Seuche im Wasser

Zwar bekommen Fische keine Grippe. Aber es gibt Virusinfek­tionen, die für ganze Fischpopulationen lebensgefährlich werden können

In Sandra Lechleiters Arztpraxis in Neuenbürg bei Pforzheim herrscht oft schon am Vormittag Hochbetrieb. Herrchen und Frauchen sitzen mit ihren erkrankten Zierfischen, die sie in mit Wasser gefüllten Plastikbeuteln transportieren, im Wartezimmer, bis sie endlich aufgerufen werden. „Über mangelnde Arbeit kann ich mich nicht beklagen“, sagt die Fischärztin mit der markanten Brille und dem freundlichen Lachen. Denn hat sich in einem Aquarium oder Teich erst einmal ein Erreger eingeschlichen, erkranken oft gleich mehrere Fische und brauchen ihre Hilfe.

Bisher gibt es in Deutschland erst eine Handvoll Tierärzte, die sich wie Lechleiter auf Flossentiere spezialisiert haben. Doch das könnte sich ändern. „Der Trend geht eindeutig zum Fisch als Gefährten“, sagt die Veterinärmedizinerin. Immer mehr Herrchen und Frauchen bauten eine enge Beziehung zu ihren Fischen auf – „wie andere Tierfreunde zu ihrem Hund oder ihrer Katze“. Da bestehe dann auch die Bereitschaft, einen oft nicht ganz billigen Arztbesuch zu finanzieren.

Viele Fischkrankheiten werden durch Bakterien ausgelöst. Aber auch Viren sind als Erreger gefürchtet. „Fische bekommen zwar weder Schnupfen noch Grippe“, weiß Lechleiter. „So manches Leiden, das viral übertragen wird, kann sie jedoch durchaus befallen.“ Und oft ist die Situation tückisch. Auch Fische, die keine Symptome haben, können zum Beispiel Herpesviren an ihre Artgenossen übertragen. Fachleute sprechen dann von Carrierfischen. Meist handelt es sich dabei um Individuen, die eine Infektion selbst bereits überstanden haben, aber immer noch ansteckend sind.

Lechleiter macht auch Hausbesuche. Denn nicht alle Hobbyaquarianer oder Besitzer eines Karpfenteichs können ihre kranken Schützlinge in die Praxis bringen. Die Tierärztin betreut kranke Fische im Umkreis von 250 Kilometern. Inklusive Anreise berechnet sie manchmal um die 300 Euro für eine Behandlung.

Die häufigste virale Erkrankung, mit der sie bei Meerwasserfischen zu tun hat, ist die sogenannte Knötchenkrankheit, die Lymphocystis. Die Infektion erfolgt über Verletzungen wie Bisswunden oder Hautabschürfungen. Sobald die Schleimschicht der Haut eines Fischs beschädigt ist, kann das Lymphocystivirus andocken. Bei den betroffenen Tieren kommt es zu Wucherungen auf der Haut, und es bilden sich Knötchen an den Flossen. Die Fische werden so stark geschwächt, dass sie manchmal sogar sterben.

Der Kampf gegen Fischviren kann frustrierend sein. „Eine Therapie ist nicht möglich“, heißt es unter dem Stichwort „Lymphocystis“ im Standardwerk „Krankheiten der Zoo- und Wildtiere“, das 25 Zootierärzte gemeinsam herausgegeben haben. Und: „Bei leichten Infektionen an den Flossen können die befallenen Partien einfach abgeschnitten werden.“

Lechleiter versucht stattdessen, das Immunsystem der betroffenen Fische zu stimulieren. Manchmal helfe es bereits, die Wassertemperatur in einem Aquarium um ein bis zwei Grad zu erhöhen, erzählt sie. Denn bei vielen Fischarten rege Wärme die Immunabwehr an – etwa die Aktivität von Fresszellen und spezialisierten weißen Blutkörperchen, die Keime bekämpfen. „Und auch Vitaminpräparate haben häufig einen positiven Effekt auf die körpereigene Schutzpolizei.“ 
 

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mare No. 144

mare No. 144Februar / März 2021

Von Till Hein

Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hat sich schon oft mit Fieberbläschen an den Lippen herumgeplagt, die durch Herpesviren ausgelöst werden. Dass Erreger aus dieser Virenfamilie Fische sogar in den Hungerstreik treiben können, war ihm hingegen neu.

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Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hat sich schon oft mit Fieberbläschen an den Lippen herumgeplagt, die durch Herpesviren ausgelöst werden. Dass Erreger aus dieser Virenfamilie Fische sogar in den Hungerstreik treiben können, war ihm hingegen neu.
Person Von Till Hein
Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hat sich schon oft mit Fieberbläschen an den Lippen herumgeplagt, die durch Herpesviren ausgelöst werden. Dass Erreger aus dieser Virenfamilie Fische sogar in den Hungerstreik treiben können, war ihm hingegen neu.
Person Von Till Hein