Startbahn Süd

Von Flugzeugträgern im Persischen Golf fliegen Amerikanerund Briten seit zehn Jahren Angriffe gegen den Irak

Die Luft liegt heiss und schwer über der mondlosen bahrainischen Nacht. Die Bar des „Gulf Hotel“ in Manama ist in rotes Licht getaucht. Am Tresen drängen sich Männer im traditionellen Burnus und Männer in T-Shirts und Bermudashorts, mit ausrasierten Nacken und Tätowierungen auf Armen und Beinen. Im hinteren Teil der Bar spielt eine Band, amerikanische Popmusik, viel zu laut. Auf dem kleinen Fernseher über der Bar flackern Bilder eines grauen Kriegsschiffs: ein Flugzeugträger auf See, im Sekundentakt starten und landen Kampfjets – geräuschlos, irreal synchron zum stampfenden Rhythmus der Musik.

Bahrain ist Stützpunkt der Fünften Flotte der United States Navy, Versorgungsbasis der größten Kriegsmarine der Welt. Was hier im Sommer 2000 geschieht, ist auf einen Punkt fokussiert, auf eine Position draußen im Persischen Golf. Dort, im Schwarz der Nacht, liegt ein Monstrum aus Stahl, die tödlichste Waffe der Welt. Ein amerikanischer Flugzeugträger und seine Armada aus acht Begleitschiffen – Zerstörer, Kreuzer, Tanker, U-Boote. Seit dem Ende des Golfkriegs 1991 überwachen Kampfflugzeuge der amerikanischen und britischen Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie die Flugverbotszone über dem Süden des Irak. Eine Mission, von der die Welt bis vor kurzem nur beiläufig Kenntnis nahm – und bei der es kriegerischer zuging, als der Begriff „Überwachung“ es suggeriert. Immer flogen die Kampfjets ihre Einsätze mit voller Bewaffnung. Oft wurden sie von irakischen Boden-Luft-Raketen beschossen. Oft feuerten sie zurück. Sie bombardierten Raketen- und Radarstellungen, Waffenlager, Chemiefabriken. Zehn Jahre Operation „Southern Watch“, ein Kampfeinsatz südlich des 33. Breitengrads, ein Ausschnitt aus einem fast vergessenen Krieg.

Ein Transportflugzeug vom Typ C-2 Greyhound ist gelandet. Es steht mit dröhnenden Propellern auf dem Flugdeck des Schiffes. Die Ladeluke öffnet sich und spuckt eine Gruppe von Besuchern aus. Ihr Blick, gewöhnt an die düstere Enge der Flugzeugkabine, öffnet sich: auf eine helle Plattform inmitten des Ozeans, einen fernen Planeten, eine fremde Welt. Eine Welt, so fremd und so schroff wie die Raumgleiter aus den „Alien“-Filmen: die „USS John C. Stennis“, jüngster atomgetriebener amerikanischer „Supercarrier“. 4350 Männer und 650 Frauen sind an Bord und 71 Flugzeuge. Sechs Monate ist die Crew im Einsatz, dann kommt die Ablösung.

Menschen auf dem Flugzeugträger. Einer von ihnen ist Lieutenant Rob Simone. Einer von 200 Piloten, die jeden Tag von der kurzen Startbahn abheben. Simone ist Kampfflieger auf der F-14 Tomcat, dem legendären Jagdflugzeug der US Navy. „Was das Fliegen selbst betrifft“, spielt er seinen Auftrag herunter, „ist das, was wir hier machen, das gleiche wie zu Hause beim Training.“ Er lacht, kurz und hell. „Natürlich ist man hier draußen angespannter, einfach, weil man weiß: Das hier ist die Wirklichkeit.“

Knapp 7000 Mal während einer großen Fahrt starten die Kampfjets von einem der amerikanischen Flugzeugträger im Persischen Golf. Im Durchschnitt fliegen sie 100 Einsätze am Tag – „missions“ sagen sie im Englischen.

