Congo ist ziemlich sicher der berühmteste Affe der Kunstgeschichte. Bereits im Alter von zwei Jahren entdeckte der Schimpanse im Londoner Zoo sein künstlerisches Talent. Insgesamt hat er, vom Biologen und surrealistischen Künstler Desmond Morris ermuntert, mehr als 400 Bilder geschaffen. Die britische Zeitung „The Times“ beschreibt seinen Stil als „lyrischen abstrakten Expressionismus“.
Congo (1954–1964) zeigte beim Malen nicht nur wesentlich mehr Geduld und Konzentrationsvermögen als andere Menschenaffen. Bald hielt er den Pinsel nicht mehr wie ein menschliches Kleinkind im Klammergriff, sondern grazil zwischen den Fingern. Sogar posthum interessieren sich Kunstliebhaber noch für seine Gemälde: Im Winter 2019 wurden sie in der renommierten Mayor Gallery in London ausgestellt, eine Ehre, von der so mancher professionelle Künstler der Art Homo sapiens nur träumen kann.
Aber nicht nur Primaten wie Schimpansen – oder eben Menschen – haben eine kreative Ader. 1995 sichteten Taucher vor der Amami-Oshima-Insel, 300 Kilometer südlich der japanischen Hauptinseln, in 25 Meter Tiefe ein pittoreskes dreidimensionales, mandalaartiges Gebilde aus aufgehäuftem Sand auf dem Meeresgrund. Bald darauf wurden weitere solche kreisförmigen Plastiken im Meer entdeckt, manche mit einem Durchmesser von mehr als zwei Metern. Im Lauf der Zeit entstanden immer neue, sehr ähnliche abstrakte Kunstwerke. Forscher fragten sich, welche Spezies wohl in der Lage ist, solche präzisen geometrischen Muster zu erschaffen.
2011 gelang es dem japanischen Meeresbiologen Hiroshi Kawase, die tatsächlichen Urheber der Skulpturen auf dem Meeresboden aufzuspüren. Während eines Tauchgangs wurde er Augenzeuge, wie Kugelfische der Gattung Torquigener den sandigen Meeresgrund mit ihren Flossen und ihrem Bauch in eigentümlichen Wellenbewegungen gleichsam „massierten“ und auf diese Weise, in bis zu neun Tagen intensiver Arbeit, die eindrucksvollen Plastiken erschufen. Am Ende dekorierten die knapp zwölf Zentimeter großen Fischlein den Mittelpunkt ihres Kunstwerks jeweils liebevoll mit Muscheln und Korallenstückchen.
Kugelfische sind nicht irgendwelche Fische. Aus diesen vielleicht giftigsten Flossentieren der Welt bereiten Spitzenköche in Japan seit Jahr und Tag das Gericht Fugu zu. Ein winziger Fehler beim Zerlegen kann den Gast das Leben kosten. Denn Tetrodotoxin, das sich besonders in den Innereien der Kugelfische anreichert, ist eine der gefährlichsten nicht proteinartigen toxischen Substanzen. Schon geringste Dosen wirken tödlich. Und interessanterweise gelten Künstlertypen ja auch beim Homo sapiens häufig als toxisch.
Doch zurück zu den dreidimensionalen Mandalas auf dem Meeresgrund: Studien haben gezeigt, dass nur männliche Kugelfische diese Kunstwerke herstellen. Und zwar ausschließlich zur Fortpflanzungszeit, um paarungswillige Weibchen anzulocken. Grundsätzlich funktioniert das Tierreich nach einem simplen Prinzip, wie wir seit Charles Darwin wissen: Es geht um die Weitergabe der eigenen Gene. Jedes Individuum will, was den Fortpflanzungserfolg betrifft, besser abschneiden als seine Artgenossen. Dass große, muskulöse Männchen in diesem Wettkampf bei den Damen die besten Karten haben, ist wenig verwunderlich, egal ob bei Säugetieren, Reptilien, Amphibien, Vögeln oder eben Fischen. Denn kräftige Individuen können Brut und Nachwuchs gut verteidigen und versprechen aufgrund ihrer genetischen Ausstattung ähnlich ausgestattete Nachkommen.
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 170. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
Till Hein, Jahrgang 1969, wohnhaft in Berlin, wollte als junger Mensch selbst Künstler werden, am liebsten Maler oder Schauspieler. Seit mehr als 20 Jahren übt er nun aber einen anderen, nicht minder kuriosen Beruf aus: freier Journalist.
Lieferstatus | Lieferbar |
---|---|
Vita | Till Hein, Jahrgang 1969, wohnhaft in Berlin, wollte als junger Mensch selbst Künstler werden, am liebsten Maler oder Schauspieler. Seit mehr als 20 Jahren übt er nun aber einen anderen, nicht minder kuriosen Beruf aus: freier Journalist. |
Person | Von Till Hein |
Lieferstatus | Lieferbar |
Vita | Till Hein, Jahrgang 1969, wohnhaft in Berlin, wollte als junger Mensch selbst Künstler werden, am liebsten Maler oder Schauspieler. Seit mehr als 20 Jahren übt er nun aber einen anderen, nicht minder kuriosen Beruf aus: freier Journalist. |
Person | Von Till Hein |