Sport für den Lord

Im irischen Cork wurde der Segelsport erfunden, im englischen Cowes wird seine Tradition bewahrt

Dermot Burns könnte Die Saga des ältesten Yachtclubs der Welt anhand der Uniformknöpfe erzählen, die eigens für die Segler angefertigt wurden. Auf der blanken Vorderseite sind Harfe und Krone vereint, das irische Wappen und der britische Thron. Wie dieser Gegensatz noch heute zusammenhält, das allein wäre schon eine Geschichte wert. Auch die Gemälde, die flächendeckend die Wände im Clubhaus zieren, oder die ungezählten Fotografien legendärer Yachten wären als Grundlage für einen Vortrag über den Royal Cork Yacht Club nicht schlecht. Aber für den Archivar des Vereins erwacht die Vergangenheit erst an der frischen Luft zum Leben. Segeln ist schließlich Wassersport.

Deshalb macht er ein großes Schlauchboot klar: „Unsere Reise durch die Geschichte des Clubs geht einmal rund um die Bucht von Cork. Gut 20 Seemeilen. Da brauchen wir ein schnelles Boot“, erklärt der Archivar. Als Skipper kommt der Admiral des „Royal Cork“ persönlich an Bord. Der Titel des Vereinsvorsitzenden David O’Brien stammt aus der Zeit, da sich der Club als Reserveflotte der britischen Kriegsmarine verstand. Konteradmiral nennt sich sein Vertreter, Flaggoffiziere heißen die übrigen Mitglieder seines Vorstands. Der Admiral besteht allerdings wie sein Archivar darauf, mit dem Vornamen angeredet zu werden. Der militärische Rang ist für beide ein Überbleibsel aus der Frühzeit des Sports – skurrile Tradition.

„Im 18. Jahrhundert waren die Yachten sogar noch mit Kanonen bestückt“, brüllt Dermot gegen den Lärm des 100-PS-Außenborders an. „Die Segler mussten jederzeit mit dem Angriff von Piraten oder französischen Kriegsschiffen rechnen!“ Die Clubschiffe waren damals noch richtig schwere Pötte. Überhaupt nicht mit modernen Booten zu vergleichen und ohne bezahlte Crew nicht zu bewegen. „Die Sportler der ersten Stunde haben wie ihre Vorbilder bei der Kriegsmarine nur das Kommando geführt. Sie ließen segeln“, lästert Dermot. „Die haben nie auch nur ein einziges Tau angefasst.“

Von einer Yacht des Clubs ist ein Dialog überliefert, der die Segler des Royal Cork noch heute feixen lässt. „Would you like to take the helm, Sir?“, soll ein Skipper seinen adligen Arbeitgeber gefragt haben, ob er das Ruder übernehmen wolle. Der Gentleman antwortete indigniert: „I don’t take anything before lunch.“ Vor dem Mittagessen nimmt er nichts zu sich.

David nimmt Kurs auf die Ostseite der Bucht. „Das Land hier drüben gehörte dem Mann, der das Segeln nach Irland gebracht hat“, meldet sich Dermot wieder zu Wort. „Murrough O’Brien, der sechste Lord Inchiquin, hat am Hof des englischen Königs Charles II. zum ersten Mal die Planken eines Segelboots betreten. So um 1662.“ Charles war gerade aus dem holländischen Exil in die Heimat zurückgekehrt und hatte ein vielbeachtetes Souvenir mitgebracht – eine Yacht. Oder genauer: eine „Jagt“. So nannten die Holländer die schnellen Schiffe, mit denen sie Jagd auf Fischdiebe und Schmuggler machten. Weil Charles das Boot nur zu seinem privaten Vergnügen segelte, ging das holländische Arbeitsgerät „Jagt“ als Spielzeug „Yacht“ in die englische Sprache ein.

O’Brien gefiel das neue Spielzeug gut, und seine Begeisterung hat auch die Nachbarn angesteckt. Sein Urenkel William machte aus dem importierten Zeitvertreib einen richtigen Sport, komplett mit Regeln und Ritualen. Gemeinsam mit fünf Freunden gründete er 1720 den „Water Club of the Harbour of Cork“, der später zum Royal Cork Yacht Club geadelt wurde.

Die sechs Sportpioniere haben mit ihrer Ur-Satzung Grundsätze festgeschrieben, wie etwa Regel 3: „Der Admiral darf nicht mehr als zwei Dutzend Flaschen Wein für den eigenen Gebrauch mitführen.“ Regel 9 verlangte, dass „Clubmitglieder weder langzöpfige Perücken noch Hemden mit weiten Ärmeln oder Rüschen tragen“. Dieser Passus trägt in der noch erhaltenen Satzung aus dem Jahre 1765 allerdings den handschriftlichen Zusatz „abgeschafft“.

„Wir haben leider nicht ergründen können, ob der Paragraf als überflüssig erachtet wurde oder ob die Mitglieder auch weiterhin darauf bestanden, ihre Perücken zu tragen.“ Dermot bemüht sich um einen streng akademischen Ton, aber er kann sein Grinsen einfach nicht unterdrücken. Für ihn ist die Historie nicht nur ehrenvolle Aufgabe, sondern vor allem große Unterhaltung.

Für Verwunderung bei den Nachfahren hat Regel 1 gesorgt: „Es wird angeordnet, dass sich der Club von Anfang April bis Ende September zu jeder Springtide trifft.“ Dermot hat da seine eigene Theorie und lotst den Admiral zu einem verfallenen Pier im Norden des Inchiquin-Anwesens, wo ein seltsamer Balkon wie ein Schiffsbug aus der Hafenmauer ragt. Auf dem Stein unter dem Bug ist die Jahreszahl 1727 eingemeißelt. „Ich bin sicher, dass Inchiquin seine Yacht hier liegen hatte“, sagt Dermot. „Sie hatte einen Tiefgang von etwa anderthalb Metern, zu viel für die Einfahrt zu seinem Privathafen. Der Lord konnte überhaupt nur bei einem Springhochwasser auslaufen.“


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mare No. 20

No. 20Juni / Juli 2000

Von Olaf Kanter und Axel Martens

Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Er schrieb zuletzt in Heft No. 19 über das Eisschwimmen in Finnland.

Axel Martens, geboren 1968, hat beim Lette-Verein in Berlin Fotografie studiert und lebt in Hamburg. Er ist Mitglied der Agentur Focus und fotografierte für mare No. 19 das Stelzenrestaurant in St. Peter-Ording.

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Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Er schrieb zuletzt in Heft No. 19 über das Eisschwimmen in Finnland.

Axel Martens, geboren 1968, hat beim Lette-Verein in Berlin Fotografie studiert und lebt in Hamburg. Er ist Mitglied der Agentur Focus und fotografierte für mare No. 19 das Stelzenrestaurant in St. Peter-Ording.
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Vita Olaf Kanter, Jahrgang 1962, ist mare-Redakteur für Politik und Wirtschaft. Er schrieb zuletzt in Heft No. 19 über das Eisschwimmen in Finnland.

Axel Martens, geboren 1968, hat beim Lette-Verein in Berlin Fotografie studiert und lebt in Hamburg. Er ist Mitglied der Agentur Focus und fotografierte für mare No. 19 das Stelzenrestaurant in St. Peter-Ording.
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