Zurbarán, der Exportmaler

Spaniens Künstler brauchten Geld, die Kolonien in Amerika Gemälde. Eine lukrative wie riskante Handelsbeziehung

Francisco de Zurbarán wartete und wartete. 1636 hatte der spanische Maler dem Kapitän einer Galeone eine Ladung Gemälde anvertraut, die dieser nach Südamerika mitnehmen und dort verkaufen sollte. Kapitän Diego de Mirafuentes kehrte mit der nächsten Flotte nach Sevilla zurück, hatte jedoch angeblich in seinem Zielhafen Panamá keinen Käufer für die Bilder finden können und sie deshalb, wie mit Zurbarán abgesprochen, an einen Händler nach Lima weitergeschickt. Seitdem hatte niemand mehr etwas von den Gemälden gehört.

Obgleich Zurbarán ein berühmter Künstler war, der sogar am Hof in Madrid für den König gearbeitet hatte, war er auf das Geld angewiesen. Die wirtschaftliche Lage in Spanien war schlecht, er erhielt nicht mehr viele Aufträge. Im Frühjahr 1638 konnte er nicht einmal die 2000 Dukaten Mitgift, die er dem Bräutigam seiner Tochter María versprochen hatte, bezahlen. Als das Geld auch im Winter 1638 nicht bei der Ladung der aus Amerika heimkehrenden Flotte war, beauftragte der Maler einen Vertrauensmann in Peru mit Nachforschungen – ohne Erfolg. Offenbar waren die Bilder nie in Lima eingetroffen. An der Sache war etwas faul. Schließlich reichte Zurbarán im Frühjahr 1640 in der Warenverkehrsbehörde von Sevilla eine Klage gegen Kapitän Mirafuentes ein.

Der Fall Zurbarán gegen Mirafuentes war bei weitem nicht der einzige seiner Art. Im Laufe des 17. Jahrhunderts ließen sich viele Sevillaner Künstler auf das problematische Unterfangen ein, ihre Bilder über den Atlantik zu schicken. Einerseits war die Nachfrage nach spanischen Gemälden in Südamerika groß – galt es doch, unzählige frisch gegründete Kirchen und Klöster auszuschmücken –, andererseits sah die Auftragslage in der Heimat immer düsterer aus.

Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts war Sevilla mit seinen 120000 Einwohnern eine der reichsten Städte Spaniens. Im Tiefland des schiffbaren Flusses Guadalquivir gelegen, der bei Sanlúcar de Barrameda in den Atlantik mündet, hatte sie nicht nur einen der größten Häfen des Landes, sondern war auch Sitz der Warenverkehrsbehörde Casa de Contratación, die den gesamten Güterverkehr von und nach Amerika lenkte. Neben Kakao und Tabak kamen jährlich 300000 Kilogramm Silber aus der Neuen Welt in Sevilla an und gingen durch die Hände der andalusischen Kaufleute. Sevilla verdiente gut an diesem Handelsmonopol und entwickelte sich zu einer wohlhabenden Metropole.

Der Aufschwung hielt jedoch nicht lange an. Unerwarteterweise lieferten die Bergwerke in den Kolonien ab 1630 plötzlich wesentlich weniger Silber als zuvor. Gleichzeitig begann ganz Spanien zu verarmen, weil es alle Reichtümer aus den Kolonien in Kriege gegen seine europäischen Nachbarn investierte und noch dazu eine stetig wachsende Schicht untätiger, prunksüchtiger Adeliger finanzieren musste. Zwei Mal im Laufe des Jahrhunderts kam es sogar zum Staatsbankrott.

Auch Sevilla litt unter der allgemeinen Wirtschaftsflaute. Die Situation der Stadt verschlimmerte sich noch, als im Frühjahr 1649 plötzlich eine Pestepidemie ausbrach. Zunächst gab es nur vereinzelte Opfer, aber als kurz darauf der Guadalquivir über die Ufer trat und den gesamten Stadtteil Triana unter Wasser setzte, war die Katastrophe perfekt. In der Hitze des andalusischen Sommers konnte sich die Pest in der von brackigem Wasser überschwemmten Stadt rasend schnell verbreiten. Ganze Stadtteile wurden entvölkert, und Sevilla zählte bald um die Hälfte weniger Einwohner als zu Beginn des Jahrhunderts.

In Zeiten des wirtschaftlichen Niedergangs ist Malerei überflüssiger Luxus. Bereits zu Beginn der Krise verloren die Maler Sevillas ihre Hauptauftraggeber, die Kirchen und Klöster Andalusiens, die ihre Gelder nun für dringendere Zwecke brauchten. Notgedrungen suchten immer mehr Maler ihr Glück im Handel mit Amerika. Dieses Geschäft war zwar einträglich, denn die südamerikanischen Klöster zahlten für europäische Gemälde oft drei Mal mehr als Kunden in Spanien, aber es barg auch viele Risiken und bot kaum Raum für künstlerische Experimente.

Die meisten Gemälde für Südamerika wurden von mittelmäßig begabten Malern in Masse produziert. Nur selten erhielten die Künstler konkrete Aufträge aus den fernen Kolonien, meist stellten sie einfach auf gut Glück große Mengen von Gemälden her, die sie dann in Südamerika zum Kauf anboten. Auf neuartige Kompositionen oder ungewöhnliche Themen wurde verzichtet, denn je gängiger Motiv und Ausführung waren, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, schnell einen Abnehmer zu finden.


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mare No. 37

No. 37April / Mai 2003

Von Anneke Bokern

Anneke Bokern, Jahrgang 1971, freie Journalistin in Amsterdam, wollte eigentlich eine ganze Monografie über Zurbarán schreiben, ihr Verlag allerdings fand den Künstler zu unwichtig. Nun ist ein mare-Artikel daraus geworden.

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Vita Anneke Bokern, Jahrgang 1971, freie Journalistin in Amsterdam, wollte eigentlich eine ganze Monografie über Zurbarán schreiben, ihr Verlag allerdings fand den Künstler zu unwichtig. Nun ist ein mare-Artikel daraus geworden.
Person Von Anneke Bokern
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