Wo selbst das Grün Weiß ist

Im arktischen Packeis nahe Uummannaq auf Grönland fand die erste Eisgolf-Weltmeisterschaft statt

Bahn 7, ein Par 3. nicht eben lang mit 138 Metern, aber verdammt glatt am Abschlag und so tückisch wie spektakulär. Links vorne ein steil aufragendes Ensemble von Eisbruch und kantigen Eisschollenstücken. Reichlich Pulverschneeverwehungen vor und hinter dem Grün, das ein Weiß ist. Und rechts ragt, parallel zur Spielbahn, senkrecht und blauschimmernd ein wahrhaft majestätischer Koloss von Eisberg auf, länger und breiter als das putzige Schiffchen von einst, das sie Titanic nannten. Welch ein Monster. Ich wähle Eisen 5.

Seemannsgarn? Golferwahn? Nein, wir sind tatsächlich auf dem Meer. Auf dem tiefgefrorenen Nordmeer, mitten im eisberggespickten Uummannaq-Fjord an der Westküste Grönlands, 600 Kilometer nördlich des Polarkreises. Auf dem Spielplan steht die erste Eisgolf-Weltmeisterschaft. Ausgedacht und organisiert von dänischen Golffreaks, dem grönländischen Tourismusverband, vom örtlichen Hotelier und vielen Sponsoren.

Der weiße titanische Berg neben Bahn 7 hat schon vorfrühlingsbedingte Risse, die breiter sind als jeder Golfschläger lang ist. Das ist gefährlich. Die sechs- bis siebenfache Menge versteckt sich ja noch unter der Packeiskante. Aus Sicherheitsgründen setzen daher die lokalen Regeln den Eis-Trumm einem „seitlichen Wasserhindernis“ gleich, und so ist eine rote Linie aufs Eis gesprüht: Aus. Betreten verboten. Tags zuvor war ich da gleich zweimal hingeraten, mit diesem fiesen Rechtsdrall, im Golfer-Jargon Slice genannt. Kommt das Wort eigentlich von Ice?

Reagieren Eisberge vielleicht magnetisch auf Golfbälle? Nein: Heute, mit Eisen 5, locker geschwungen, steigt die Kugel schnurgerade auf, genau Richtung Fahne.

20 Teilnehmer aus acht Ländern hatten sich für die WM qualifiziert – als aktive Golfer (mindestens Handicap 36) und durch Buchung der achttägigen Reise (mindestens DM 4800). Die Koffer vollgepfropft mit Polarpullovern, Wattejacken und Thermo-Allerlei von batteriebeheizten Socken bis zu wärmenden Ear-Bags. Im Gepäck auch die Angst vor Frostbeulen, vor Schneeblindheit und Eisfüßen. Und die bange Frage: Wie soll Golf auf Eis überhaupt funktionieren? Keiner der Teilnehmer hatte so etwas je versucht.

Schon die Anreise war nicht eben einfach. Für die meisten dauerte sie minimal 24 Stunden mit fünf Flugzeug- und Hubschrauberflügen bis zum Zielort Uummannaq. Denn über Grönland, zwischen Europa und den USA, fliegen viele hinweg, aber nicht nach Grönland und nicht in Grönland. Endstation Eiswüste: Nördlich von Uummannaq (eine Satellitenschüssel, zwei Kneipen, drei bis vier Straßen, 80 Hotelbetten, etwa 400 putzige bunte Holzhäuschen, 1500 menschliche Einwohner, 2000 Schlittenhunde) kommt tatsächlich nur noch eine kleine Ansiedlung und eine Air Base der Amis.

So stand sie denn da, die Schar verrückter Südländer aus New York, Kopenhagen, Edinburgh und Den Haag. Menschen unter Fleecemützenschichten und wuchtigen Sonnenbrillen, dickverschalt, die Lippen in vielfache Fettschichten eingelegt, Nasenspitzen und Wangenreste mit Faktor 30 verkleistert und am Leib bis zu drei Paar Handschuhe, vier Paar Socken und fünf Paar Hosen. Daraus wurden torkelnde Michelin-Männchen, die anfangs Mühe hatten, ihre gebogenen Stöcke wenigstens bis Hüfthöhe zu schwingen. Und wenn der Schläger den Ball traf, wehte mal der Schneepuder am Boden stärker und mal die weiße Atemluft.

Die einheimischen Inuit staunten. Manche grinsten. Was die wohl, dachten alle, so alles denken? Uummannaqs Pfarrer hielt kurz vor Turnierstart einen Fürbitt-Gottesdienst ab, was in Grönland bei besonders wichtigen Ereignissen so üblich ist. Der Bürgermeister, ein massiger Mensch namens Jens Fleischer, ließ es sich nicht nehmen, die WM persönlich zu eröffnen („... wünsche wundervolle Erfahrungen“). Und der Ortschor sang mehrfach aufmunternde Weisen („Pissaanerpaaqaa Naalagarput illit ...“).

Eisgolf in Grönland: Braucht die westliche Fun Generation immer absurdere Kicks? Holiday on Ice, Golf on the Rocks: Ist das nicht Dekadenz bei minus 30 Grad?


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mare No. 15

No. 15August / September 1999

Von Bernd Müllender und Andreas Teichmann

Bernd Müllender, Jahrgang 1958, lebt als freier Journalist, Buchautor und Fußball-Therapeut in Aachen. Er hat Handicap 28.

Fotograf Andreas Teichmann, Jahrgang 1970, ist Mitglied der Agentur laif und lebt in Essen. Beide veröffentlichen erstmals in mare

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Vita Bernd Müllender, Jahrgang 1958, lebt als freier Journalist, Buchautor und Fußball-Therapeut in Aachen. Er hat Handicap 28.

Fotograf Andreas Teichmann, Jahrgang 1970, ist Mitglied der Agentur laif und lebt in Essen. Beide veröffentlichen erstmals in mare
Person Von Bernd Müllender und Andreas Teichmann
Vita Bernd Müllender, Jahrgang 1958, lebt als freier Journalist, Buchautor und Fußball-Therapeut in Aachen. Er hat Handicap 28.

Fotograf Andreas Teichmann, Jahrgang 1970, ist Mitglied der Agentur laif und lebt in Essen. Beide veröffentlichen erstmals in mare
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