Musik

Die Top 11 der Meeres-Songs

TOP 11


Led Zeppelin: „The ocean“
(1973 auf „Houses of the Holy“)

Mit einem der am häufigsten recyclten Riffs der Rock-Geschichte (u. a. Beastie Boys) be-ginnen Led Zeppelin ihre letzte Nummer von „Houses of the Holy“. Das gewohnt verhaltene Schlagzeug von John Bonham und Jimmy Pages ruhiges Gitarrenspiel erzeugen eine Springflut in den eigenen vier Wänden, die die Nachbarn ergrausen lässt. Wer dabei keine Wellen an Felsen branden sieht, dem mangelt es an Fantasie.


Beach Boys: „Surfin’ USA“
(1963 auf jedem Beach-Boys-Sampler)

Okay – Komponist Brian Wilson hat das zwar von Chuck Berry geklaut, aber der zuckersüße Gesang seiner Brüder machte hieraus einen großartigen Song. Meer und Surfen, Mädels und Spaß waren die großen Themen der frühen Beach Boys. Wie viel mehr dahinter steckte, wusste man erst nach „Pet Sounds“ von 1966. Der Soundtrack zum Strand, nie übertroffen und jedes Jahr ab Juli wieder aktuell.


Sonic Youth: „The diamond sea“
(1995 auf „Washing machine“)

New Yorks Lärmspezialisten beginnen verhalten. Thursten Moores jungenhafte Stimme lässt den anstehenden 20-minütigen Orkan nicht ahnen. Die gewohnt atonalen und hypnotischen Gitarren schichten Akkord um Akkord zu einer alles unter sich begrabenden Welle auf, die auf- und abebbt. Eigentlich die bessere Musik zum Film „Der Sturm“ – und zehnmal so aufreibend.


Velvet Underground: „The ocean“
(1969 auf „Velvet Underground Live“)

Niemand hat das Herantreiben der Wellen an den Strand so schön vertont wie die Velvets auf ihrem grandiosen Live-Album von 1969. Mit „Here comes the ocean, here comes the waves“ beschwört Lou Reed mit ungewohnt zerbrechlicher Stimme einen Abend am Strand. Obacht: Die drei Jahre später auf seinem ersten Solo-Album veröffentlichte Version des gleichen Songs ist grässlich.


Stephen Stills: „Black Coral“
(1976 auf „Long may you run“)

Mit „Have you ever been down deep“ eröffnet Stephen Stills den ultimativen Taucher-Song. Über vier Minuten taucht Stills immer tiefer und erliegt schließlich der Verlockung, nicht mehr zurückzukehren. Leichte lateinamerikanische Rhythmen und ein plätscherndes Piano begleiten den Hörer beim schaurig-schönen Abstieg.


Smoke City: „Underwater love“
(1997 auf „Flying away“)

Kategorie: „One hit wonder“. Aus der Fernsehwerbung für Hosen. Trotzdem schön. Seltsam schräge Akkorde und ein verschleppter Rhythmus leiten diesen wundervollen Lovesong ein. Voller Trip-Hop und mit einer verträumten Frauenstimme ist das der Soundtrack, der einen auch Jeans-Spots erträglich vorkommen lässt.


Jacques Brel: „Dans le port d’Amsterdam“
(1964 auf fast jedem Jacques-Brel-Sampler)

Jacques Brel erzählt am Akkordeon vom Leben im Hafen, alten Seemännern und der ewigen Sehnsucht nach der offenen See. Es riecht nach Fisch und billigen Hafenkneipen, die Möwen kreischen, und Matrosen spielen Karten. Wer das Glück hatte, einmal Aufnahmen von Jacques Brels Auftritten zu sehen, weiß, wie leidenschaftlich er das hier singen konnte. Bewegend.


Neil Young: „Captain Kennedy“
(1980 auf „Hawks & Doves“)

Einer der zahllosen versteckten Schätze in Youngs 300 Songs umfassenden Œuvre. Allein an der Gitarre erzählt Young die Geschichte seines – fiktiven – Vaters, dessen Schiff im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen zerstört wurde und der danach als Tagelöhner von Hafen zu Hafen zieht. Die Zeile „He worked ’til his fingers wore to the bone to buy that wooden schooner and sail on his own“ lassen einen nach dem Taschentuch suchen.


P. J. Harvey: „Down by the Water“
(1995 auf „To bring you my love“)

P. J. Harveys manische Geschichte der Mutter, die ihr Kind im Wasser ertränkt, selber in der Tiefe versinkt und ihre Tat bereut. Der geflüsterte Refrain „Little fish, big fish swimming in the water, come back here, gimme my daughter“ jagt einem die Gänsehaut über den Rücken, insbesondere, wenn man P. J. Harvey – weiß geschminkt, lange schwarze Haare, rote Lippen und rotes Kleid – im Video dazu tanzen sieht. Wem Nick Cave zu harmlos ist, sollte das mal ausprobieren.


Crosby & Nash: „To the last whale“
(1975 auf „Wind on the Water“)

Untertitel: Der Greenpeace-Song. Nashs trauriger Abgesang auf den letzten Wal ist das letzte Wort zum Thema Walfang. Eingeleitet von einem grandiosen A-cappella-Duett, gerinnt einem beim ersten Ton eines singenden Wals das Blut in den Adern. Sollte permanent auf allen japanischen und norwegischen Fangflotten laufen, und wir hätten die letzte Konferenz zum Thema Walfang gesehen.


Sugar: „Mind is an island“
(1995 auf „Besides“)

Diese Platte ist nicht leicht zu finden, was schade ist, denn ansonsten würden mehr Menschen in den Genuss eines der stärksten Bob-Mould-Titel kommen. In seinem stürmischen Song, der auch jede Platte von Hüsker Dü noch schöner gemacht hätte, vergleicht Bob Mould das Leben auf einer Insel mit seinen Gedanken. Das deutet textlichen Tiefgang an.

mare No. 22

No. 22Oktober / November 2000

Von Andreas Becker

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