Gesellschaft
Schwamm fürs Leben
Zur Hochzeit schenken traditionsbewusste Japaner Jungvermählten gern einen getrockneten Tiefseeschwamm. Denn der gilt als Zeichen ewiger Treue, wenn er in seinem Inneren ein Garnelenpärchen beherbergt – eingesperrt wie in einem Gefängnis.
Euplectella aspergillum, Gießkannenschwamm, heißt das bizarre Tier aus dem Pazifik, dessen Körper aus einem Geflecht kleiner Silikatnadeln besteht. Wie ein weißer Spitzenstrumpf ragt es in 100 bis 1000 Meter Tiefe aus dem schlammigen Meeresboden vor der japanischen Küste empor. Mit feinen Wimperarmen strudelt der Schwamm Schwebstoffe und Plankton durch seine Silikatreusen in den Hohlkörper. Manchmal sind auch Larven der Garnele Spongicola venusta dabei, die vom Schwamm nicht verdaut werden. Die heranwachsende Garnele ernährt sich von dem, was ihr Wirt herbeifächelt. Schließlich ist sie so groß, dass sie nicht mehr durch das Schwammgeflecht passt. Häufig bewohnen Männchen und Weibchen daher ihr Gefängnis in trauter Zweisamkeit – und landen irgendwann verschrumpelt auf dem Gabentisch von Brautleuten. Doch die Nachfrage geht in Japan zurück. Die Zahl der Heiraten ist seit den siebziger Jahren um gut ein Viertel gesunken. Noch nie gab es so viele Scheidungen wie in den letzten vier Jahren. Zudem bevorzugt man mittlerweile auch in Fernost Vermählungen nach christlichem Vorbild und Eheringe. Im Ausland aber findet die japanische Sitte neue Freunde. Bei dem Internetauktionshaus Ebay kann man Euplectella-Exemplare als „seltsames Hochzeitsgeschenk“ für 36 US-Dollar von einem amerikanischen Anbieter kaufen. Der Großteil geht an Kunden in den USA – zumeist jedoch ohne Garnelen. ts
Kultur
Kunst im Bunker
Ein ehemaliger U-Boot-Bunker in der französischen Hafenstadt Saint-Nazaire ist jetzt vom Berliner Architekturbüro LIN zum Kunst- und Musikzentrum umgebaut worden. Das gigantische Bauwerk an der Loiremündung hat keine sehr glückliche Geschichte. 1941 wurde es im damaligen Stadtzentrum als Basis für die deutsche Kriegsmarine errichtet und war zwei Jahre später der Grund, weshalb Saint-Nazaire von alliierten Bombern dem Erdboden gleichgemacht wurde. Nach dem Krieg entschied man sich, die Stadt beim Wiederaufbau einen Kilometer ins Inland zu verlegen. Der 295 Meter lange und 130 Meter breite, bis zu 19 Meter hohe Betonbunker wurde zur Barriere zwischen Stadt und Atlantikhafen. Erst in den vergangenen Jahren ist wieder Leben in den Bunker eingekehrt. Zunächst wurde in einigen seiner U-Boot-Kammern ein Passagierschiffmuseum eingerichtet. Dann gewannen Finn Geipel und Giulia Andi, die gemeinsam das Architekturbüro LIN mit Sitz in Berlin und Paris leiten, 2003 einen von der Stadt Saint-Nazaire ausgelobten Wettbewerb für den Umbau von drei weiteren Kammern zum Zentrum für neue Kunstformen LIFE (www.lelife.org) und zu einer Konzertbühne für Neue Musik. Um den rauen Charme des Baus zu bewahren, haben die Architekten nur sparsame Veränderungen vorgenommen. Über einem der Bassins, in denen früher die U-Boote lagen, wurde ein Boden eingezogen, auf der Hafenseite ein großes Falttor in die Fassade montiert und auf dem Dach eine Kuppel als Wahrzeichen platziert. Sie stammt vom Berliner Flughafen Tempelhof, wo sie früher als Wetterschutz für die Radaranlage diente. Bei der Eröffnungsfeier des LIFE Mitte April wurden Werke von etwa 30 internationalen Künstlern gezeigt, darunter Richard Serra, Valie Export, Fischli & Weiss, Roman Signer und William Wegman. Danach wurde ein Klang- und Laserkunstwerk des Niederländers Edwin van der Heide installiert, das noch bis zum 1. September zu sehen ist. Es setzt die 2000 Quadratmeter große, karge Halle großartig in Szene: Untermalt von einer speziell für diesen Ort entwickelten elektronischen Komposition, projizieren Laserstrahlen abstrakte, dreidimensionale Linienbilder in den nebelgefüllten Raum. bok
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