Rotalgen als Retter

Eine Alge aus dem Meer reduziert als Futterzusatzmittel den von Rindern verursachten Ausstoß von Methan, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Liegt hier eine Chance für das Weltklima?

Joe Dorgan, ein Farmer auf Prince Edward Island im Osten Kanadas, konnte es kaum glauben. Seine Kühe, die in einer Koppel am Meeresufer weideten, gaben mehr Milch als alle anderen aus seinem Viehbestand. „Sie wuchsen auch schneller und wurden seltener krank“, erzählt der Landwirt. Seltsam erschien ihm zudem, dass sie weniger rülpsten und pupsten. Ob das an der guten Seeluft lag? Oder doch an den Algen, die bei Sturm an den Strand gespült und von den Rindern gefressen wurden? Dorgan lag richtig: Er mischte auch dem übrigen Vieh solche Meerespflanzen ins Futter – und die Tiere entwickelten sich prächtig.

2007 gründete er die Firma North Atlantic Organics (NAO), um getrocknete Algen von Prince Edward Island als biologisches Futterergänzungsmittel zu vermarkten – zum einen zur Verbesserung der Erträge. Und zum anderen als Waffe gegen die globale Erwärmung. Denn die „Abgase“ von Rindern und anderen Wiederkäuern, das wusste Dorgan, sind ein Klimakiller. Methan, das im Magen der Tiere bei der Verdauung entsteht, wirkt als Klimagas nämlich 25-mal stärker als Kohlendioxid. Mit Algenkraft aber, so der Farmer, lasse sich das Problem entschärfen.

Ohne Beweise blieb die Nachfrage nach seinem Wundermittel bescheiden. Doch es gelang ihm, den Agrarwissenschaftler Rob Kinley von der kanadischen Dalhousie University in Halifax für das Thema zu interessieren. Kinley willigte ein, experimentell zu prüfen, ob solche Meerespflanzen die Bildung von Methangas tatsächlich hemmen und bei der Klimarettung helfen könnten.

Fakt ist, dass die Nutztierhaltung mehr zur globalen Erwärmung beiträgt als die Abgase aller Autos, Lastwagen und Flugzeuge zusammen. 44 Prozent des durch die menschliche Zivilisation verursachten Methans entstehen in der Landwirtschaft, ein Großteil davon im Magen von Rindern.

Im Pansen, dem ersten der drei Vormägen dieser Tiere, erzeugen Mikroben, sogenannte Archaeen, aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan. In jedem Rind entstehen täglich bis zu 500 Liter dieses Gases. Alle 40 Sekunden entweicht es als Rülpser oder Pups. Bis zu 15 Prozent der Energie aus der Nahrung werden für die Erzeugung von Methan verschwendet. Das macht Rinder zu schlechten Futterverwertern. Bei weltweit 1000 Millionen dieser Tiere entstehen riesige Methanmengen, die das Klima regelrecht verpesten.

Die gute Nachricht: Dorgan hatte sich nicht getäuscht. Agrarforscher Kinley konnte nachweisen, dass die auf Prince Edward Island angespülten Algen – eine Mischung mehrerer Spezies, darunter die von Menschen ge- schätzte Rotalgenart Chondrus crispus (Irisch Moos) – den Methanausstoß von Rindern tatsächlich reduzieren. Um immerhin 20 Prozent.

In Australien, wo 28 Millionen Rinder (und nur knapp 25 Millionen Menschen) leben, fielen die Reaktionen auf seine Pilotstudie besonders euphorisch aus. 2013 bekam Kinley das Angebot, für die staatliche australische Forschungsbehörde CSIRO in Canberra zu arbeiten. Kinley und seine neuen Kollegen untersuchen dort seither, ob andere Algenarten noch positivere Auswirkungen auf die Methanbilanz von Rindern haben als Dorgans Mischung. Mit 20 Algenspezies haben sie bereits experimentiert. Um ganz exakt zu messen, verwendeten sie dabei einen künstlichen Pansen.


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mare No. 135

No. 135August / September 2019

Von Till Hein, Sirio Magnabosco und Juan Varela Simó

Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, begegnet auf seinen Wanderungen in den Alpen häufig Kühen. Bis zu dieser Recherche hielt er ihre Hörner für gefährlicher als ihr Gepupse.

Sirio Magnabosco, geboren 1980, Fotograf in Berlin, gelang sein Rinderfoto auf der schottischen Insel Islay.

Juan Varela Simó, Jahrgang 1950, ist ein Biologe und mehrfach ausgezeichneter Naturillustrator. Er lebt in Madrid.

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Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, begegnet auf seinen Wanderungen in den Alpen häufig Kühen. Bis zu dieser Recherche hielt er ihre Hörner für gefährlicher als ihr Gepupse.

Sirio Magnabosco, geboren 1980, Fotograf in Berlin, gelang sein Rinderfoto auf der schottischen Insel Islay.

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Person Von Till Hein, Sirio Magnabosco und Juan Varela Simó
Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, begegnet auf seinen Wanderungen in den Alpen häufig Kühen. Bis zu dieser Recherche hielt er ihre Hörner für gefährlicher als ihr Gepupse.

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