„Wenn schon nicht Weltverfassung, dann wenigstens Meeresverfassung“

Als junger Jurist nahm Uwe Jenisch in den 1970er-Jahren an den UN-Konferenzen zum Meeresschutz teil. Im Interview erinnert er sich an die Geburt des internationalen Seerechtsübereinkommens

Seit mehr als 50 Jahren beschäftigen Sie sich mit Seerecht. Warum dieses Fach?

Ich war familiär vorbelastet. Mein Vater war U-Boot-Kommandant, und es gab in der Familie weitere Seefahrer. Die Wehrdienstzeit habe ich bei der Marine verbracht, später arbeitete ich mich mit 25 Wehrübungen bis zum Kapitän zur See der Reserve hoch. Nach dem Wehrdienst habe ich in Kiel und in Freiburg Jura studiert. Als ich ein Seminar belegen musste, bin ich auf ein seerechtliches Thema gestoßen. Daraus entwickelte sich meine Doktorarbeit über militäri- sche Übungen auf hoher See in Friedenszeiten. Der Professor half mir 1968, ein Promotionsstipendium für die Harvard Law School zu bekommen.

Der USA-Aufenthalt brachte Ihnen einige interessante Einblicke.

Ich kam mit amerikanischen Seerechtlern ins Gespräch und erfuhr, dass die Tiefseedebatte losging mit Arvid Pardo, dem UN-Botschafter Maltas, und mit Elisabeth Mann Borgese. Außerdem hörte ich, dass sich Amerika und Russland einig waren, das Seerecht müsse reformiert werden. Die Hoheitsgrenzen sollten von drei auf zwölf Seemeilen erweitert werden, Island wollte die Fischereizone ausdehnen. Als ich 1969 zurückkam, überraschte ich meine Professoren mit einer Veröffentlichung über Modelle zur Ordnung des Tiefseebodens.

Mit Elisabeth Mann Borgese hatten Sie auch später noch Kontakt.

Sie war eine der wichtigsten Ideengeber für das neue Seerecht. Als junge Frau hatte sie an Plänen zu einer Weltverfassung gearbeitet, aus denen damals leider nichts wurde. Doch als die Seerechtsdebatte losging, Ende der 1960er-Jahre, war sie blitzartig wieder aktiv. Wenn schon nicht Weltverfassung, dann wenigstens Meeresverfassung. 1970, noch vor Beginn der UN-Seerechtskonferenz, organisierte sie zum ersten Mal in Malta die Konferenz Pacem in Maribus – Frieden auf den Meeren. Sie trommelte rund 200 Fachleute zusammen, um das neue Seerecht anzudenken, zu strukturieren, um Themenlisten aufzustellen. Sie lud auch 15 junge Leute ein.

Darunter auch Sie.

Wir wurden eingeladen und mussten einzelne Themen übernehmen. Ich musste einen Vortrag über die neue Rechtsordnung der Meeresforschung halten. Wer gut war, den nahm Elisabeth Mann Borgese beiseite. Mir trug sie auf, im nächsten Jahr über das Recht der Atombombenversuche im Pazifischen Ozean zu sprechen. Auf diese Weise hat sie immer wieder junge Leute um sich geschart, beispielsweise den mare-Herausgeber Nikolaus Gelpke oder Graf Vitz- thum, der als Professor in Tübingen das Seerecht ins Binnenland trug. Ich bin noch mehrfach zu diesen Konferenzen eingeladen worden. Gelegentlich kam Elisabeth Mann Borgese auch nach Deutschland. Da durfte ich sie betreuen. Wir waren in Kiel beim Geomar, in Bremen und in Bremerhaven beim AWI, wo wir auf der „Seute Deern“ nette Abende verbracht haben. Sie wollte ein International Ocean Institute in Deutschland gründen.

Das ist das IOI, das jetzt in Malta seinen Sitz hat?

Auf Malta ist das Headquarter des IOI. Es gibt mehrere IOI-Unterzentren, auch eines in Bremen. Im Grunde sind das existierende Meereskundeinstitutionen.

Bis Sie 2003 in Ruhestand gingen, leiteten Sie das Referat „Schifffahrt und Häfen“ im schleswig-holsteinischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Was waren Ihre Aufgaben?

Neben den Routineaufgaben von Schifffahrt, Häfen, Seemannsschule sah ich meine Aufgabe darin, bei der Landesregierung durch geduldige Kleinarbeit das Meeres- bewusstsein zu schärfen. Unser Anliegen haben wir politisch begründet als Meerespolitik. Heute reden wir von Ocean Governance. Man braucht diesen „umbrella“, um deutlich zu machen, dass ein politischer Wille dahintersteht. Ministerpräsidentin Heide Simonis und verschiedene Fachminister in Schleswig-Holstein haben das aufgegriffen und sind mit dem Thema Meerespolitik nach Brüssel gefahren, um die EU-Meerespolitik anzuschieben. Manchmal konnte ich sie begleiten.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 135. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 135

No. 135August / September 2019

Von Lars Schiller und Holger Klindt

Interview: Lars Schiller und Holger Klindt

Das Interview erschien in voller Länge in Nr. 111, 10/2018 der Hydrographischen Nachrichten, der einzigen Zeitschrift für Hydrografie und Geoinformation im deutschsprachigen Raum.

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Vita Interview: Lars Schiller und Holger Klindt

Das Interview erschien in voller Länge in Nr. 111, 10/2018 der Hydrographischen Nachrichten, der einzigen Zeitschrift für Hydrografie und Geoinformation im deutschsprachigen Raum.
Person Von Lars Schiller und Holger Klindt
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Das Interview erschien in voller Länge in Nr. 111, 10/2018 der Hydrographischen Nachrichten, der einzigen Zeitschrift für Hydrografie und Geoinformation im deutschsprachigen Raum.
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