera zoomt auf Modell des Fischerhafens Ferness)
Dr. Watt: Haben Sie die Tür zugemacht? Das hier ist nämlich eine scharf bewachte Anlage.
McIntyre: McIntyre, Houston! Erfreut, Sie kennen zu lernen.
Dr. Geddes: Ah, willkommen in unserer kleinen Welt! Nun, dies ist eine Bucht von Millionen an der Westküste und doch die einzige, wo der Treibsand tief genug ist, um die Stützpfeiler aufzunehmen. Dazu dieser Hafen hier, der von Natur hervorragend für unterirdische Tanks geeignet ist.
(Greift sich die Pier und entfernt den ganzen Ort)
Hier, halten Sie Ferness einmal einen Moment! Günstig ist, dass wir die Felsen verwenden können, um die andere Bucht für die Raffinerie aufzufüllen.
Dr. Watt: Na klar, noch etwa 20 Kilometer Küstenlinie, die umgestaltet werden muss …
(Entfernt einen moosgrünen Hügel)
 … und der Ort hier wird zu petrochemischen Hauptstadt der freien Welt.
Dr. Geddes: Sechs Monate Sprengungen, zwei Jahre Aufbau …
(Schleppt Modell einer Pier heran, an dem drei Tanker liegen)
… und überdauert dann 2000 Jahre. Ewig. Die Anlage könnte sogar die nächste Eiszeit überstehen.
(Ölterminal rastet in der Landschaft ein, wo vorher Ferness lag)


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 43. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 43

No. 43April / Mai 2004

Von Olaf Kanter und Robert Voit

Olaf Kanter, mare-Redakteur für Wirtschaft und Wissenschaft, stand auf der Brücke der „Else Maersk“ und taxierte die Höhe über Wasser: 20 Meter? Kapitän Jørgen Rømer korrigierte nachsichtig: „45 Meter, so hoch wie ein 15-stöckiges Haus. Die meisten Leute unterschätzen die Dimensionen eines Tankers.“

Robert Voit, Fotograf aus München, rückte mit einer Großbildkamera an. Eine Herausforderung für jeden Techniker. Kamera und Stativ wackeln schon bei Windstärke 3. Durchschnitt auf den Shetlands sind eher 5 bis 6. Also? Auto mit Wagenheber windfest fixieren und aus dem Fenster fotografieren.

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Vita Olaf Kanter, mare-Redakteur für Wirtschaft und Wissenschaft, stand auf der Brücke der „Else Maersk“ und taxierte die Höhe über Wasser: 20 Meter? Kapitän Jørgen Rømer korrigierte nachsichtig: „45 Meter, so hoch wie ein 15-stöckiges Haus. Die meisten Leute unterschätzen die Dimensionen eines Tankers.“

Robert Voit, Fotograf aus München, rückte mit einer Großbildkamera an. Eine Herausforderung für jeden Techniker. Kamera und Stativ wackeln schon bei Windstärke 3. Durchschnitt auf den Shetlands sind eher 5 bis 6. Also? Auto mit Wagenheber windfest fixieren und aus dem Fenster fotografieren.
Person Von Olaf Kanter und Robert Voit
Vita Olaf Kanter, mare-Redakteur für Wirtschaft und Wissenschaft, stand auf der Brücke der „Else Maersk“ und taxierte die Höhe über Wasser: 20 Meter? Kapitän Jørgen Rømer korrigierte nachsichtig: „45 Meter, so hoch wie ein 15-stöckiges Haus. Die meisten Leute unterschätzen die Dimensionen eines Tankers.“

Robert Voit, Fotograf aus München, rückte mit einer Großbildkamera an. Eine Herausforderung für jeden Techniker. Kamera und Stativ wackeln schon bei Windstärke 3. Durchschnitt auf den Shetlands sind eher 5 bis 6. Also? Auto mit Wagenheber windfest fixieren und aus dem Fenster fotografieren.
Person Von Olaf Kanter und Robert Voit