Zwei wie Wind und Wellen

Charmian Kittredge, Jack Londons Frau und Gefährtin der Segelreise, führte das Tagebuch des Törns – auch ein Dokument ihrer Liebe

Es war ein Skandal. nur einen Tag nachdem dem Scheidungsantrag von Elizabeth Maddern, Jack Londons erster Frau und Mutter seiner beiden Töchter, stattgegeben worden war, heiratete er Charmian Kittredge. Sie war vier Jahre älter als er, eine ungebundene Frau, die sich als Sekretärin ihren Lebensunterhalt verdiente und in San Franciscos Gesellschaft eine Art notorische Berühmtheit erlangt hatte, unter anderem, weil sie demonstrativ nicht im Damensitz ritt. Die Presse war entsetzt, spätere Chronisten wie der London-Biograf Russ Kingman aber resümierten: „Sie war Jacks Seelenverwandte, stets an seiner Seite, die perfekte Frau für ihn.“ Schon Monate vor der Hochzeit hatte das Paar über den gemeinsamen Traum einer langen Seereise gesprochen, und es war Charmian, die den Plan forcierte. Während Jack London an Bord der „Snark“ an Romanen und Artikeln arbeitete, schrieb seine Frau das Logbuch. Ein Jahr vor seinem Tod im November 1916 veröffentlichte sie den 490 Seiten langen Bericht. „The Log Of The Snark“ (Macmillan, New York, 1916) erzählt einiges über die besondere Verbindung dieses draufgängerischen Paares.

Samstag, 4.  Mai 1907
… Der Steuerkompass ist Teil meines Bewusstseins geworden, selbst im Schlaf. … Ich denke in Wörtern wie „Süd zu West“ … und anderen Begriffen, die vor einem Monat noch Griechisch für mich waren. Jack hat viele lustige Namen für mich, wie „Das Skipperschätzchen“, „Der Knüller“, „Jacks Angetraute“, ich platze vor Stolz
und fühle mich schon ganz und gar als ein Salzwassergeschöpf.

8° N, 129 ° 42' W, Donnerstag, 14. November 1907
… Ich würde eine gute Summe darauf wetten, dass viele Leser, sähen sie meine Beulen und Schrammen, sagen würden, mein Ehemann sei ein brutaler Kerl, weil er mich auf eine solche Reise mitnimmt. Aber denen antworte ich, dass sie mich nicht erleben hätten wollen, hätte er mich zurückgelassen.

6° 45' N, 125° 36' W, 29. November 1907
… Am Dienstag, den 19. November, haben wir mit einer Flasche Cider, die wir an Bord ausgegraben haben, auf unseren zweiten Hochzeitstag angestoßen. … Jack schwelgte in Erinnerungen und unterhielt die anderen mit Anekdoten unserer Flitterwochen auf Kuba und Jamaika. Und nun sind wir hier, zusammen, auf der Jagd nach dem Kitzel neuer Erfahrungen, mit demselben Elan und derselben, nie nachlassenden Begeisterung. Jack hat die wunderbare Angewohnheit, alles, was sein Interesse weckt, auch teilen zu wollen – seine Vergnügungen, seine Bücher oder was er gerade studiert. Er erklärt mir seine Fortschritte in der Navigation; er liest mir laut vor; er möchte, dass ich den Zug des Fisches an seiner Leine spüre.

Vor Tahiti, Donnerstag, 26. Dezember 1907
… Mein glühender junger Tramp, dieser rastlose Jack London, kann an jedem beliebigen Ort an jedem beliebigen Tisch seine Hand über das Papier führen, alles ist ihm recht. Meine erste Aufgabe an einem neuen Ort ist es, für ihn einen Schreibtisch zu finden oder zu erfinden, es waren ein paar seltsame dabei. Egal, wie verlockend die Umgebung, wie neuartig und aufregend, um Punkt neun Uhr setzt er sich hin, übersät die Fläche vor sich mit kleinen Notizzetteln, manche beschrieben, manche leer, richtet sein Manuskript aus, … wählt aus dem halben Dutzend Füller, die Nakata für ihn bereithält, einen aus, liest die 1000 Wörter des Vortags – meist laut zu mir –, und dann, mit einem kleinen Nicken, mit dem er sich von allen äußeren Belangen frei zu machen scheint, und einem weisen kleinen Lächeln, widmet er sich die nächsten zwei Stunden dem Schaffensprozess, dem Broterwerb, wie er es nennt. Manchmal blickt er auf, mit großem Strahlen in den Augen, und sagt zu mir: „Ist eine komische Art, sein Geld zu verdienen, nicht wahr, Kumpelfrau?“

Ausgewählt und übersetzt von Martina Wimmer.


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mare No. 90

No. 90Februar / März 2012

Übersetzung von Martina Wimmer

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