Nach Öko-Lachs nun Bio-Shrimps

Umweltsiegel zieren Meeresfrüchte aus Zucht und Fang

Die Fischschwärme waren so groß, dass wir die Bucht nicht mehr verlassen konnten“, schrieb einst der Schiffsjunge an Bord eines Seglers in sein Tagebuch. „Drei Tage saßen wir im Hafen fest.“ Das war Anfang letzten Jahrhunderts in der Ostsee. Paradiesische Zustände für Fischer also.

Nicht nur dort, überall galt das Meer als Quell unerschöpflichen Reichtums, vor allem an Fisch. Heute dagegen sind nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO über 60 Prozent der weltweit 200 wichtigsten Speisefischarten überfischt oder bis an die Grenze der Regeneration genutzt. Das bedeutet, dass weit mehr gefangen wird, als nachwachsen kann.

Nur langsam reift die Erkenntnis, dass auch Meeresressourcen geschont werden müssen. Als das Umweltbundesamt (UBA) 1995 aufgrund einer Studie die Notwendigkeit eines Gütesiegels für bestandserhaltende Fischerei anmahnte, „wurden wir von den Vertretern des für Fischerei zuständigen Landwirtschaftsministers schlicht ausgelacht“, erinnert sich Uli Claussen, UBA-Fischereiexperte. „Für die waren wir grüne Außerirdische.“ Noch vor drei Jahren, bestätigt sein Kollege Hans-Joachim Stietzel aus dem Bundesumweltministerium, saßen sich die Interessenvertreter von Fischerei und Meeresschutz „unversöhnlich gegenüber“.

Allen Widerständen zum Trotz tauchte 1996 erstmals Biolachs auf dem deutschen Markt auf, der erste Fisch überhaupt mit einem Zertifikat für umweltschonende Zucht. Er stammt aus dem Atlantik, von der Clare Island Sea Farm, die etwa vier Kilometer vor der Westküste Irlands liegt. „Die Lachse dort sind äußerlich kaum vom Wildlachs zu unterscheiden“, sagt Stefan Bergleiter, der Aquakultur-Experte von Naturland, dem Verband für naturgemäßen Landbau, der das Gütesiegel vergibt. „Sie schwimmen in einer starken Gezeitenströmung, was die Muskulatur stärkt und die für Mastlachs charakteristischen Fettpolster verhindert. Ihr Fleisch hat deshalb ,mehr Biss‘“.

Im internationalen Handel gehört Lachs – neben Shrimps und Thunfisch – zu den wertvollsten Früchten des Meeres. Weltweit werden pro Jahr mehr als 1,5 Millionen Tonnen des Edelfisches im Wert von 3,6 Milliarden US-Dollar produziert. Der in Deutschland angebotene Lachs stammt zu fast 90 Prozent aus Aquakulturen, bei denen es weniger tierfreudlich zugeht als auf der irischen Farm.

Denn hinter dem schön klingenden Wort Aquakultur verbirgt sich eine Massentierhaltung, die der an Land – bei Schweinen, Rindern und Hühnern – kaum nachsteht. In schwimmenden Käfigen werden Lachse auf engstem Raum gemästet. Um unter solchen Bedingungen Krankheitserreger und Parasiten wie die berüchtigte Lachslaus in Schach zu halten, setzen die Züchter ein ganzes Arsenal von Medikamenten und Pestiziden ein.

Die genetisch auf Schnellwüchsigkeit getrimmten Lachse erhalten zudem ein Pressfutter aus Fischmehl und -öl. Es wird aus kleinen Schwarmfischen wie Sardelle, Sandaal oder Lodde hergestellt. Bis die Käfiglachse das Schlachtgewicht erreichen, haben sie etwa das Dreifache ihres Körpergewichts verschlungen. Statt die Meeresressourcen zu schonen, was das vorgebliche Ziel von Aquakulturen ist, verschärfen sie die Überfischung noch.

Fast die Hälfte des weltweiten Fanges von Meeresfischen geht heutzutage auf das Konto der „Gammelfischerei“: Deren Fänge gelangen nie auf den Teller des Verbrauchers, sondern enden als Futter für Masttiere – auf dem Land oder in Meeresgehegen. Diese Fänge reißen jedoch große Lücken ins Nahrungsnetz, weil sie Raubfischen, Meeressäugern und Seevögeln die Beute wegschnappen.

Zwar muss auch Biolachs mit Fischmehl und -öl ernährt werden, denn aus einem Fischfresser kann man nun mal keinen Vegetarier machen. Es stammt jedoch nicht aus der Gammelfischerei, sondern aus Hochseefängen für Speisefisch. Die Lachse vor Irland futtern ein Gemisch aus kontrolliert biologisch angebautem Weizenmehl und Resten, die beim Filetieren von Heringen anfallen. Der Kopf, Flossen und die Rückengräte werden so auf sinnvolle Weise verwertet.

Die Betreiber der Farm sind überdies verpflichtet, keine Wachstumsförderer, Hormone, künstlichen Farbstoffe oder genmanipulierten Tiere einzusetzen. Krankheiten und Deformationen wollen sie durch bessere Haltungsbedingungen vorbeugen. Pro Kubikmeter Wasser dürfen maximal zehn Kilo Lachs gehalten werden, das sind zwei bis drei Tiere in 1000 Liter Wasser. Mastlachse müssen sich mit der Hälfte an Platz begnügen, im Extremfall mit einem Viertel. Verglichen mit seinen konventionell gehaltenen Artgenossen lebt der Biolachs geradezu luxuriös.


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mare No. 17

No. 17Dezember 1999 / Januar 2000

Von Monika Rößiger

Monika Rößiger ehemalige mare-Wissenschaftsredakteurin, schrieb in Heft 16 über die Darwinfinken auf Galápagos. 1999 erschien ihr Jugendsachbuch Das Gehirn in der Reihe Was ist was, Tessloff-Verlag.

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Vita Monika Rößiger ehemalige mare-Wissenschaftsredakteurin, schrieb in Heft 16 über die Darwinfinken auf Galápagos. 1999 erschien ihr Jugendsachbuch Das Gehirn in der Reihe Was ist was, Tessloff-Verlag.
Person Von Monika Rößiger
Vita Monika Rößiger ehemalige mare-Wissenschaftsredakteurin, schrieb in Heft 16 über die Darwinfinken auf Galápagos. 1999 erschien ihr Jugendsachbuch Das Gehirn in der Reihe Was ist was, Tessloff-Verlag.
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