Schnauze voll

Manche Fischarten geben ihren Babys wochenlang Obdach in ihrem Maul. Ist das die sicherste Kinderstube der Welt?

Babys und Kleinkinder sind allerliebst. Und doch hat man als Vater oder Mutter manchmal schlicht die Schnauze voll von den Blagen. Manchen Fischeltern jedenfalls geht das mit Sicherheit so. Denn sie betreuen ihren Nachwuchs nicht im Kinderzimmer oder auf dem Spielplatz – sondern in der eigenen Mundhöhle.

Im alten Ägypten staunten die Fischer nicht schlecht, wenn ihnen Buntbarsche ins Netz gingen und aus deren Maul plötzlich Babyfische auftauchten. Diese überraschende Beobachtung brachten sie allerdings nicht mit elterlicher Fürsorge unter Flossentieren in Verbindung, sondern mit der Wiedergeburt allen irdischen Lebens: Schon kurz bevor ein Tier getötet und verspeist würde, glaubten sie, erblicke es – jung und winzig – erneut das Licht der Welt.

Inzwischen haben Forscher das geheimnisvolle Maulbrüten deutlich besser verstanden. In allen aquatischen Lebensräumen ist diese Methode unter Fischen verbreitet – im Salz-, Süß- und Brackwasser. Evolutionswissenschaftler fanden zudem heraus, dass das Maulbrüten mehrfach unabhängig voneinander entstanden ist, allein bei den Buntbarschen wohl bis zu 14-mal.

Anfangs vermutete man, dass Maulbrüter lediglich die befruchteten Eizellen im Mund austragen würden. Doch nicht wenige Fischarten beschützen auch die geschlüpften Babys noch wochenlang weiter in ihrer Schnauze, als wollten sie diese vor den Schrecken der Welt bewahren.

Beim afrikanischen Mosambikbuntbarsch (Oreochromis mossambicus) übernehmen diese Aufgabe ausschließlich die Weibchen. Anders verhält es sich bei ­einigen anderen afrikanischen Arten wie Xeno­tilapia spiloptera oder Sarotherodon galilaeus, bei denen sich beide Eltern gemeinsam am Maulbrüten beteiligen. Und es geht noch emanzipierter: Bei gut 70 Prozent der über 40 bekannten Kampffisch­arten tragen ausschließlich die Männchen die neue Generation im Maul umher.

Wie aber kam es zur Maulbrüterei? Bolivianische Schmetterlingsbuntbarsche etwa sind keine klassischen Maulbrüter. Die Elterntiere dieser Art transportieren ihre Kleinen jedoch mitunter kurze Strecken in der Schnauze, vielleicht, um Zeit zu sparen. Und vermutlich, so nehmen Fachleute an, begannen andere Fisch­arten, die ein solches Verhalten zeig­ten, im Lauf der Zeit damit, ihre Babys und Kleinkinder gar nicht mehr aus dem schützenden Maul zu entlassen – was ihre Überlebenschancen deutlich erhöhte. Allerdings gehen Maulbrüter damit ein hohes Risiko ein: Wird das betreuende Elterntier gefressen, reißt das den gesam­ten Nachwuchs gleich mit in den Tod.

Maulbrüter, die ihre Jungfische in der Schnauze behüten, besitzen einen auffällig großen Vorderkopf: In ihrer Mund- und Kiemenhöhle haben die Jungen daher genügend Platz, um sich frei zu bewegen. Versorgt werden die bis zu 100 Kleinen über die Reste ihres Dottersacks, der wie ein kleiner Ernährungstank am Bauch hängt und sich erst nach und nach zurückbildet. Die Eltern wiederum können ihre Kinder über spezielle Sinneszellen im Maul wahrnehmen, was vermutlich verhindert, dass sie versehentlich verschluckt werden. 


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mare No. 171

mare No. 171August / September 2025

Von Till Hein

Till Hein, Jahrgang 1969, freier Wissenschaftsjournalist und Buchautor in Berlin, hat manchmal eine große Klappe. Seinen kleinen Sohn transportiert er aber meist ganz klassisch auf dem Fahrradgepäck­träger zum Fußballtraining.

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