Coole Typen

Die ersten Lebensmonate von Pinguinen in der Nacht des Ewigen Eises. Eine Fotoreportage

Alles zusammengenommen glaube ich nicht, dass es irgend jemand auf Erden schlechter hat als der Kaiserpinguin." Apsley Cherry-Garrard muß es wissen. Zusammen mit Bill Wilson und Birdie Bowers zog er im antarktischen Winter 1911 aus, um am Kap Crozier einen Emperor-Brutplatz zu finden.

Die insgesamt sechs Wochen dauernde Expedition ging als „schlimmste Reise der Welt" in die Geschichte ein. Dunkelheit, Kälte bis zu minus 60 Grad, Schneestürme, lange Fußmärsche auf von Erfrierungen tauben Füßen, schlaflose Nächte in Schlafsäcken aus dicken Rentierfellen, die während der Märsche zu sargähnlichen Gebilden froren, ein vom Sturm weggefegtes Zelt, dies nur einige der Begleitumstände.

Cherry-Garrard schrieb weiter in seinem Tagebuch: „Ich zum Beispiel war bei jenem Punkt angelangt, wo mir nichts mehr wirklich etwas ausmachte, solange ich nur ohne viel Schmerz sterben konnte." Den drei Männern brachte diese Reise fast den Tod. Der Kaiserpinguin brütet Jahr für Jahr im tiefsten antarktischen Winter auf dem Eis, ohne Schutz, ohne Nahrung, bei Dunkelheit und extremsten Wetterbedingungen.

Für unsere Überwinterung auf der deutschen Forschungsstation „Neumayer" beginnt mit dem Einsetzen des antarktischen Herbstes die schwierigste Phase, eine zehnmonatige Isolationszeit in Abgeschiedenheit von jeglicher Zivilisation. Sämtliches, wenn auch spärlich vorhandenes Leben, Vögel, Wale und Robben, zieht sich mit dem Überfrieren des Ozeans nach Norden zurück. Es gibt eine Ausnahme. Fast direkt vor unserer Haustür, nur acht Kilometer entfernt an der Schelfeiskante, sammelt sich eine der 40 bekannten Kaiserpinguinkolonien. Grund hierfür ist die Bildung einer 50 Kilometer entfernten Küstenpolynia. Das ist eine selbst im antarktischen Winter zumindest zeitweise offene Stelle im Meereis, die durch starken Wind oder auch Zirkulation wärmeren Wassers im Ozean entsteht und aufrechterhalten wird. Trotz ihrer hochentwickelten Überlebensfähigkeit sind die Kaiserpinguine auf diese offenen Stellen im Meereis als Nahrungsquelle angewiesen.

Wir haben keine sechswöchigen Strapazen wie Cherry-Garrard und seine Gefährten durchzustehen, ein halber Tag reicht aus, um unsere „Kaiser" zu besuchen. Wie sie verbringen wir ein ganzes Jahr in der antarktischen Abgeschiedenheit, die Ausflüge bringen Abwechslung und bilden Höhepunkte im Alltag unserer Überwinterung. So werden wir Zeugen eines Naturphänomens, dem Brutverhalten der Kaiserpinguine, und entwickeln zu unseren Kollegen im Eis ein nahezu freundschaftliches Verhältnis.

Schon ab Mitte März ist die Atka-Bucht, unser natürlicher Hafen im Schelfeis, komplett zugefroren, der Meereisgürtel ist einige Kilometer breit. Die ersten, kleineren Gruppen von Kaiserpinguinen bilden sich Ende März. Wir zählen vielleicht einhundert bis zweihundert Tiere. Bis Anfang Mai erreicht die Kolonie ihre endgültige Größe von etwa 7000 Pinguinen. Mit kräftigen Flügelschlägen der Männchen gegen Mitbewerber beginnt in dieser Phase die Balz. Wenn sich die Paare gefunden haben, ist es zwar kaum möglich, Männchen von Weibchen zu unterscheiden, beeindruckend ist allerdings ein würdevoll und liebenswert erscheinendes Miteinander. Ein für jeden Pinguin charakteristisches, trompetenartiges Rufen ermöglicht dabei das gegenseitige Wiedererkennen. Ende Mai sehen wir die ersten Pinguineier. Die birnenförmigen, bis zu 15 Zentimeter langen und 500 Gramm schweren Eier werden in einer Hautfalte des Bauches direkt über den Füßen, der sogenannten Brutfalte, vor der Kälte geschützt. Die Temperatur in dieser Brutfalte kann durch die perfekte Isolation des Pinguinkörpers auf circa 30 bis 40 Grad gehalten werden.


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mare No. 2

No. 2Juni / Juli 1997

Von Jens Wickert

Jens Wickert, Jahrgang 1963, fotografiert bereits seit seiner Schulzeit. Nach seinem Studium der Physik in Dresden und Berlin liegt sein heutiges Arbeitsgebiet in der Weltraumforschung. 1994 überwinterte er als Meteorologe auf der Neumayer-Station.

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Vita Jens Wickert, Jahrgang 1963, fotografiert bereits seit seiner Schulzeit. Nach seinem Studium der Physik in Dresden und Berlin liegt sein heutiges Arbeitsgebiet in der Weltraumforschung. 1994 überwinterte er als Meteorologe auf der Neumayer-Station.
Person Von Jens Wickert
Vita Jens Wickert, Jahrgang 1963, fotografiert bereits seit seiner Schulzeit. Nach seinem Studium der Physik in Dresden und Berlin liegt sein heutiges Arbeitsgebiet in der Weltraumforschung. 1994 überwinterte er als Meteorologe auf der Neumayer-Station.
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