Walheimat

Wieso Seepocken ausgerechnet die Haut von Walen besiedeln, ist ein Rätsel. Nun kommt die Meeresforschung zu ersten Erkenntnissen

Wenn sich Seepocken einmal entschieden haben, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann sitzen sie ein Leben lang fest; als kleine weißliche Erhebungen auf einem Stein, einem Steg oder einer Hafenmauer. 

Seepocken gehören zu den Krebsen. Aber anders als die meisten anderen Krebse wandern sie nicht umher. Stattdessen zementieren sie sich auf dem Untergrund fest. Damit sind sie zwangsläufig sesshaft. Ihre Beine haben sie zu Fangarmen mit feinen Borsten umgebildet, mit denen sie Nahrungsteilchen und Plankton aus dem Wasser kämmen. 

Doch es gibt Ausnahmen. Manche Seepocken haben sich auf ausgesprochen mobile Habitate spezialisiert – nämlich auf Wale. Coronula diadema etwa, eine Seepocke von Tennisballgröße, siedelt vor allem auf Buckelwalen, die etwas kleinere Cryptolepas rhachianecti vor allem auf Grauwalen. Jede Walseepockenart hat offenbar eigene Vorlieben. So kommt man sich nicht in die Quere. 

Doch ansonsten weiß man bislang wenig über sie. „Leider ist das Wissen über Walseepocken recht fragmentarisch, weil es ungeheuer schwierig ist, sie am lebenden Objekt zu untersuchen“, sagt Benny Chan, Zoologe am Biodiversity Research Center in Taipeh, einer der wenigen Experten weltweit, die sich mit Walseepocken befassen. „Wie es den Tieren zum Beispiel gelingt, sich auf Walen festzusetzen, obwohl die ständig in Bewegung sind, haben wir noch nicht ganz verstanden.“ 

Wer per Anhalter auf Walen durch das Meer reisen will, benötigt dafür spezielle Organe oder muss besonders geschickt sein, haben Meeresforscher lange vermutet. Doch Chan fand heraus, dass dem nicht so ist. 

Um Details über die Seepocken zu erfahren, verlegte er seine Forschung vor einiger Zeit ins Labor. Dort konzentrierte er sich zuletzt auf Xenobalanus globicipitis, eine Seepocke ohne deutschen Namen, die sich gern an die Flossen des Großen Tümmlers heftet, einer Delfinart. 

Kollegen aus den USA hatten ihm 50 lebende Xenobalanus-Exemplare zugeschickt, die sie von den Flossen gestrandeter Tümmler abgekratzt hatten. Chan und sein Team schnitten die Seepocken auf, entnahmen ihnen Eier, setzten diese in ein Aquarium und warteten ab, ob daraus kleine Seepockenlarven schlüpfen. Es funktionierte.

Seepockenlarven leben zunächst im freien Wasser. Sie häuten sich einige Male, bis sie sich schließlich fest an den Untergrund kleben. Chan war verblüfft, als er die Larven mit einem Elektronenmikroskop untersuchte. Obwohl Xenobalanus mit den Walen einen extremen Lebensraum gewählt hat, sehen die Larven fast genauso aus wie jene, die auf Steinen siedeln. Wie andere Seepocken auch hat Xenobalanus eine kleine Haftscheibe, mit der die Larve an einer Oberfläche andockt. Sitzt die Scheibe fest, scheiden die Seepocken ein Protein aus, das sich im Wasser in einen festen Biozement verwandelt. Das machen alle Seepocken so. 


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mare No. 150

mare No. 150Februar / März 2022

Von Tim Schröder und Christian Schneider

Bislang hielt Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, das Leben der Seepocken für recht eintönig. Das hat sich mit dieser Recherche geändert. Die Vorstellung, auf der Außenhaut eines Wals die Meere zu durchkreuzen, habe etwas wahrhaft Abenteuerliches.

Christian Schneider, geboren 1978, Illustrator in Berlin, hat einmal vor der Küste Bostons Buckelwale erlebt. Ob Seepocken an ihnen hafteten, kann er nicht sagen. Er war zu beeindruckt, um darauf zu achten.

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Vita

Bislang hielt Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, das Leben der Seepocken für recht eintönig. Das hat sich mit dieser Recherche geändert. Die Vorstellung, auf der Außenhaut eines Wals die Meere zu durchkreuzen, habe etwas wahrhaft Abenteuerliches.

Christian Schneider, geboren 1978, Illustrator in Berlin, hat einmal vor der Küste Bostons Buckelwale erlebt. Ob Seepocken an ihnen hafteten, kann er nicht sagen. Er war zu beeindruckt, um darauf zu achten.

Person Von Tim Schröder und Christian Schneider
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Bislang hielt Tim Schröder, Jahrgang 1970, Wissenschaftsjournalist in Oldenburg, das Leben der Seepocken für recht eintönig. Das hat sich mit dieser Recherche geändert. Die Vorstellung, auf der Außenhaut eines Wals die Meere zu durchkreuzen, habe etwas wahrhaft Abenteuerliches.

Christian Schneider, geboren 1978, Illustrator in Berlin, hat einmal vor der Küste Bostons Buckelwale erlebt. Ob Seepocken an ihnen hafteten, kann er nicht sagen. Er war zu beeindruckt, um darauf zu achten.

Person Von Tim Schröder und Christian Schneider