Zehn Wahrheiten über das Meer

Ein Streit ohne Ende: Wir bringen die Ozeane zum Kollabieren, sagen die einen. Halb so wild, alles schon mal dagewesen, sagen die anderen. Dabei sind manche Fragen längst im Konsens beantwortet. mare zeigt die zehn wichtigsten auf

1. Wie schädlich ist Öl, das ins Meer gelangt?

Die Bilder von zerbrochenen Frachtern, kenternden Bohrinseln und ölverschmierten Vögeln sind überaus medien- wirksam. Sie brennen sich in unser Gedächtnis. Gemessen an anderen Problemen ist die Ölverschmutzung aber ein eher kleines Übel. Öl ist ein natürlicher Stoff, der anders als Schwermetalle oder manche Chemikalien von Bakterien abgebaut wird. Natürlich dauert das seine Zeit. Aber wie Studien belegen, sind viele Küstenabschnitte dank dieses mikrobiellen Reinemachens Jahre nach einer Ölkatastrophe wieder sauber. Die andere gute Nachricht: Die Verölung der Meere hat in den vergangenen Jahren sogar abgenommen. Grund dafür sind schärfere Kontrollen von Handelsschiffen, die früher oft Altöl ins Meer pumpten, Überwachungsflüge und die Ausweisung von Meeresschutzgebieten. Zudem ist es heute Pflicht, Doppelhüllentanker einzusetzen. Reißt bei einer Havarie die Außenhaut, hält die innere Schiffswand das Öl zurück.

Ohnehin fließen nur etwa zehn Prozent des Öls durch Havarien von Bohrinseln und Schiffen ins Meer. Die große Verölung geschieht schleichend. Gut 35 Prozent der Verschmutzung werden durch illegale Schiffstankreinigungen auf hoher See verursacht. Weitere 45 Prozent gelangen durch Abwässer, als flüchtige Ölbestandteile aus der Luft oder durch den Routinebetrieb auf Bohrinseln in die Ozeane. Allerdings wird bei der Ölförderung immer wieder geschlampt. So waren es laut offiziellem Untersuchungsbericht viele kleine Fehler, die im April 2010 zur Havarie der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko geführt hatten. „Würde man in der Ölindustrie dieselben Sicherheitsmaßstäbe wie im Auto- oder Flugzeugbau anlegen, käme es kaum mehr zu solchen Katastrophen“, sagt Jürgen Rullkötter, Leiter des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres an der Universität Oldenburg. „Beim Auto und Flugzeug sind redundante, mehrfach ausgelegte Sicherheitssysteme und andere Schutzeinrichtungen längst Standard.“ Die Ölindustrie aber ist in einer Zeit groß geworden, als Umweltschutz keine große Rolle spielte.

Die alte Laisser-faire-Haltung wirkt heute noch nach. Und das betrifft, wie die Explosion der Plattform im Golf von Mexiko zeigt, nicht nur die Konzerne, sondern auch die Aufsichtsbehörden, die lax oder gar nicht prüften. „Wenn es zehnmal gut gegangen ist, schaut man halt beim elften Mal nicht mehr so genau hin“, sagt Rullkötter. Strengere Kontrollen seien dringend nötig. Im Fall der „Deepwater Horizon“ hätten sie sogar Menschenleben retten können.

Öl ist giftig, keine Frage. Deshalb müssen Ölkonzerne viel mehr als bisher in die Pflicht genommen werden, in moderne Sicherheitssysteme zu investieren. Das würde die Zahl kleiner und großer Unfälle deutlich reduzieren. Wie so oft muss aber zuerst die Politik Druck machen.

2. Zerstören chemische Gifte die Ozeane?
Zum Glück sind in vielen Ländern die Zeiten vorbei, als man giftige Chemikalienungefiltert in die Luft jagte oder in Flüsse und Meere pumpte. Und doch geht die stille Verschmutzung unaufhörlich weiter. Umweltforscher haben vor allem jene Substanzen im Blick, die zwar in kleinen Mengen ins Freie gelangen, aber so stabil sind, dass sie sich nicht zersetzen. Diese langlebigen Chemikalien reichern sich nicht nur im Meer an, sondern auch im Fettgewebe von Robben, in Lebern von Eisbären und letztlich auch im Menschen. „Persistent Organic Pollutants“ nennen Fachleute diese Chemikalien, kurz POPs.

Besonders hartnäckig sind halogenierte Kohlenwasserstoffe, bombenfeste chemische Verbindungen, die die Elemente Brom, Chlor oder Fluor enthalten. Gefürchtet sind vor allem die Chlorverbindungen, die polychlorierten Biphenyle (PCB), die sich in Meereslebewesen festsetzen und unter anderem bei Robben nachweislich zu Krebs und Unfruchtbarkeit führen. Inzwischen weiß man, dass auch einige Fluorverbindungen gefährlich sind, von denen manche etwa in Outdoorjacken oder Teflonpfannen stecken. 2001 wurden mit der Stockholmer POP-Konvention Stoffe wie die PCB und auch bestimmte fluorierte Verbindungen auf eine schwarze Liste gesetzt.

Doch ständig bringen Hersteller neue Substanzen auf den Markt, ohne zuvor das Gefahrenpotenzial genau zu analysieren. „Es müsste aber genau anders herum sein“, sagt Renate Sturm, Umweltchemikerin am Helmholtz-Zentrum Geesthacht bei Hamburg. „Die Hersteller müssten vor der Markteinführung nachweisen, dass eine chemische Substanz unbedenklich ist, wie es seit 2007 auf europäischer Ebene mit der EU-Verordnung REACH versucht wird.“ Zwar hat auch diese Verordnung Schwachstellen. International aber gilt REACH als vorbildliches Regelwerk zur Ächtung gefährlicher Substanzen.


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mare No. 93

No. 93August / September 2012

Von Tim Schröder

Während der Recherche zu den zehn Fragen und Antworten wurde dem Oldenburger Wissenschaftsjournalisten Tim Schröder, Jahrgang 1970, einmal mehr klar, wie sehr der Klimawandel die Ozeane verändert. Aber auch, dass jeder etwas tun kann. Jetzt brummen in seinem Haus eine sparsame Heizungspumpe und eine „Energieeffizienzklasse A+++“-Gefriertruhe.

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Vita Während der Recherche zu den zehn Fragen und Antworten wurde dem Oldenburger Wissenschaftsjournalisten Tim Schröder, Jahrgang 1970, einmal mehr klar, wie sehr der Klimawandel die Ozeane verändert. Aber auch, dass jeder etwas tun kann. Jetzt brummen in seinem Haus eine sparsame Heizungspumpe und eine „Energieeffizienzklasse A+++“-Gefriertruhe.
Person Von Tim Schröder
Vita Während der Recherche zu den zehn Fragen und Antworten wurde dem Oldenburger Wissenschaftsjournalisten Tim Schröder, Jahrgang 1970, einmal mehr klar, wie sehr der Klimawandel die Ozeane verändert. Aber auch, dass jeder etwas tun kann. Jetzt brummen in seinem Haus eine sparsame Heizungspumpe und eine „Energieeffizienzklasse A+++“-Gefriertruhe.
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