Terror zur See II: „Was ist euer Albtraum?“

Ein Interview mit dem Thrillerautor Frederick Forsyth

Frederick Forsyth, geboren 1938 im britischen Ashford, kam kurz nach dem Krieg als Austauschschüler nach Deutschland. Nach dem Militärdienst in der Royal Air Force – er war mit 19 Jahren einer der jüngsten Jetpiloten überhaupt – war er Reuters-Korrespondent in Berlin, wo es damals „von Spionen nur so wimmelte“. Seine Exkursionen in diese Schattenwelt waren die Saat seiner Karriere als Autor von Politthriller-Bestsellern wie „Die Akte Odessa“ und „Der Schakal“. Sein jüngster Roman „Der Afghane“ schildert ein Al-Qaida-Attentat auf den Luxusliner „Queen Mary 2“. Forsyth’ Markenzeichen ist die detailgenaue Recherche. Er selbst bezeichnet seine Bücher als eine Mischung aus „einem Drittel Fakten, einem Drittel verfremdeter Fakten und einem Drittel Fiktion“.

mare: Sir Adam West, bis 2006 Stabschef der britischen Navy, sagte unlängst, dass wir auf den Weltmeeren bald Zustände haben werden, wie wir sie aus Filmen mit Errol Flynn kennen: Piraterie, Terror, Anarchie zur See. Was ist da los?

Frederick Forsyth: Es verschwinden Schiffe. Vor allem in den Meerengen des indonesischen und philippinischen Archipels. Manche mögen tatsächlich gesunken sein. Aber viele bekommen einfach einen neuen Namen, neue Papiere und fahren dann für die Piraten oder andere Verbrecher. Es ein Skandal unserer Zeit, dass niemand darüber schreibt. Die Schifffahrt ist eine Riesenindustrie, aber niemand schert sich um die verschwundenen Schiffe …

… wie man in Ihrem Thriller „Der Afghane“ nachlesen kann. Da gehen zwei Frachter verloren, und niemand merkt es. Sind die Kontrollen in der Schifffahrt zu lasch?

Ich fürchte, ja. Ich habe zwei Fälle konstruiert, die zeigen, wie leicht die Öffentlichkeit zu täuschen ist, indem plausible Gründe für den Verlust der Schiffe vorgespiegelt werden. Erster Fall: der Gastanker „Java Star“, er setzt noch einen letzten Funkspruch ab: „Feuer im Maschinenraum außer Kontrolle. Geben das Schiff auf.“ Alle gehen also davon aus, dass der Dampfer auf dem Meeresgrund liegt. Zweiter Fall: der Frachter „Countess of Richmond“. Auch er wird gekapert, die Crew ermordet. Dann wird er versenkt. Der Gastanker „Java Star“ aber wird so umgebaut, dass er dem harmlosen Frachtschiff zum Verwechseln ähnlich sieht. Und führt den Funkverkehr der „Countess“ weiter, als sei nichts passiert. Sie finden das abwegig? Es ist eine verrückte Welt da draußen, ein Paradies für Gangster, und sie profitieren natürlich von diesem seltsamen Geschäft der Billigflaggen. Sie zahlen ein paar Pfund und hissen eine neue Flagge. Dann haben wir da noch ein paar winzige Eilande, die nichts zu bieten haben außer strikten Gesetzen zum Bankgeheimnis. Die Mafia deponiert ihr Geld bei korrupten Geschäftsleuten, und keiner stellt Fragen. Addieren Sie diese Faktoren, und Sie haben wirklich anarchische Zustände.

Uns hat bei der Lektüre Ihrer Geschichte verwundert, wie einfach es ist, ein großes Handelsschiff zu entern.

Das Problem hatte ich mir für meinen Roman „Des Teufels Alternative“ schon einmal genauer angesehen. Da wollte ich über den weltgrößten Tanker schreiben, der vor unserer Nase in der Nordsee gekapert wird. Ich habe mir also diese ULCCs angesehen, Ultra Large Crude Carrier, und konnte feststellen, dass sie beladen gerade drei, vier Meter aus dem Wasser ragen – für eine bewaffnete Truppe, die mit Schnellbooten, Enterhaken und Kletterseilen anrückt, ein Kinderspiel. Die haben das Schiff eingenommen, bevor der Funker einen Notruf absetzen kann.

Welche Chancen haben die Crews, das zu verhindern?

Keine. Es gibt keinen Schutz, und die Eigner sagen ganz klar: Unsere Schiffe sind Frachter, nicht Kriegsschiffe. Die Einzigen, die meines Wissens für den eigenen Schutz sorgen, sind die Israelis. Die haben wie in ihren Flugzeugen bewaffnetes Personal dabei. Wenn Sie sicher reisen wollen, nehmen Sie ein israelisches Schiff.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 62. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 62

No. 62Juni / Juli 2007

Von Olaf Kanter und Dimitri Ladischensky

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Aus dem Englischen von Olaf Kanter

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Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

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Person Von Olaf Kanter und Dimitri Ladischensky
Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

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