Mit Überschall im Unterseeboot

Forscher und Seekriegsstrategen wollen submarine Geschwindigkeiten von 5000 Stundenkilometern erreichen

Torpedos schneller als Düsenjäger, U-Boote mit Überschallgeschwindigkeit – derart utopisch scheinende Träume hegen Marinestrategen bereits seit Jahrzehnten. Allmählich wird die Vision zur Realität. Russen wie Amerikaner experimentieren mit Projektilen, die die submarine Schallmauer von 5570 Kilometern pro Stunde durchbrechen können. Während die Schallgeschwindigkeit an Land bei etwa 330 Meter pro Sekunde liegt, beträgt sie im Meer das Viereinhalbfache – rund 1500 Meter pro Sekunde. Ein ungewöhnlicher physikalischer Effekt aber macht es möglich, diese Überschallgeschwindigkeit im Ozean zu erreichen: die so genannte „Superkavitation“, die den Strömungswiderstand eines Tauchkörpers drastisch vermindert. Selbst bemannte U-Boote, die binnen einer Stunde den Nordatlantik durchpflügen, sind im Prinzip denkbar.

Dass sich heutige Unterwasserboote vergleichsweise träge durch die Weltmeere bewegen, hat einen simplen Grund. „Wasser ist tausendmal dichter als Luft“, sagt Professor Roger Arndt, Hydrodynamik-Experte an der Universität von Minnesota in den USA. „Deshalb stößt ein U-Boot auf einen wesentlich höheren Strömungswiderstand als ein Flugzeug.“ Auch ein gewaltiger PS-Zuwachs bringt nur wenig mehr an Speed, weil sich bei jeder Verdoppelung der Geschwindigkeit der Wasserwiderstand vervierfacht. Das ist eine physikalische Gesetzmäßigkeit.

Diese Gesetzmäßigkeit versuchen die Militärforscher ausgerechnet dadurch zu umgehen, indem sie sich ein unter Schiffsbauern verrufenes Phänomen zunutze machen – die „Kavitation“ oder „Hohlsog“. Das Prinzip: Wenn Wasser einen Torpedo umströmt, bildet sich hinter dessen Nase ein Unterdruck. Das ist ein ähnlicher physikalischer Vorgang, wie der, der an Land für den Auftrieb eines startenden Flugzeugs sorgt.

Bei einem Torpedo kann der Unterdruck dazu führen, dass das Wasser in den Sog hinein buchstäblich verdunstet – es entstehen kleine Bläschen aus Wasserdampf. Gleich einer zu Boden geworfenen Glühbirne implodieren die Bläschen rasch wieder. Der „Knall“ erzeugt eine Druckwelle, die die Strömung verwirbelt und das Dahingleiten des Torpedos behindert. Je höher dessen Geschwindigkeit, desto mehr Gasbläschen entstehen durch die Kavitation. Die den Torpedo umhüllende Wasserschicht beginnt regelrecht zu kochen. An Land beziehungsweise in der Luft kann es keine Kavitation geben, weil dieses Medium bereits im gasförmigen Zustand ist. Im Gegensatz zu Wasser kann Luft nicht verdunsten.

Schon in den frühen Sechzigern kamen Wissenschaftler aus Kiew auf einen verwegenen Gedanken: Man könne doch die Kavitation so auf die Spitze treiben, dass sich nicht Tausende kleiner Dampfbläschen bilden, sondern eine einzige große Blase, die das Geschoss nahezu vollständig einschließt, quasi mit dem Torpedo mitfährt. Das verringert die Reibung enorm und verlagert sie an die Grenze zwischen Blase und Wasser. Eingehüllt in einen Kokon aus Wasserdampf würde der Torpedo mit einem Zehntel des Widerstands durchs Wasser rauschen – und fantastische Geschwindigkeiten erreichen.

Das Problem: Diese Superkavitation setzt erst bei Geschwindigkeiten oberhalb von 180 Stundenkilometern ein. Mit Propellern ist das nicht zu schaffen; die Ingenieure müssen zum Raketenantrieb greifen. Auch die Gestalt des Geschosses ist gründlich zu überarbeiten. Entscheidenden Einfluss hat die Nase des Torpedos: Sie allein steht im direkten Kontakt mit dem Wasser. Die Experten testen zwei unterschiedliche Formen. Die erste Variante ähnelt entfernt einem Widerhaken. „Es ist eine spitze Nase, die nicht sanft in den Körper übergeht, sondern mit einer ausgeprägten Kante endet“, erläutert Jürgen Friesch von der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt. „An dieser Kante bildet sich bei hoher Geschwindigkeit die Kavitationsblase.“

Die zweite Möglichkeit ist eine seltsam abgeplattete „Stumpfnase“. Auch sie bewirkt, dass sich die Strömung nicht wie üblich direkt an die Torpedohaut anschmiegt, sondern unmittelbar hinter der Torpedonase abreißt. Nur dann kann sich ein starker Hohlsog bilden, der das Geschoss in einen Kokon aus Wasserdampf hüllt.

Anfang der Neunziger konnten die Russen tatsächlich einen Super-Torpedo präsentieren. „Shkval“, „Sturmböe“, wird mit einem Katapult von Bord des U-Boots abgefeuert. Um dabei eine möglichst stabile Kavitationsblase zu erzeugen, ersannen die russischen Ingenieure einen raffinierten Trick: Sie lassen einen Teil der Auspuffgase kurz hinter der Shkval-Nase ausströmen und „pumpen“ die Gasblase zusätzlich auf. Dadurch beschleunigt die Rakete bei einer Reichweite von sieben Kilometern immerhin auf eine Geschwindigkeit von 370 Kilometern pro Stunde. Das ist das Drei- bis Vierfache herkömmlicher Torpedos.


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mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Von Frank Grotelüschen

Der Physiker Frank Grotelüschen, Jahrgang 1962, arbeitet als Wissenschaftsjournalist in Hamburg. Besonders gern beschäftigt er sich mit physikalisch-technischen Themen. Dies ist sein erster Beitrag für mare

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