Nordpols Nachbar

Nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu riechen – Spitzbergen mag ohne Reize sein, doch nicht ohne Reiz

Eintausend Kilometer vom Nordpol entfernt liegt eine Inselgruppe, eineinhalb Mal so groß wie die Schweiz, in Weiß getaucht und von rund 4000 Menschen bevölkert. Die Wikinger landeten auf ihr im Jahr 1194, der Niederländer Willem Barents entdeckte sie 400 Jahre später aufs Neue. Siedlungsnamen wie Amsterdamoya zeugen von der niederländischen Vergangenheit.

Spitzbergen wurde zu einem Zentrum des internationalen Walfangs; erbitterte Streitereien zwischen den Walfangnationen England, Frankreich, Deutschland, Holland und Norwegen kennzeichneten die Historie dieses Landes, das zu mehr als drei Vierteln von bis zu 100 Meter dicken Eis- und Schneeschichten bedeckt ist. Wirtlich war es hier nie. Dennoch errichteten die Robben- und Walfänger Trankochereien. 1920 schließlich wurde die ganze Inselgruppe Norwegen zugesprochen. 39 Staaten haben jedoch Zugangsrechte, genutzt werden sie einzig von internationalen Forschungsstationen und von Russen, die hier Kohle abbauen. Ein Großteil der Einwohner lebt in russischen Kolonien.

Nicht einen Baum gibt es auf den Inseln, aber 165 Pflanzenarten sind bekannt; Spitzbergen ist Tundraland. Die Jagd ist in dem Vogelparadies verboten, von den Expeditionsschiffen, die Touristen um die Inseln fahren, können aber Eisbären, Seevögel und Robben beobachtet werden. Wer Kälte erträgt, findet auf Spitzbergen ein raues und malerisches Paradies von abstrakter Schönheit. zdb


Kontur

Die Lagune ist zugefroren, weiß und eisig liegt sie zwischen den flachen Ufern, an ihren Rändern ins Grünliche verfärbt. Alles verläuft hier horizontal, flach hingestrichen, die Treibholzstämme, die das Meer hereingespült hat, der Lummenflug, der in einer schwarzen Linie über das Haff aus Kreide streift. Im Norden ist der Himmel aus Eisen.
Gelegentlich schreit ein Vogel gegen ihn an.

Alfred Andersch, „Hohe Breitengrade“, 1969


Natur

Warum ergreifen uns irgendwelche Anordnungen von Formen und Farben mit der Macht des Vollkommenen? Wann werden Ansichten zu Bildern? … Macht einzig unser Blick ein bewusstlos Seiendes zur sinnlich schönen Form? Oder besitzt die Natur Geist? Züchtet sie Bilder?

Alfred Andersch, „Hohe Breitengrade“, 1969

mare No. 47

No. 47Dezember 2004 / Januar 2005

Von Gautier Deblonde

Der in London lebende französische Fotograf Gautier Deblonde, Jahrgang 1969, gewann mit seinen Bildern mehrere Preise, darunter den World Press Award. Deblonde arbeitet für die Agentur NB Pictures.

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Vita Der in London lebende französische Fotograf Gautier Deblonde, Jahrgang 1969, gewann mit seinen Bildern mehrere Preise, darunter den World Press Award. Deblonde arbeitet für die Agentur NB Pictures.
Person Von Gautier Deblonde
Vita Der in London lebende französische Fotograf Gautier Deblonde, Jahrgang 1969, gewann mit seinen Bildern mehrere Preise, darunter den World Press Award. Deblonde arbeitet für die Agentur NB Pictures.
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