Rosinas Gerüchteküche

In dieses kleine Restaurant auf der maltesischen Insel Gozo kommen die Gäste nicht allein wegen des guten Essens. Obwohl allein die Goldmakrelenpastete schon einen Besuch wert wäre

Viel Wind GLEICH wenig Fisch, und heute, bei stürmischem Wetter, gar keiner, jedenfalls kein Lampuki im Laden „Puxulina“, wo Rosina Tabone seit Jahrzehnten ihren Fisch kauft. Ihr Bruder und der Großvater der Fischhändlerin Daniela fuhren einst zusammen aufs Meer, um Lampuki zu fangen, wie man auf Malta Goldmakrelen nennt, den maltesischen Nationalfisch, der bis zur Einführung des Euro auf die Zehn-Cent-Münzen der maltesischen Lira geprägt wurde. 

Gut also, dass die 72-Jährige gestern schon eine Lampukipastete vorbereitet hat, in der kleinen Küche des „Ta’ Rosina“ auf Maltas vorgelagerter Insel Gozo. Das kleine Lokal mit nur ein paar Tischen ist ein Geheimtipp und Nachbarschaftstreff. Wer hier essen will, muss nehmen, was Rosina gerade auf dem Herd hat – oder sich einen Tag vorher anmelden. Dann kann er aber auch Wünsche anmelden, natürlich auch die Torta tal-Lampuki, neben Fenek (Kaninchen) das Nationalgericht von Malta. Rosina bereitet sie noch immer nach dem Rezept ihrer Mutter zu.  

Zurück vom Fischladen „Puxulina“, verschwindet sie gleich in der Küche. Denn die Tische sind bereits gut besetzt von einer Gruppe britischer Rentner, die auf Gozo ihren Lebensabend genießen und natürlich den Plausch mit Rosina. „Das ‚Ta’ Rosina‘ ist mehr als ein Lokal“, erzählt Nachbarin Marie Josette, die mit ihrer Tochter am Ecktisch sitzt, „eher ein Hotspot. Wer die Neuigkeiten aus dem Viertel erfahren will, geht zu Rosina.“ 

Das Lokal als Nachrichtenzentrale. Laut Marie Josette hat sich das bis in Politikerkreise herumgesprochen, selbst von der Hauptinsel Malta kämen diese gern, um zu erfahren, was das Volk so denkt oder besser noch: um selbst Nachrichten zu streuen. Rosina als Influencerin? Die winkt ab: „Die Politiker kommen auch nur, weil ihnen mein Essen schmeckt.“

Stolz ist sie aber schon auf ihre bekannten Gäste, an der Wand hängt ein signiertes Foto von Angelina Jolie. „Die war hier, als sie auf Gozo einen Film gedreht hat“, erzählt Rosina. 

Rosina hat nie geheiratet. „Ich wollte immer unabhängig sein. Neue Menschen kennenlernen, mich mit Freunden treffen, das ja, aber ohne mich zu binden.“ Geboren wurde sie 1948 in der Wohnung über dem „Ta’ Rosina“ an der Pjazza Xelina, wie schon ihre Mutter. Das Haus gehört der Familie. Rosina hat hier ihr ganzes Leben verbracht. Nach der Schule arbeitete sie als Näherin, später machte sie Stickereien für die maltesische Marine. Und als ihre Eltern unten im Haus die Weinbar eröffneten, half sie dort mit. 

Nachdem ihre Eltern vor 20 Jahren starben, übernahm sie die Bar und begann wenig später mit dem Kochen. Andere Zeiten seien das gewesen damals. Die Straßen waren schlechter, aber es gab auch weniger Verkehr. „Ganz früher gingen wir im Sommer noch barfuß, verbrachten oft den ganzen Tag am Strand“, erinnert Rosina sich. „Alles war entspannter.“ 

Und es gab mehr Fisch. An der Fangmethode indes hat sich wenig geändert. Die lokalen Fischer knüpfen aus Palmwedeln ein flaches Floß, das sie zu den Fanggründen schleppen. Um die Mittagszeit suchen die Goldmakrelen den Schatten unter dem Floß. Dann ziehen die Fischer einen Tintenfischköder durchs Wasser. Den ersten Fang lassen sie neben dem Boot schwimmen, um die anderen Fische anzulocken. Und erst dann werfen sie ihr Netz über der ganzen Schule aus. 

Im „Ta’ Rosina“ brechen die letzten Mittagsgäste auf. Am Tresen fragen sie, was sie Rosina schulden, und die nennt eine Summe – eine Speisekarte mit Preisen gibt es bei ihr nicht. Rosina will sich oben in der Wohnung etwas ausruhen, denn abends öffnet sie wieder, oft bis spät in die Nacht. Manchmal fragt die 72-Jährige sich, wie lange sie die Arbeit noch durchhält. Doch wo sollten sich die Nachbarn ohne das „Ta’ Rosina“ treffen? 

 

Torta tal-Lampuki

Zutaten (für 4 Personen)
1 kg Goldmakrele, 3 rote Zwiebeln, 400 g Tomaten, 2 kg vorgekochtes Gemüse der Saison (Spinat, Blumenkohl u. a.), 3 gekochte Kartoffeln in Würfel geschnitten, 100 g Tomatenmark, 100 g halbierte schwarze Oliven, 50 g Kapern, einige frische Blätter Minze und Basilikum, Majoran, Chiliflocken, Salz, Pfeffer, Sesamsamen, 1 kg Blätterteig.

Zubereitung
Den Fisch grillen oder im Ofen in Alufolie backen. Abkühlen lassen und entgräten. Zwiebeln in einem Topf golden andünsten, gewürfelte Tomaten mit etwas Gemüsesud und Tomatenmark hinzufügen und 15 Minuten köcheln lassen. Den zerteilten Fisch, vorgekochte Kartoffeln und Gemüse hinzugeben, dann die Oliven, Kapern und Gewürze dazu. Das Ganze 

30 Minuten weiter köcheln lassen. 

Eine Form mit einem Teil Blätterteig auslegen, die Füllung hineingeben und mit dem restlichen Blätterteig abdecken. Sesamsamen darüberstreuen und 45 Minuten bei 180 Grad backen.

Ta’ Rosina
32, Pjazza Xelina, Sannat, Gozo.
Tel. +356 79551598, täglich geöffnet von 11 bis 13 Uhr und abends ab 18 Uhr. 

mare No. 141

mare No. 141August / September 2020

Von Roland Brockmann

Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).

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Vita Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).
Person Von Roland Brockmann
Vita Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).
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