Vorsprung durch Technik

Die Seekriegsführung mit Donnerbüchsen und Sichelschiffen

Anno Domini 1500. Die türkische Flotte unter Bajazet II. hat die venezianischen Verbände des Antonio Grimaldi besiegt und Lepanto erobert – den letzten Stützpunkt Venedigs im östlichen Mittelmeer. Jetzt droht ein Angriff auf Venedig selbst. Der Künstler und Naturforscher Leonardo da Vinci, soeben aus Mailand in die Lagunenstadt umgesiedelt, notiert Strategien und Techniken, mit denen die Schiffe des Feindes abzuwehren sind.

Versenken eines Schiffes

Zuerst müssen die Fahrzeuge verstrickt sein, das heißt derart miteinander verbunden, dass du selbst jederzeit nach Belieben losmachen kannst, damit das Schiff, wenn es untergeht, das deinige nicht mitzieht.

Dann verfährt man folgendermaßen: Ziehe ein Gewicht hoch, und lasse es dann los, sodass es im Fallen einen solchen Schlag versetzt, wie ein Pfahl ihn durch einen Rammblock erhält. Beim Herabfallen reißt es den Kopf eines Balkens zurück, der in einem Zapfen errichtet ist, und während der obere Kopf dieses Holzes zurückweicht, geht der untere vor und bohrt das Schiff in den Grund. Aber sorge dafür, dass das Holz scharf ist, damit das Wasser ihm, während es zum Stoß ansetzt, keinen Widerstand leistet. Und vor allem sorge auch dafür, dass die Stricke, welche die Schiffe miteinander verbunden halten, von deiner Seite aus jederzeit nach Belieben zerschnitten werden können, damit das feindliche Fahrzeug beim Sinken das deinige nicht mitzieht.

Falls der Feind Schmierseife verwendet

Trage, wenn du in den Kampf gehst, an den Füßen – unter deinen Schuhen – Sohlen aus Eisen, die in der Mitte geteilt sind, damit man den Fuß biegen kann. Die genannten Sohlen sollten unten rau sein, wie eine Feile oder Raspel, oder voller kurzer Nagelspitzen, um zu verhüten, dass der Fuß auf Seife ausrutscht und der Mann hinfällt. Und da sie aus Eisen sind, so werden auch Nagelbretter und Fußangeln umsonst geworfen werden.

Vom Umgang mit Sichelgeschossen

Ich mache dich ausdrücklich darauf aufmerksam, dass du die Sichelgeschosse gegen den Mastkorb richten musst, wo viele Taue zusammenlaufen und wo die Sicheln den besten Dienst leisten werden. Die Sicheln sollen vier Ellen lang sein und unter die Taue der großen Schiffe geworfen werden, damit die Segel fallen. Das Fahrzeug, das sie führe, nehme sehr viele mit, und es sei aus starken Balken, damit die Bombarden – Steine schleudernde Geschütze – der Schiffe es nicht zertrümmern, und das Geschoss sei 200 Pfund schwer.

Rezepte für Kampfstoffe

Opiumrauch: Bilsenkraut, Disteln, Samen und Wurzeln von Eisenhut. Trockne alles, mische dieses Pulver mit Kampfer, und es ist fertig. Als Gegenmittel nimm Lolchsamen und Weingeist in Baumwolle.

Tödlicher Rauch: Nimm Arsenik, und mische es mit Schwefel oder Schwefelarsenik. Gegenmittel: Rosenwasser.

Griechisches Feuer: Nimm Weidenkohle, Salpeter, Weingeist, Schwefel und Pech sowie Räucherwerk, Kampfer und äthiopische Wolle und lasse alles zusammen kochen. Dieses Feuer brennt so leicht, dass es sogar am Holz unter dem Wasser entlangläuft, wenn du dieser Mischung noch flüssigen Firnis, Petroleumöl, Terpentin und starken Essig zusetzt. Mische alles zusammen, und trockne es in der Sonne oder in einem Backofen, wenn das Brot herausgenommen wird. Dann knete es mit Hanf oder anderem Werg, bringe es in runde Form, und stecke auf allen Seiten scharfe Nägel hinein. Aber lasse in dieser Kugel ein Loch für den Zünder frei. Dann überziehe sie mit Kolophonium – einem schwarzbraunen Harz – und Schwefel.

Wird dieses Feuer am äußersten Ende einer langen Stange angezündet, die eine Eisenspitze von einer Elle hat, damit sie von genanntem Feuer nicht verbrannt wird, so ist es auch geeignet, um feindliche Schiffe abzuwehren und zu verhindern, dass man von ihnen überrannt wird.

Übrigens: Wenn zuerst Glasgefäße voller Pech auf die feindlichen Schiffe geworfen werden – ich meine unter die Männer, die dort im Kampfe sind –, und wenn dann solche brennenden Kugeln hinterher geschleudert werden, so vermögen sie, alle Schiffe zu verbrennen.


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mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Ein Essay von Leonardo da Vinci

Leonardo da Vinci (1452 – 1519) war Bildhauer, Maler, Architekt, Naturforscher und Ingenieur. In Anwendung der von ihm beobachteten Naturgesetze konstruierte er Brennspiegel, Fallschirme, Taucheranzüge, Kräne und Pumpen. Nicht alle Erfindungen taugten für die Praxis.

Diese Anleitung zum Seekrieg – von der Redaktion um einige Erklärungen ergänzt – stammt aus seinen Tagebüchern und Aufzeichnungen, in erster Auflage 1940 im Leipziger Paul List Verlag erschienen

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Vita Leonardo da Vinci (1452 – 1519) war Bildhauer, Maler, Architekt, Naturforscher und Ingenieur. In Anwendung der von ihm beobachteten Naturgesetze konstruierte er Brennspiegel, Fallschirme, Taucheranzüge, Kräne und Pumpen. Nicht alle Erfindungen taugten für die Praxis.

Diese Anleitung zum Seekrieg – von der Redaktion um einige Erklärungen ergänzt – stammt aus seinen Tagebüchern und Aufzeichnungen, in erster Auflage 1940 im Leipziger Paul List Verlag erschienen
Person Ein Essay von Leonardo da Vinci
Vita Leonardo da Vinci (1452 – 1519) war Bildhauer, Maler, Architekt, Naturforscher und Ingenieur. In Anwendung der von ihm beobachteten Naturgesetze konstruierte er Brennspiegel, Fallschirme, Taucheranzüge, Kräne und Pumpen. Nicht alle Erfindungen taugten für die Praxis.

Diese Anleitung zum Seekrieg – von der Redaktion um einige Erklärungen ergänzt – stammt aus seinen Tagebüchern und Aufzeichnungen, in erster Auflage 1940 im Leipziger Paul List Verlag erschienen
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