Das Nacktmodell

Die unbehausten Meeresschnecken sind bunt und schön. Achtung, schrille Farben stehen im Tierreich für: giftig!

Nacktschnecken – Igitt? Das  gilt vielleicht an Land, doch das Meer lässt die Bilder feucht glitzernder, bräunlicher Körper, die sich gefräßig durchs Grün schleimen, schnell verblassen. Die weichleibigen Nackedeis der Ozeane können nämlich richtig appetitlich daherkommen. Mal wie eine himbeerfarbene Creˆpe oder ein zitronengelber Wackelpudding, mal wie ein Riesenspiegelei oder ein Gugelhupf mit Streuseln. Andere kriechen als blaue Federboa über die Korallen oder tragen Pyjamastreifen.

Manche auch begeistern durch ihr Temperament. Sie ruckeln und wippen mit ihrem Körper durchs Wasser und wirbeln dabei mit langen bunten Fransen. Einige duften nach Vanille, Wassermelone, Zitrone oder Blumen – die menschliche Nase ist nur zu schwach, diese Gerüche aufzuspüren.

Ihre Farbenpracht und Vielfalt hat den Nacktschnecken den Beinamen „Schmetterlinge der Meere“ eingebracht. Die Weichtiere sind allerdings eher bodenständig. Richtig schwimmen können die we-nigsten. Auf einem Kriechfuß erobern sie ihre kleine Welt. „Sie sind aber nicht so behäbig wie Krebse, eher wie grazile Schönheiten auf dem Thron, die es nicht nötig haben, sich zu bewegen“, sagt Heike Wägele, Zoologin an der Ruhr-Universität Bochum. Die 44-jährige Wissenschaftlerin und passionierte Taucherin gehört weltweit zu den wenigen Forschern, die sich intensiv mit der Biologie der Nacktschnecken beschäftigen. „Manchmal sehe ich ein tolles Exemplar und denke einfach nur: tolles Stoffmuster.“

Rund 5000 Arten gehören zu den Nacktschnecken. Ihnen allen fehlt ein großes, schützendes Gehäuse, in das sie sich bei Gefahr zurückziehen können. Einige Schneckenfamilien schleppen noch einen Schalenrest mit sich herum. Völlig verschwunden jedoch ist die Schale bei der artenreichsten Gruppe unter den Nacktschnecken – den Nacktkiemern (Nudibranchia).

Zu diesen „echten Nackten“ gehören die Vertreter mit dem schrillsten Outfit. Der Name rührt von ihren frei im Wasser hängenden Kiemen. Ein Blick genügt, um zu wissen, welche Sorte man vor sich hat. Bei den Sternschnecken schmücken die nackten Kiemen als kranzförmiges Büschel das Hinterteil. Bei den Bäumchenschnecken ziehen sie sich wie reich verzweigtes Buschwerk über den Leib. Die Fadenschnecken atmen durch ihre zotteligen Rückenanhänge.

Mit ihrer Anpassungsfähigkeit haben die Nacktschnecken alle Meere erobert. In tropischen Gewässern gibt es die größte Auswahl, die leuchtendsten Farben und prächtigsten Muster. Im Roten Meer und im Indischen Ozean lebt die Gardiners Sternschnecke (Notodoris gardineri). Ihr knallgelb gefärbter, buckliger Leib ist mit einem schwarzfleckigen Muster verziert. Warmes Wasser liebt auch die bläulich-weiße Indische Fadenschnecke (Caloria indica). Ihre Rückenfransen leuchten rot, blau, gelb und weiß.

Einige Nacktschneckenarten sind in der Nordsee heimisch geworden. Häufig zu sehen ist Flabellina pedata, eine zartrosa gefärbte Fadenschnecke mit weißen Fransenspitzen. Je kälter die Meere, je dunkler die Lebensräume, desto blasser werden die Nacktschnecken. In der Antarktis hält es die weißlich-graue Sternschnecke Bathydoris clavigera aus.


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mare No. 37

No. 37April / Mai 2003

Von Ute Schmidt

Ute Schmidt, Jahrgang 1966, ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin in Solingen. Nach anfänglicher Zurückhaltung war auch sie begeistert von den Nacktschnecken, am meisten aber ihre 13 Monate alte Tochter, die die bunten Wesen auf dem Computermonitor gar nicht mehr losließen.

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Vita Ute Schmidt, Jahrgang 1966, ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin in Solingen. Nach anfänglicher Zurückhaltung war auch sie begeistert von den Nacktschnecken, am meisten aber ihre 13 Monate alte Tochter, die die bunten Wesen auf dem Computermonitor gar nicht mehr losließen.
Person Von Ute Schmidt
Vita Ute Schmidt, Jahrgang 1966, ist freie Wissenschaftsautorin und Biologin in Solingen. Nach anfänglicher Zurückhaltung war auch sie begeistert von den Nacktschnecken, am meisten aber ihre 13 Monate alte Tochter, die die bunten Wesen auf dem Computermonitor gar nicht mehr losließen.
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