Zug zum Meer

Eritrea in Zugzwang: Eine Bahn aus dem Hochland an die Küste sollte die Kolonie Italien in die Arme führen

Technische Glanzleistung

1881 begannen die Italiener mit der Kolonisierung Eritreas und sechs Jahre später mit dem Projekt, das ihnen helfen sollte, ein römisches Imperium zwischen Tripolis und Massawa aufzubauen: dem Bau der Eisenbahn vom eritreischen Hochland ans Rote Meer. Wegen der enormen Steigungen entschieden sich die Ingenieure für eine mit Dampf betriebene Schmalspurbahn. 30 Tunnels, Dutzende Brücken und Viadukte, engste Kurven und 2394 Höhenmeter - vergleichbare technische Anforderungen kannte man in Europa nur von der Rhätischen Bahn in den Schweizer Alpen. Die Eisenbahn in Eritrea wurde zu einem Glanzstück Mailänder Ingenieurskunst, aber sie wurde auch zu einem mörderischen Unternehmen. Die gnadenlose Hitze verbog die ersten Schienen, alles Material wurde mit Kamelen die kahlen Hänge hinauftransportiert, Brunnen und Unterkünfte mussten gebaut und Leitungen verlegt werden. Eine Tortur für Mensch wie Tier.

Aufbruch in Asmara

1928 fuhren 100000 Passagiere zwischen Asmara und Massawa hin und her. Bis zu 38 Züge verkehrten täglich zwischen beiden Städten. Asmara wurde zur italienischsten der italienischen Kolonialstädte. In Bahnhöfen hingen Bilder des Duce, die Salonwagen der ersten Klasse waren mit Kühlboxen für den Champagner ausgestattet, Ledersessel und Teppichböden selbstverständlich.

1941 schlugen die britischen Truppen Mussolinis Armee und übernahmen Italiens Kolonie. Auch für die Eisenbahn hatte das Folgen: Die neuen Herren bauten die Gleise auf Teilen der Strecke ab und verschifften sie nach Madagaskar. Mit dem fehlenden Zugang zum Meer begann das Ende von Asmaras Blüte.

Endstation Massawa

Die britische Militärverwaltung währte gut zehn Jahre. Auf Betreiben der USA errichtete die UNO 1952 eine Föderation zwischen Eritrea und Äthiopien, die jedoch Äthiopien faktisch die Hoheit über Eritrea verlieh. 1962 annektierte Äthiopien Eritrea als 14. Provinz. Eine Periode der Unterdrückung begann, und es folgte ein 30 Jahre dauernder Befreiungskrieg.

Was von der Bahnstrecke übrig war, verfiel. Sowohl die Äthiopier als auch die eritreischen Rebellen benutzten die Gleise, um die Front abzustecken, die Waggons als Schutzwälle und Soldatenquartiere. 1975 fuhr der letzte Zug.

Die einst wohlhabende Hafenstadt Massawa litt unter den Zerstörungen des Bürgerkriegs, der erst 1993 mit Eritreas Unabhängigkeit von Äthiopien beendet wurde. Die Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Staaten dauern bis heute an.

Seit Anfang 2003 ist die Schmalspurbahn wieder in Betrieb, teils wird sie mit Dampf betrieben, teils mit Diesel. Zwischenzeitlich steht sie immer wieder still. Das staatliche Ziel aber heißt: Garantie eines regelmäßigen Dienstes vom Hochland bis ans Rote Meer. zdb

mare No. 40

No. 40Oktober / November 2003

Reisebilder von Andrew Testa

Andrew Testa wurde 1965 in London geboren. In den 90er Jahren dokumentierte er hauptsächlich die Proteste der Umwelt-Bewegung in Großbritannien. 1999 ging er in den Kosovo und fotografierte das Krieggeschehen und seine Folgen. Er blieb sechs Jahre und arbeitete für Zeitungen und Magazine wie der New York Times, Newsweek und anderen im Balkan, Osteuropa, Zentralasien und dem Mittleren Osten. Heute lebt und arbeitet er in Brooklyn, New York.



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Vita Andrew Testa wurde 1965 in London geboren. In den 90er Jahren dokumentierte er hauptsächlich die Proteste der Umwelt-Bewegung in Großbritannien. 1999 ging er in den Kosovo und fotografierte das Krieggeschehen und seine Folgen. Er blieb sechs Jahre und arbeitete für Zeitungen und Magazine wie der New York Times, Newsweek und anderen im Balkan, Osteuropa, Zentralasien und dem Mittleren Osten. Heute lebt und arbeitet er in Brooklyn, New York.


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Vita Andrew Testa wurde 1965 in London geboren. In den 90er Jahren dokumentierte er hauptsächlich die Proteste der Umwelt-Bewegung in Großbritannien. 1999 ging er in den Kosovo und fotografierte das Krieggeschehen und seine Folgen. Er blieb sechs Jahre und arbeitete für Zeitungen und Magazine wie der New York Times, Newsweek und anderen im Balkan, Osteuropa, Zentralasien und dem Mittleren Osten. Heute lebt und arbeitet er in Brooklyn, New York.


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