Wie Inseln entstehen? Nehmen Sie sich das denkbar einfachste Modell: Sie liegen in der randvollen Badewanne, und der Stöpsel ist undicht. Der Wasserspiegel sinkt, und allmählich tauchen erste Inseln auf, meist die Knie, dann weitere steilere oder flachere Formen und ganz zum Schluss zeigt das versiegende Wasser die „Inseln“ als Teil einer größeren, zusammenhängenden Masse.
So ist die Definition von Insel nichts weiter als ein Stück Land, das von Wasser umgeben und durch dieses von anderem Land getrennt ist. Nicht als Inseln zählen dabei die Kontinente. Alle anderen sind jedoch Inseln, von Grönland als größter bis zum kleinsten Spitzfelsen.
Die Wege der Natur zur Schaffung von Inseln sind vielfältig und keineswegs willkürlich. Bei näherer Betrachtung sind es bestimmte, häufig wiederkehrende, eben typische Werdegänge, denen die Entstehung von Inseln unterliegt. Den häufigsten wollen wir mit einigen ausgewählten Beispielen nachgehen.
Ein jeder hat seine Inselerlebnisse und seine Träume: ein Küstenstreifen, meerumschlungen und mit einigen windgeprüften Häuschen. Ein palmengesäumtes Atoll in den Tropen mit einem Strand von feinstem weißem Sand. Ein verlassener oder fast kahler Felsen vor einer Steilküste. Wohl 500 000 Inseln sind es – wer mag sie zählen? –, die aus den Seen, Flüssen, Meeren und Ozeanen der Erde heute hervorragen. Wo die See an den Landvorsprüngen der Kontinente nagt, wo Lavaströme aus den Spalten des Tiefseebodens aufsteigen oder wo Millionen winziger Polypentierchen an vorgelagerten Korallenriffen an der Gestaltung der Erdkruste mitwirken: Inseln entstehen noch in der Gegenwart! Doch nicht nur die direkten Kräfte des Erdinneren oder der Lebensdrang der Korallen schaffen Inseln; der Meeresspiegel ist es, der an der Entstehung mitwirkt und dabei selbst ständigen Veränderungen unterworfen ist.
Bis zum heutigen Bild hat sich die Erde vielfach gewandelt. In einem schweren und trägen Gleitprozess spalten sich Kontinente und werden durch Kräfte des Inneren auf der Oberfläche der Erde verschoben, nicht ohne hierbei neue Inseln zu schaffen oder andere zu verschlucken. So besteht die Erdoberfläche, also die auf dem zähplastischen und heißen Erdmantel liegende Kruste, grob gesagt aus nur zwei nebeneinander vorkommenden Struktureinheiten: aus der sehr dünnen und leicht beweglichen ozeanischen Kruste und der steifen und dicken kontinentalen Kruste.
Zwei Gruppen von Inseln können daher zunächst nach der Art ihrer Entstehung unterschieden werden: kontinentale und ozeanische Inseln; erstere als verbliebene Gipfel eines vom Meer teilweise überfluteten Kontinents, Letztere als vulkanische Kegel, ruhend auf dem plastischen Ozeanboden, schwarz und steil, eingesunken unter der Last steten Wachstums belebter Korallenriffe.
Das Bodenrelief des Indischen Ozeans zeigt beste Beispiele verschiedener Bauformen von Inseln. Aus der Gruppe der Seychellen fallen Mahé, Praslin oder La Digue schnell als typische Vertreter der kontinentalen Gruppe auf: höhere Bergkuppen, überhäuft mit riesigen Granitblöcken, der Rest eines versunkenen Kontinents. Noch vor 100 Jahren lebten hier Krokodile, was zeigt, dass diese Inselgruppe vor langer Zeit Teil eines größeren Kontinents war; die Geologen nennen ihn Gondwana.
Der deutsche Geologe, Meteorologe und Pionier der Polarforschung Alfred Wegener wies nach, dass Afrika, die Antarktis, Indien, Arabien, Australien und Südamerika aus diesem im Erdmittelalter aufgebrochenen Superkontinent hervorgegangen waren und nach der von ihm bereits 1912 entwickelten Theorie der Kontinentalverschiebung in ihre heutige Lage kamen, Hunderte kontinentaler Inseln als Splitter zwischen sich lassend. Unter dem Namen Plattentektonik wurden Wegeners Thesen vielfach bestätigt und sind heute allgemein anerkannte Grundlage der Entstehungsgeschichte der Erde.
Bleiben wir kurz bei den Seychellen. Denn interessanterweise sind nicht alle Eilande des Inselstaats kontinentalen Ursprungs. D’Arros, Desroches und Remire etwa, die zu den Amiranten und somit zu den äußeren Inseln der Seychellen gehören, sind typische Inseln auf Korallenriffen. Ähnlich den Bahamas oder zahlreichen Inseln im südlichen Pazifik sind es niedrige Atolle, nur wenige Fuß über dem Wasser. Wie die Inseln der Bahamas haben sich die Amiranteninseln auf einem abgesenkten Kontinentalschelf als Teil der Seychellen-Platte entwickelt. Die Aldabra-Gruppe der Seychellen dagegen wächst als Riffbildung auf versinkenden Vulkankegeln. Geht die Einsinkung zu rasch voran, können die Korallen beim Weiterbau des Riffes nicht mithalten, es stirbt ab und gelangt gänzlich unter Wasser. Diese Form, im Pazifik häufig vorkommend, nennt man Guyot.
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Autor Firouz Vladi, Jahrgang 1948, ist Diplom-Geologe im südniedersächsischen Osterode am Harz und bekennender Inselliebhaber. Seine absolute Lieblingsinsel ist Kreta – von der er sagt, sie sei keine Insel, sondern ein Kontinent. Mit spektakulären Luftbildaufnahmen („Die Erde von oben“) wurde der französische Fotograf Yann Arthus-Bertrand, geboren 1946, weltberühmt.
| Vita | Autor Firouz Vladi, Jahrgang 1948, ist Diplom-Geologe im südniedersächsischen Osterode am Harz und bekennender Inselliebhaber. Seine absolute Lieblingsinsel ist Kreta – von der er sagt, sie sei keine Insel, sondern ein Kontinent. Mit spektakulären Luftbildaufnahmen („Die Erde von oben“) wurde der französische Fotograf Yann Arthus-Bertrand, geboren 1946, weltberühmt. |
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| Person | Von Firouz Vladi |
| Vita | Autor Firouz Vladi, Jahrgang 1948, ist Diplom-Geologe im südniedersächsischen Osterode am Harz und bekennender Inselliebhaber. Seine absolute Lieblingsinsel ist Kreta – von der er sagt, sie sei keine Insel, sondern ein Kontinent. Mit spektakulären Luftbildaufnahmen („Die Erde von oben“) wurde der französische Fotograf Yann Arthus-Bertrand, geboren 1946, weltberühmt. |
| Person | Von Firouz Vladi |