Viva Riva!

An Land müssen Playboys wählen. Porsche? Ferrari? Benz? Auf dem Wasser wollen alle nur das eine

Man sagt ihnen alles Mögliche nach. Man sagt sogar, sie hätten Kurs auf den silbernen Widerschein des Mondes im Wasser genommen, das Ruder festgeklemmt und sich dann hinten auf dem Deck des Riva-Bootes geliebt - der Milliardär Gunter Sachs und die Schauspielerin Brigitte Bardot. Dabei weiß doch jeder, dass auch eine Riva irdischen Gesetzen gehorchen muss und wie jedes führerlose Motorboot irgendwann eine Kurve beschreibt und an Klippen oder Stegen zerschellen kann.

Saint-Tropez, im Sommer 1966. Schon vom ersten Augenblick an entdeckten Sachs und BB Gemeinsamkeiten - das Auto zum Beispiel: gleiches Modell, gleiche Farbe, gleiche Ausstattung. Ein Rolls-Royce, was sonst. „Ein gutes Omen", schrieb Brigitte Bardot in ihrer Autobiografie. Wenig später trafen sie zum zweiten Mal aufeinander, in Riva-Booten - unterschiedlichen, wohlgemerkt.

Sie, mit einem Leierkasten an Bord, steuerte ihre Super Florida. Er, im Frack und mit einen Blumenstrauß in der Hand, auf einem Monoski dahingleitend, ließ sich von einer pferdestärkeren Super Ariston ziehen. Als hätte das nicht schon gereicht, erschien Gunter Sachs kurz darauf zu Luft und ließ aus einem Hubschrauber rote Rosen auf „La Madrague", das Anwesen der Bardot, regnen. Endgültig war es um BB geschehen, als Romeo es noch einmal in einer Riva vom Wasser aus versuchte: In einer Vollmondnacht lief er den Bootssteg von „La Madrague" an. Er trug Smoking und ein schwarzes, rot gefüttertes Cape. Alles, woran sie sich dann noch erinnern kann, ist die weiche Polsterung, das Schnurren des Motors und die silberne Spur des Mondes auf dem Meer ...

Und ewig lockt das Boot die Weiber. Gunter Sachs hatte derer drei. Rivas. Frauen hatte er mehr. Was wäre er ohne seine Rivas gewesen? Vermutlich ein wenig reicher, aber um einige Erfahrungen ärmer.

Rivas wurden nicht gebaut, sie wurden liebevoll getischlert. Mahagoni aus Gabun und von der Elfenbeinküste für Spanten und Rumpf, Mahagoni aus Honduras für die Innenverkleidung. In dieses edle Holz eingelassen waren mächtige Motoren, Achtzylinder der Marke Chrysler oder Cadillac. Dazu Straßenkreuzerarmaturen und -lenkräder. Hupen, die wie amerikanische Polizeisirenen klingen, Extras wie Zigarettenanzünder und Eisbox, die damals noch selten waren; selbst die Bugwelle war nicht einfach nur Spritzwasser. Der Bootsbauer Carlo Riva habe, heißt es, das Wasserspiel einem Springbrunnen abgeschaut.

Die Mahagoniflotte von Riva besteht aus sieben Modellen, das berühmteste die zweimotorige Aquarama mit an die 800 PS. Gebaut wurden die ersten Serienmodelle von Riva seit den fünfziger Jahren im italienischen Sarnico am Lago d'Iseo unter der Regie von Werfteigner Carlo Riva.

In den sechziger und siebziger Jahren wetteiferte die Schickeria der Côte d'Azur in der Anschaffung der neuesten Rivas. Bei Autos war es eine Frage des Geschmacks, ob es ein Ferrari, Mercedes oder Roller sein sollte. Bei Motorbooten gab es nichts anderes als Riva. Jean-Paul Belmondo, Sean Connery, Sophia Loren, Richard Burton, Adnan Kashoggi hatten eine oder mehrere. „Big Anita" Ekberg bestand auf einer zebragestreiften Polsterung, Ferruccio Lamborghini auf Motoren aus dem eigenen Haus.

Die Sorgen der Boatpeople von Saint-Tropez bestanden darin, ob das gewünschte Modell mit der gewünschten Ausstattung auch zur Party fertig war. Der Schah von Persien gab einmal für eine Riva 105000 Dollar aus und zahlte für den Transport per Flugzeug weitere 120000, nur damit sie rechtzeitig eintraf, um während des muslimischen Neujahrsfests auf dem eigens dafür gesperrten Sueskanal fahren zu können.

