Philippinisch – Kapitänisch / Kapitänisch – Philippinisch

Wie deutet ein Kapitän die Körpersprache seines philippinischen Matrosen? Wie sein Schweigen? Und was bedeutet sein „Oo“? Rat gibt ein Handbuch – beleidigend, aber dennoch wohlmeinend

Nicht immer klappt die verständigung an Bord, zumal wenn sich Kapitäne aus dem Westen und Crews von den Philippinen gegenüberstehen. Vermitteln will ein Ratgeber: „den Philippinischen Seemann verstehen – seine Werte, seine Sichtweisen, sein Verhalten“

Der philippinische Mann hat die Anlage zum Trinken und zum Rauchen, und er will so viele Frauen haben, wie es seine Energie erlaubt – sowohl vor als auch nach der Heirat. Ein Mann, der fremdgeht, zeigt damit einfach seine Männlichkeit … Philippinische Seeleute können sehr empfindlich sein, was die Verpflegung betrifft. Sie fühlen und merken genau, ob ihnen die gemäße Menge zugestanden wird oder nicht.

Solche und andere Weisheiten fand ich in „Understanding the Filipino Seaman – His Values, Attitudes and Behavior“ von Tomas Quintin D. Andres. Mikko Laurén, zuständig für Sicherheit und Qualitäts-sicherung bei der finnischen Reederei Bore, hatte mir ein Exemplar zugesandt. Bore, eine der größten Reedereien des Landes, stand vor ein paar Jahren am Pranger der Medien, weil sie ein „rassistisches Handbuch“ an ihre Kapitäne verteilen ließ, so der Vorwurf. Laurén sagte, das Buch sei in Schifffahrtskreisen weit verbreitet. Wie weit verbreitet? Ich wollte gleich den Autor, einen Filipino, in Manila anrufen – las aber vorher noch ein Stück weiter.

Der Westler legt großen Wert auf Ehrlichkeit und kommuniziert gerne offen. Für den Filipino aber sind direkte und offene Worte meist grob und brutal. Filipinos ziehen Körpersprache vor, wenn sie sich ausdrücken wollen. Westler wollen Sinn und Verstehen im Gesagten finden, der Filipino in dem, was ungesagt bleibt. Das Schweigen ist für einen Filipino sehr bedeutsam. Es enthält Nachrichten.

Ein Anruf schien keine gute Idee zu sein. Schweigen ist es ja, was Ferngespräche so teuer macht. Ich würde erst herausfinden, von wem dieses Pflegebuch angewandt wurde. Wer benutzt so etwas? Blättert der Kapitän, wenn seine Crew müde oder unmotiviert scheint, im Kapitel Wie man den Filipino bei Laune hält? Renkt er dann seine unterbezahlte Crew mit einem Schulterklopfen und ein paar Drinks nach der Arbeit wieder ein?

Auf Anfragen per E-Mail haben Offiziere auf den holländischen Jumbolinien, der dänischen Reederei Mærsk und bei Orion in Hamburg das Buch an Bord. Und die Personalfirma Multiplan International in Belgien, die jährlich Tausende philippinische Seeleute an europäische Reedereien vermittelt, gibt den Crews immer eine Kopie von Andres’ Pamphlet bei, als Anleitung zum Verständnis.


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mare No. 68

No. 68Juni / Juli 2008

Von Thomas Brunnsteiner

Thomas Ernst Brunnsteiner, geboren 1974 in Leoben, Österreich, ist als freier Autor und Journalist tätig. Schon zu Schul- und Studienzeiten jobbte er nebenbei bei der Tageszeitung Neue Zeit in Graz. Nach dem Studienabbruch wanderte er 1998 aus und lebte in Rom, Russland und später Finnland. Berichte und literarische Reportagen schreibt er unter anderem für NZZ, SZ, TAZ-MAG. Im Jahr 2007 erschien sein erstes Buch Bis ins Eismeer - Zwölf Reportagen von den Einwohnern der Welt zwischen Kaukasus und Polarkreis im Wieser Verlag. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Vaattojärvi, einem kleinen Dorf in Lappland.

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Vita Thomas Ernst Brunnsteiner, geboren 1974 in Leoben, Österreich, ist als freier Autor und Journalist tätig. Schon zu Schul- und Studienzeiten jobbte er nebenbei bei der Tageszeitung Neue Zeit in Graz. Nach dem Studienabbruch wanderte er 1998 aus und lebte in Rom, Russland und später Finnland. Berichte und literarische Reportagen schreibt er unter anderem für NZZ, SZ, TAZ-MAG. Im Jahr 2007 erschien sein erstes Buch Bis ins Eismeer - Zwölf Reportagen von den Einwohnern der Welt zwischen Kaukasus und Polarkreis im Wieser Verlag. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Vaattojärvi, einem kleinen Dorf in Lappland.
Person Von Thomas Brunnsteiner
Vita Thomas Ernst Brunnsteiner, geboren 1974 in Leoben, Österreich, ist als freier Autor und Journalist tätig. Schon zu Schul- und Studienzeiten jobbte er nebenbei bei der Tageszeitung Neue Zeit in Graz. Nach dem Studienabbruch wanderte er 1998 aus und lebte in Rom, Russland und später Finnland. Berichte und literarische Reportagen schreibt er unter anderem für NZZ, SZ, TAZ-MAG. Im Jahr 2007 erschien sein erstes Buch Bis ins Eismeer - Zwölf Reportagen von den Einwohnern der Welt zwischen Kaukasus und Polarkreis im Wieser Verlag. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Vaattojärvi, einem kleinen Dorf in Lappland.
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