Meister der Wellen

Am Anfang war das S: Guglielmo Marconi fand den drahtlosen Weg nach Amerika – 1901 errichtete er die erste Funkstation

Glace Bay, Neufundland, 12. Dezember 1901, ein eisiger Wintertag. Auf einem Hochplateau am Rand des Städtchens St. John’s versuchen einige vermummte Männer trotz heftiger Böen, einen Drachen steigen zu lassen. Es gelingt ihnen schließlich, den Flugapparat auf eine Höhe von 120 Meter bringen. Von seinem Ende hängt ein Draht hinab, der in den Raum eines alten Fabrikgebäudes führt. Darin hockt ein junger Mann vor einem Morseapparat und presst einen Kopfhörer ans Ohr. Der schmale Schnurrbart will so gar nicht in das kindlich wirkende Gesicht unter dem blonden Haar passen. Schier Unglaubliches hat dieser Guglielmo Marconi vor. Er will in Neufundland das erste transatlantische Funktelegramm empfangen.

Die Gegenstation liegt rund 3500 Kilometer entfernt in der Bucht von Poldhu im englischen Cornwall. 3500 Kilometer! Ein paar Jahre zuvor ging es noch um wenige Meter. Da schickte Marconi ein Signal von einem Zimmer seines Elternhauses ins andere – drahtlos wohlgemerkt. Dass elektromagnetische Schwingungen sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, hatte bereits Heinrich Hertz 1888 nachgewiesen, auch Sender und Empfänger gab es bereits. Nun musste nur noch einer wie Marconi darauf kommen, die Bestandteile zusammenzufügen.

Nachrichtenübermittlung, sei es beim Telefonieren oder Telegrafieren, funktionierte bis dato nur mittels Verbindungskabel, durch das – nach dem Morsecode bestimmte – kurze und lange elektrische Impulse wanderten. Am Alphabet des Samuel Morse hielt auch Marconi fest, allerdings befreite er es von der Fessel des Verbindungsdrahts, indem er elektrische Schwingungen von einem Sender zu einer Antenne schickte.

In den folgenden Jahren perfektionierte Marconi seine Idee. 1897 fiel die 15-Kilometer-Marke am Bristolkanal. Ein Augenzeuge: „Fünf von uns standen um den Apparat herum in einer Holzbude, die als Schutz vor dem Sturm diente, unsere Augen und Ohren den Instrumenten zugewandt. Die Flagge wurde gehisst zum Zeichen, dass alles bereit war. Und augenblicklich hörten wir das erste Ticktack und sahen, wie die Morsegeräte die Signale druckten, die zu uns still und unsichtbar von der Felseninsel kamen, deren Umrisse für das bloße Auge kaum sichtbar waren.“

Er gründete die Wireless Telegraph & Signal Company Ltd. und trieb parallel zum wirtschaftlichen Erfolg seine wissenschaftlichen Forschungen voran: 1899 gelang ihm eine Funkbrücke über die 52 Kilometer des Ärmelkanals. Er reiste in die USA, um den Börsengang vorzubereiten. Ein Reporter beschrieb den Ankömmling als einen „ernsthaften, etwas egozentrischen jungen Mann, der wenig sprach, aber wenn, dann auf den Punkt. Seine Kleidung ist englisch, seine Figur französisch, seine Stiefelabsätze spanisches Militär, Frisur und Barttracht deutsch, seine Mutter ist Irin, sein Vater Italiener. Alles in allem besteht wenig Zweifel, dass Marconi durch und durch Kosmopolit ist mit dem glücklichen Temperament und dem Enthusiasmus eines Knaben“.

Der Aufenthalt in New York brachte Marconi Geld und Geschäftskontakte. Zeitungsverleger James Gordon Bennet zahlte ihm 5000 Dollar, damit er von Bord eines Dampfboots aus aktuell über den Verlauf des America’s Cup berichtet.

Seine Firma hatte nun 17 Angestellte. Nur die Bestellungen für Sendeanlagen ließen auf sich warten. Was brauchte man  auch Funkverkehr, wo doch verkabelte Telegrafen ohnehin schon die wichtigsten Plätze der Erde verbanden? Wer aber an drahtloser Kommunikation Interesse hatte wie die britische Navy, der baute Marconis Geräte einfach nach oder versuchte sich, wie deutsche und amerikanische Forscher, an Eigenentwicklungen. War nach den ersten Funkerfolgen der Kurs der Marconi-Aktien zeitweilig auf sechs Pfund gestiegen, pendelte er sich nun wieder um den Ausgabekurs von einem Pfund ein. Nur eine Sensation konnte da noch helfen.


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mare No. 47

No. 47Dezember 2004 / Januar 2005

Von Cord Christian Troebst

Cord Christian Troebst, Jahrgang 1933, war lange Jahre Chefredakteur des Springer-Auslandsdiensts und arbeitet heute als freier Journalist in Hamburg. In den sechziger Jahren lebte er in Wellfleet auf Cape Cod, USA. Dort machte er die Bekanntschaft eines Hummerfischers, der sich an Marconi und dessen Sendeversuche nach Poldhu erinnerte, und an den Lärm, den die Funkengeneratoren erzeugten.

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Vita Cord Christian Troebst, Jahrgang 1933, war lange Jahre Chefredakteur des Springer-Auslandsdiensts und arbeitet heute als freier Journalist in Hamburg. In den sechziger Jahren lebte er in Wellfleet auf Cape Cod, USA. Dort machte er die Bekanntschaft eines Hummerfischers, der sich an Marconi und dessen Sendeversuche nach Poldhu erinnerte, und an den Lärm, den die Funkengeneratoren erzeugten.
Person Von Cord Christian Troebst
Vita Cord Christian Troebst, Jahrgang 1933, war lange Jahre Chefredakteur des Springer-Auslandsdiensts und arbeitet heute als freier Journalist in Hamburg. In den sechziger Jahren lebte er in Wellfleet auf Cape Cod, USA. Dort machte er die Bekanntschaft eines Hummerfischers, der sich an Marconi und dessen Sendeversuche nach Poldhu erinnerte, und an den Lärm, den die Funkengeneratoren erzeugten.
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