Und auf welchen Extras bestand Gunter Sachs? Viele PS, bitte! Deshalb stand die Beziehung zu Brigitte Bardot von Anfang an unter einem schlechten Stern: Wenn Sachs den Motor seiner Super Ariston voll aufdrehte, hatte Bardot in ihrer Super Florida nur das Nachsehen. Ihre Motorboote hatten unterschiedlich viel Pferdestärke, ihre Charaktere auch. Irgendwann sagte Sachs zu Bardot: „Du bist wie ein großartiges Segelboot in der Mitte einer Bucht, dessen Segel hin- und herschwingen. Wenn kein Wind kommt, bleibt das Boot regungslos liegen.“ Bardot regte sich zuerst einmal auf, dann ließ sie sich scheiden. Sachs kaufte sich eine Riva mit noch mehr Pferdestärken.

Dass ein starkes Boot noch keinen starken Mann macht, bewies Michel, einer von Gunters Nachfolgern. Grinsen konnte er wie der Werbeträger einer Zahnpastamarke, was BB schon gereicht hätte für einen wunderbaren Sommer. Hätte er nur nicht versucht, wie Gunter mit Wasserskikünsten zu imponieren. Mit dem Monoski vom Steg aus zu starten ist etwas für Könner. BB warnte ihn noch, aber Michel lachte nur und bleckte seine weißen Zähne. Die Riva startete mit Vollgas, Michel hob ab, kippte vornüber und knallte mit dem Gesicht auf den Ski, dass die Zähne wie Puffreis wegspritzten. BB blieb nichts anderes übrig, als am Grund zwischen Algen und Einsiedlerkrebsen nach den Zähnen zu tauchen, während Michel sich vor Scham die Hand vor den Mund hielt.

Was ist geblieben? Saint-Tropez ist mit Beton verbaut, Gunter Sachs interessiert sich nur noch für Sterne und Brigitte Bardot für Hunde. Die letzte Riva wurde 1995 gebaut; von den 4000 Stück, die gefertigt wurden, existiert noch die Hälfte. Die Boote sind teurer geworden, die Männer älter. Eine durchschnittlich gut erhaltene Aquarama kostet heute 125000 Euro, die Restaurierung etwa 50000 und Benzin für eine Stunde 50 Euro.

Und die Fahrer? Es sind nicht mehr die Romantiker von damals, die mit ihren Rivas Mondspuren jagten. Da gibt es vielleicht noch einen Eddie Irvine, Ex-Ferrari-Kollege von Michael Schumacher, der sich gerade eines der sieben Riva-Boote aus dem Nachlass des rumänischen Despoten Nicolae Ceaus¸escu gekauft hat.

Aber es sind vielfach solche Leute, die am Sonntagvormittag ihre Garage aufsperren, sich hinter das Steuerrad setzen, auf die Hupe drücken, das Garagentor wieder zusperren und auf die Frage, wann es denn zu Wasser gelassen wird, antworten: „Gar nicht, dafür ist es viel zu schade.“

mare No. 32

No. 32Juni / Juli 2002

Von Dimitri Ladischensky und Olaf Tamm

Dimitri Ladischensky, Jahrgang ’72, mare-Redakteur für Reisen und Genuss, darf demnächst Mahagoni streicheln gehen – auf den „Riva Days 2002“ vom 6. bis 13. Juli in Berlin.

Olaf Tamm, Jahrgang 1962, ist Fotograf und liebt italienisches Design. Mit 15 Jahren kaufte er sich eine Vespa, mit 20 eine Moto Guzzi, mit 25 keine Riva und mit 45 wohl auch nicht – das Kleingeld fehlt.

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Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang ’72, mare-Redakteur für Reisen und Genuss, darf demnächst Mahagoni streicheln gehen – auf den „Riva Days 2002“ vom 6. bis 13. Juli in Berlin.

Olaf Tamm, Jahrgang 1962, ist Fotograf und liebt italienisches Design. Mit 15 Jahren kaufte er sich eine Vespa, mit 20 eine Moto Guzzi, mit 25 keine Riva und mit 45 wohl auch nicht – das Kleingeld fehlt.
Person Von Dimitri Ladischensky und Olaf Tamm
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang ’72, mare-Redakteur für Reisen und Genuss, darf demnächst Mahagoni streicheln gehen – auf den „Riva Days 2002“ vom 6. bis 13. Juli in Berlin.

Olaf Tamm, Jahrgang 1962, ist Fotograf und liebt italienisches Design. Mit 15 Jahren kaufte er sich eine Vespa, mit 20 eine Moto Guzzi, mit 25 keine Riva und mit 45 wohl auch nicht – das Kleingeld fehlt.
Person Von Dimitri Ladischensky und Olaf Tamm