Und Madame Fonseka lächelt

Auf den Seychellen gibt es ein Restaurant, dessen Chefin seit 35 Jahren am Menü nichts ändert. Eine Erfolgsgeschichte

Eine grüne Holzvilla mit weißen Fensterläden. Auf der Veranda stehen Schaukelstühle. Drinnen summt ein Ventilator, an der Decke zwei Geckos, dösend. Im anschließenden Raum, hinter den Holzperlenvorhängen gegen die Mücken, Tische mit Wachstuchdecken, rosa Vertäfelung an den Wänden, eine davon voller Visitenkarten. Noch ein Zimmer. Da sitzt sie. Unter einem Poster, das Produkte der deutschen Vollwertküche anpreist. Zum Wundern ist jetzt keine Zeit, man muss sie angucken. Klein ist sie, sehr klein. Sie trägt ein Blumenkleid und lächelt. Natürlich sind die Hände gefaltet.

Vor 35 Jahren zog Kathleen Fonseka, 82, in das grüne Haus an der St. Louis Road in Victoria, Hauptort der Seychelleninsel Mahé. Damals war ihr Mann, Ceylonese und Offizier der britischen Armee, gestorben und Madame Fonseka ein bisschen ratlos, was sie mit ihren 13 Kindern anstellen sollte. Zwar hatte sie einen Job als Fremdenführerin, aber 13 Kindern konnte sie damit nicht den Bauch füllen.

Doch dann fiel Madame Fonseka das Haus auf dem Hügel wieder ein. Das hatte sie als Zwölfjährige zum ersten Mal gesehen und seitdem gewusst, eines Tages werde sie dort wohnen. Und weil einige Geschichten nur so und nicht anders geschrieben werden dürfen, stand das Haus zur Pacht. Kathleen Fonseka stellte vier Tische in den größten Raum, engagierte eine Köchin und begann mit der Arbeit. Fremdenführerin blieb sie übrigens, tagsüber.

„Thanks for an amazing dinner“, schreibt Nicolas Carlton, Kapitän bei Princess Cruises aus Los Angeles, darunter, gleich neben der Bar, ein Foto mit Widmung der Crew der „HMS Newcastle“ von 1992. Draußen bellt ein Hund, während der Wind im Eukalyptus raschelt. Drinnen sitzt Madame Fonseka und lächelt.

Die ersten, die kamen, waren Seemänner. Schnell hatte sich unter ihnen herumgesprochen, dass da oben auf dem Hügel über dem Indischen Ozean eine gute kreolische Küche gepflegt wurde: Papageienfischkrapfen, Tunfischsteak, gegrillter Fisch, Hähnchencurry, Fischfrikassee mit Gemüse, Auberginenkrapfen, Reis, Salat.

Was damals gegessen wurde, steht auch heute noch auf der Karte. Seit 35 Jahren wurde nichts, aber auch gar nichts, am Menü geändert. Warum hätte man das auch tun sollen? Madame Fonseka versteht die Frage nicht. Es schmeckte doch!

Vor allem den Kindern. Die wurden groß und kräftig, wie man auf den vergilbten Familienfotos an den Wänden erkennen kann. Nach und nach verließen sie das grüne Haus. Wurden Computerfachleute, Lehrer und Hoteliers, eine Tochter starb. Oder gingen zur britischen Armee, gingen vor allem, zumindest die meisten von ihnen, nach Deutschland. Das erklärt das Plädoyer für die Vollwertküche ebenso wie das Poster über dem Buffet, auf dem der „SB DJK Rosenheim – Eishockeymeister von 1985“ wie „Das Ding aus einer anderen Welt“ seine Aufwartung macht.

Heute kommen Stewards von Thomas Cook, Touristen, aber auch Einheimische. Sie essen von dem Geschirr, das die Jahre bunt zusammengewürfelt haben, tupfen sich den Mund mit den rosa Servietten ab, die Madame Fonseka selbst genäht hat. Mittlerweile kann sie das nicht mehr. Das Restaurant wird von Tochter Flory und einer Schwiegertochter in spe geführt. Madame Fonseka lächelt wieder, denn wenn sie etwas schon immer gemocht hat, dann ist es, Leute zusammenzuführen. Und Spielautomaten, ja, auch die mag sie, aber das muss unter uns bleiben.

Auf einem Zeitungsfoto, das an der Wand klebt, ist sie fülliger. Keinen Jackpot hat sie da gewonnen, aber den „Best Tourist Establishment Award“. Fünf Jahre ist das her. Die Ehrung hat sie dann doch noch persönlich entgegengenommen, sogar beim Friseur war sie dafür. Dabei wollte sie erst gar nicht kommen. Sie sieht abends lieber nach den Gästen. Ein Symbol für die kreolische Küche und Vorbild für emanzipierte Frauen sei Kathleen Fonseka auf den Seychellen, lobt der Artikel vollmundig. Ihr Foto finde sich überall in Kalendern, Büchern und Broschüren.

Nicht, dass man so etwas je aus ihrem Mund hören würde. „Wer viel redet, isst wenig“, sagt sie. „Ich bin zufrieden, wenn ich sehe, dass die Leute ordentlich essen“, und Eingeweihte wissen, dass sie Fleißigen schon mal ein Tintenfischcurry zuschanzt. Seit 35 Jahren, ohne Aufpreis. So etwas nennt man wohl Tradition.


Tunfischsteaks in Muschelsauce

Zutaten (für drei Personen)

500 g Tunfischsteaks, Zitrone, Olivenöl, Knoblauch, 3 Dosen Tomatenmark, 1/4 Liter Weißwein, 200 g Herzmuscheln, Petersilie, Dill, 250 g Spaghetti.

Zubereitung

Öl in der Pfanne erhitzen, die Steaks drei Minuten auf jeder seite anbraten, danach warm stellen. Knoblauch ins Bratenfett pressen, mit Tomatenmark und Weißwein verrühren. Dann Muscheln und Steaks in die Sauce geben und kruz erwärmen. Vor dem Servieren Petersilie und Dill darüberstreuen. Dazu Spaghetti reichen.


Marie-Antoinette
St. Louis Road, Victoria, Mahé, Seychellen.
Telefon: (248) 266 222/266 505.
Sonntags geschlossen.

mare No. 49

No. 49April / Mai 2005

Von Natali Michaely und Axel Martens

Text: Natali Michaely

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.

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Vita Text: Natali Michaely

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.
Person Von Natali Michaely und Axel Martens
Vita Text: Natali Michaely

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.
Person Von Natali Michaely und Axel Martens