Brandenburgs Goldküste

Sklaven in die Karibik, Zucker nach Deutschland, Glasperlen nach Afrika – das lukrative Dreieck der Afrikanisch-Brandenburgischen Compagnie. Ihr Vorposten steht noch heute

Diese Geschichte erzählt von Geschäftemachern und Abenteurern, von Schurken und wirklich guten Menschen, von Brandenburgern aus verschiedenen Jahrhunderten – und natürlich vom Burgwart Josef und den Leuten von Princess Town, ehemals Großfriedrichsburg.

„Die Deutschen waren fair zu uns. Es gab einen regen Handel, und jeder profitierte.“

„Wurden Sklaven gehandelt?“

Beschwörend hebt Josef, der Hochgewachsene, Kahlköpfige, der Würdige und nur verhalten Lächelnde, seine wuchtigen Hände. „Aber nein! Sklavenhandel und Deutsche, das hat es nie gegeben. Nicht hier.“ Wirklich nicht?

Josef ist 47 Jahre und sieht älter aus, und hier, das ist Princess Town, 350 Kilometer westlich von Ghanas Hauptstadt Accra gelegen und eine knappe Autostunde östlich der Grenze zur Elfenbeinküste, wo der Bürgerkrieg tobt. Hier aber – unten im Fischerdorf ebenso wie oben im Areal der früheren kurfürstlichen Festung – ist völliger Frieden. Brisengetränktes Palmenwedeln, Eidechsen auf bemoosten Mauern und bröckelnden Wehranlagen und vom Meer her die auslaufenden Wellen. Wie mag es gewesen sein, als hier Dutzende Schiffe ankerten, manche frisch von der Reede aus Emden gekommen?

„Nein, keine Sklaven“, brummelt Josef, und während er ins Haupthaus verschwindet, um den Schlüssel für die Übernachtungskammer zu holen, wagt sich ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und kurz über den Knien endenden Jeans auf den von Ziegen kahl gefressenen Burgvorplatz. „Mister, wenn Sie möchten, ich kenne interessante Orte, die …“ Doch er kommt nicht dazu, seinen Satz zu beenden. „Weg, geh weg!“, schreit Josef, der in diesem Moment wieder auf der obersten Treppenstufe erscheint, und selbstverständlich denken wir beim furchterregenden Anblick seiner zornig-blau aus den Schläfen tretenden Adern nicht an die weißen Festungskommandanten, die hier von 1682 bis 1721 herrschten und handelten und durch Trunksucht ihre Gesundheit ruinierten, sondern an Jan Cunny, den letzten Herrn von Großfriedrichsburg und gleichzeitig wohl ersten schwarzen Festungskommandanten an Afrikas Westküste. Sind der Legende nach die heutigen Bewohner von Princess Town nicht John Cunnys Nachfahren?

„Ein Müßiggänger, Lügner, Dieb und Verführer!“, wütet Josef der sich grazil unter dicht stehenden Bäumen entfernenden Silhouette des jungen Mannes hinterher. „Er bringt nur die Gäste durcheinander, die Frauen und manchmal sogar die Männer.“ Josefs linke Hand fährt herunter wie ein Fallbeil, in der Rechten aber hält er fürsorglich den schweren Zinkeimer mit dem aus dem Brunnen geschöpften Frischwasser für das Nachtquartier in dem alten Gemäuer.

Es sind jene Bilder, dieser Geruch und diese Geräusche, die später die Erinnerung prägen werden. Das Scheppern des Eimers auf dem Steinboden des nur vom Tropenhimmel beschirmten Verlieses, das Quietschen des Henkels; das lawinengleiche Nass von den Haaren über den verschwitzten Körper, danach der Griff zum Badetuch, das an einem rostigen Nagel der Holztür hängt; das dumpfe Schaben des Riegels und dann: diese jahrhundertealten brandenburgischen Kanonenrohre in den Öffnungen der niedrigen Wehrmauer, die quer über das Festungsplateau gespannten Leinen mit der Travellerwäsche, dazu der Duft von Mangos und der Yams-Maniok-Mischung Fufu, das gedämpfte Reden der wenigen Gäste angesichts des atemberaubenden Panoramas. Festung, Dorf, Palmenstrand und Meer, abends dann der Sternenhimmel.

Als im Jahr 1640 Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, späterhin „der Große Kurfürst“ genannt, den Thron bestieg, lag sein Land infolge des Dreißigjährigen Krieges derart danieder, dass er dringend Geld brauchte, um sein marodes Reich zu sanieren. Obwohl sich bereits dank diverser Einreiseerleichterungen zahlreiche wirtschaftlich agile französische Hugenotten im deutschen Norden angesiedelt hatten, suchte der Kurfürst nach weiteren Aufschwungfaktoren.

Weshalb also nicht alle Einwände in den Wind schlagen und sich auf das Abenteuer einer Kolonialexpansion einlassen? Immerhin lockten Gold, Salz, Gummi, Elfenbein sowie eine Teilhabe am äußerst lukrativen Sklavenhandel.


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mare No. 65

No. 65Dezember 2007 / Januar 2008

Von Marko Martin

Marko Martin, Jahrgang 1970, lebt als Schriftsteller und Publizist in Berlin. Berührt vom Unterschied zwischen Gutmenschen und guten Menschen, verweist er gern auf Renates und Hartmuts effizientes Hilfsprojekt: www.abc-bruecke.de

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