Der Krieg, das Reich des Saddam Hussein und die Länder seiner arabischen Nachbarn – das sind für Rob Simone und seine Kollegen ockerfarbene, braune Flächen, die unter ihnen dahinrauschen, Rauten und Rechtecke in verschiedenen Tönungen, flüchtige, kaleidoskopartige Muster. Das sind die Hitze und die Feuchtigkeit der Luft, die sich auf die Maschinen legen und sie schwer machen, schwer im Gewicht und schwer zu fliegen. Das sind Punkte im Kreuz der Zielkoordinaten.

Die Menschen und das Land, sie bleiben eine abstrakte Größe. Über die Opfer ihrer Bomben erfahren die Piloten genauso wenig wie der Rest der Welt. Ein paar Zahlen gelegentlich, mehr nicht. Berichte über zwei Tote, 20 Tote, die Zahl ernster Zwischenfälle steigt. Allein im Jahr 1999 haben die Vereinten Nationen 132 Angriffe alliierter Kampfjets auf den Irak gezählt und 144 getötete Zivilisten. Seit Beginn der Operation „Southern Watch“ sollen insgesamt 300 Menschen umgekommen sein, so eine irakische Bilanz des Konflikts. Amerikaner und Briten haben noch kein Flugzeug durch feindlichen Beschuss verloren. Nur einmal, im April 1994, stürzten zwei Black-Hawk-Hubschrauber ab, getroffen von F-15 der US Air Force, die eine Fehlinformation von den Aufklärungsfliegern erhalten hatten. 26 Menschen, Soldaten und UN-Personal, starben durch „friendly fire“, Feuer der eigenen Seite.


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mare No. 35

No. 35Dezember 2002 / Januar 2003

Von Katja Ridderbusch und Marc Steinmetz

Katja Ridderbusch ist Korrespondentin der Tageszeitung Die Welt in Brüssel. „Ich fühl die Gier nach Tempo in mir“, sagt Tom Cruise als F-14-Pilot in Top Gun. Die Autorin hatte sich zuvor Hollywoods Huldigung an die Navy-Flieger angeschaut. Heute weiß sie: Wer sechs Monate auf einem Supercarrier eingesperrt war, dem ist die Gier nach Tempo vergangen.

Marc Steinmetz, Jahrgang 1964, ist Grafikdesigner und arbeitet als freier Fotograf in Hamburg. In mare No. 21 erschien seine Reportage über das Leben an Bord des Forschungsschiffs „Sonne“.

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Vita Katja Ridderbusch ist Korrespondentin der Tageszeitung Die Welt in Brüssel. „Ich fühl die Gier nach Tempo in mir“, sagt Tom Cruise als F-14-Pilot in Top Gun. Die Autorin hatte sich zuvor Hollywoods Huldigung an die Navy-Flieger angeschaut. Heute weiß sie: Wer sechs Monate auf einem Supercarrier eingesperrt war, dem ist die Gier nach Tempo vergangen.

Marc Steinmetz, Jahrgang 1964, ist Grafikdesigner und arbeitet als freier Fotograf in Hamburg. In mare No. 21 erschien seine Reportage über das Leben an Bord des Forschungsschiffs „Sonne“.
Person Von Katja Ridderbusch und Marc Steinmetz
Vita Katja Ridderbusch ist Korrespondentin der Tageszeitung Die Welt in Brüssel. „Ich fühl die Gier nach Tempo in mir“, sagt Tom Cruise als F-14-Pilot in Top Gun. Die Autorin hatte sich zuvor Hollywoods Huldigung an die Navy-Flieger angeschaut. Heute weiß sie: Wer sechs Monate auf einem Supercarrier eingesperrt war, dem ist die Gier nach Tempo vergangen.

Marc Steinmetz, Jahrgang 1964, ist Grafikdesigner und arbeitet als freier Fotograf in Hamburg. In mare No. 21 erschien seine Reportage über das Leben an Bord des Forschungsschiffs „Sonne“.
Person Von Katja Ridderbusch und Marc Steinmetz