Schöner wohnen

Veta la Palma ist eine Aquakulturfarm im Delta des Guadalquivir in Andalusien. Sie arbeitet besonders schonend. Die Fische gedeihen hier beinahe wie in freier Wildbahn

Das Wetter ist miserabel. Es stürmt, der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe. Miguel Medialdea lässt trotzdem das Seitenfenster herunter. Der Regen durchweicht seinen Ärmel, aber das stört ihn nicht. „Da sind sie, die Uferschnepfen“, sagt er und deutet auf ein paar braune Vögel mit dünnen Beinen, die mit ihren langen Schnäbeln im Schlick stochern. „In ein paar Wochen werden sie zum Brüten in die Niederlande ziehen – zu Tausenden.“

Medialdea fährt weiter die schnurgerade Piste entlang, vorbei an großen Teichen, deren Ufer kniehoch mit Gräsern bewachsen sind. Die Landschaft an der Mündung des Guadalquivir südlich von Sevilla, am Südzipfel Spaniens, erinnert an die Salzwiesen an der Nordsee und an der Elbe. Flach und weit ist es hier. Einige Flamingos ziehen vorüber, kämpfen gegen den Wind an. „Wunderschön, oder?“, sagt Medialdea. „Selbst wenn es regnet, ist das ein einmaliger Arbeitsplatz.“

Medialdeas Arbeitsplatz nennt sich Veta la Palma. Obwohl hier Tausende Uferschnepfen oder Enten auf ihrem Zug von Afrika nach Norden Rast machen, sind die Vögel letztlich Statisten. Veta la Palma ist eine Aquakulturfarm – hier geht es um Fisch, um Ökofisch aus besonders schonender Teichwirtschaft. Als Biologe ist Medialdea für die Qualität der Zucht verantwortlich. Veta la Palma ist etwa so groß wie die Nordseeinsel Föhr und liegt auf einer Flussinsel zwischen dem Guadalquivir und einem Nebenarm – direkt neben dem spanischen Nationalpark Doñana, einem riesigen Feuchtgebiet.

Die Lebensader der Farm ist ein langer Bewässerungskanal, durch den das salzige Wasser aus der Mündung des Guadalquivir in die Fläche fließt. Von ihm zweigen etliche kleine Kanäle ab, die die Teiche speisen. Bei Flut öffnen die Techniker das Haupttor, damit das Wasser aus dem Fluss in die große Rinne strömt. Elektrische Pumpen drücken es dann in die kleinen Kanäle. „Die Bewässerung der Teiche ist ziemlich ausgetüftelt“, sagt Medialdea. „Wir sind hier zwar weit draußen, trotzdem können wir das alles automatisch per App steuern – vor allem am Wochenende.“

In den Teichen ist das Wasser ständig in Bewegung. Je nach Jahreszeit lassen es die Züchter schneller oder langsamer strömen. So können sie Temperatur sowie Sauerstoff- und Nährstoffgehalt beeinflussen. Mit dem Flusswasser gelangen viele Nährstoffe in die Teiche, Stickstoff und Phosphor, die die Mikroalgen, das Phytoplankton, zum Wachsen brauchen. Vom Plankton ernähren sich Kleinkrebse, die wiederum die Nahrung der Fische sind. Im Winter, wenn das Leben im Wasser auf Sparflamme läuft, bleibt das Wasser länger in den Teichen, um den Algen Zeit zum Wachsen zu geben. Im Sommer muss das Wasser schneller ausgetauscht werden, damit es nicht gammelt.

Ein Viertel der Nahrung, die die Fische brauchen, produzieren die Teiche mit den Mikroalgen und den Kleinkrebsen selbst. Das ist außergewöhnlich, weil man in vielen anderen Aquakulturanlagen 100 Prozent zufüttert. Und oftmals besteht dieses Futter aus Fischöl oder Fischmehl, das man aus Wildfang herstellt – was zur Überfischung der Meere beiträgt. Die Futtermischung in Veta la Palma kommt ohne solche Wildfänge aus.

Immer wieder gibt es Kritik an Aquakulturanlagen, etwa weil mit dem Futter zu viele Nährstoffe ins Wasser gelangen. Das kann zu starken Algenblüten führen. Sterben die Algen ab, werden sie von Bakterien abgebaut, die Sauerstoff benötigen. Gibt es zu viel Algenabfall, kommt es zum Sauerstoffmangel. In Veta la Palma füttert man deshalb mit Bedacht. Die Fische entscheiden selbst, wann sie fressen.

Medialdea hält mit dem Geländewagen an einem kleinen Steg, an dem zwei Plastikfässer hängen. Aus ihren Böden ragt jeweils ein langer Draht in den Teich. Ab und zu zuckt der Draht, und Krümel rieseln aus den Fässern ins Wasser. „Die Fische sind schlau“, sagt Medialdea. „Die lernen ziemlich schnell, dass sie den Draht anstupsen müssen, damit Futter ins Wasser fällt. So lässt sich das Futter perfekt dosieren.“

Medialdeas Büro befindet sich in einer langen Holzbaracke. An der Wand hängt ein Luftbild von Veta la Palma. Darauf erkennt man gut die riesigen quadratischen Teiche. Dazwischen liegen schmale Becken. Nur in diesen Becken, die alle in etwa so groß sind wie Schwimmbecken, wird mit den Futterautomaten zugefüttert. Hier wachsen vor allem Wolfsbarsche heran, die rund 60 Prozent der Produktion ausmachen. Hinzu kommen Doraden und Adlerfische.

Trotz bedachter Fütterung können sich hier Nährstoffe aus dem Kot im Wasser anreichern. Vor allem in der Sommerhitze wird das Wasser so warm, dass es nur noch wenig Sauerstoff aufnehmen kann. Aus den kleinen Becken pumpen die Techniker das verbrauchte Wasser dann in die großen Teiche ab. „In diesen großen Teichen lassen wir die Natur unbeeinflusst“, sagt Medialdea. „Den Algenüberschuss fressen hier vor allem die Vögel weg. Allein die Flamingos verputzen 36 Prozent der Biomasse.“


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mare No. 129

August / September 2018

Von Tim Schröder, Claudia Janke und Piotr Gaska

Von seinem Büro aus blickt der Oldenburger Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, auf eine alte Thujahecke. Seit er die Ebene von Veta la Palma kennt, weiß er, was ihm entgeht.

Fotografin Claudia Janke und ihr polnischer Kollege Piotr Gaska, beide wohnhaft in London, waren überrascht, wie Fischzucht heutzutage aussehen kann – und mit welcher Leidenschaft sie betrieben wird.

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Vita Von seinem Büro aus blickt der Oldenburger Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, auf eine alte Thujahecke. Seit er die Ebene von Veta la Palma kennt, weiß er, was ihm entgeht.

Fotografin Claudia Janke und ihr polnischer Kollege Piotr Gaska, beide wohnhaft in London, waren überrascht, wie Fischzucht heutzutage aussehen kann – und mit welcher Leidenschaft sie betrieben wird.
Person Von Tim Schröder, Claudia Janke und Piotr Gaska
Vita Von seinem Büro aus blickt der Oldenburger Wissenschaftsjournalist Tim Schröder, Jahrgang 1970, auf eine alte Thujahecke. Seit er die Ebene von Veta la Palma kennt, weiß er, was ihm entgeht.

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Person Von Tim Schröder, Claudia Janke und Piotr Gaska