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Aus der Fischperspektive
Bilder aus einer verborgenen Welt: Seit 30 Jahren fotografiert der Tauchreporter David Doubilet unter Wasser

Er ist der Van Gogh der Tiefsee. Seine Sujets sind die Ozeane, seine Models heißen Rochen, Delfin oder Seeteufel. David Doubilet, 1946 in New York geboren, ist Unterwasserfotograf aus Passion. Im Alter von zehn Jahren beginnt er mit dem Schnorcheln, zwei Jahre später steckt er seine Kamera, eine „Brownie Hawkeye“, in eine Plastiktüte und fotografiert unter Wasser seinen ersten Fisch.

Doubilet gehört zu den glücklichen Menschen, die ihr Ziel früh im Leben erkennen. „Ich wollte tauchen und Bilder machen. Einen anderen Beruf habe ich nie gewollt und nie gehabt“, verriet er in einem Interview. Sein Traum sei es gewesen, für das „National Geographic“-Magazin zu arbeiten. 1971 fotografiert er für die Zeitschrift seinen ersten großen Bildessay: über Aale im Roten Meer.

Geschult hat sich Doubilet an Vorbildern, deren Namen Synonym sind für engagierte Fotoreportagen: Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Eugene Smith. Wie sie begann er mit Arbeiten in Schwarzweiß. Seine späteren Reportagen aber schwelgen im ozeanischen Farbrausch.

Nahezu alle Wasser hat der Tauchreporter ergründet: den Atlantik, den Stillen Ozean, den Pazifik, das Rote Meer, das Tote Meer, die Barentsee, das Kaspische Meer, zudem sämtliche Küsten der Erde. Als Fotograf für die schwierigsten Unternehmen ist er fast schon eine Legende. Trockenübungen vorab gibt es in seinem Metier nicht, deshalb hängt der Erfolg seiner Arbeit vor allem von minutiöser Planung und Recherche ab.

Sein Hauptproblem beschrieb er einmal so: „Unter Wasser habe ich es vor allem mit Fischen zu tun, und die haben, ehrlich gesagt, keine Persönlichkeit mit Tiefgang. Ich muss sie so in Szene setzen, dass sie Charakter bekommen.“ Doubilet erreicht das mittels ungewöhnlicher Lichteffekte und durch die Nähe zu seinen Modellen. So wie der Starfotograf Frans Lanting Schlange oder Urpferd auflauert, taucht Doubilet wagemutig Kraken, Muränen und selbst dem Weißen Hai hinterher.

„Unter der Oberfläche“, „Meer aus Licht“, „Kalte Gewässer“, „Tiefblau“, „Wassergärten“, „Ozeanwüsten“, „Südlicht“ – so überschreibt er die Kapitel seines Fotobuches, in dem er das Beste aus drei Dekaden Unterwasser-Fotografie vorstellt.

Besonders eindrucksvoll ist Doubilets Serie über Muränen. Selten anmutig und poetisch sind seine Studien über die Familie der Rochen. Alle Bilder zeigen vor allem eines: eine fremde, stille und wundersame Welt, die sich hartnäckig unserem Zugriff entzieht. Klaus Kleinschmidt

David Doubilet: „WasserLichtZeit“, Phaidon Press Limited, Hongkong 2000, 240 Seiten, mit etwa 200 Abbildungen, 88 Mark


Deichrocker

Eine Kneipe an der Nordsee entdeckte den Rock ’n’ Roll

Hoch im Norden, im ostfriesischen Norddeich, steht eine Kneipe, die einst so wichtig war wie der „Starclub“ in Hamburg – das „Waterkant“. Denn Ostfriesland war dank seiner Küstenlage ab den fünfziger Jahren Vorreiter in Sachen Popmusik. In Hörweite lagen die Sender der Alliierten, dann die Radiostationen der Niederlande und Englands, die den während der Nazizeit verpönten Jazz spielten und später mit Rock ’n’ Roll und Beat aufwarteten. Und im „Waterkant“ wurde die revolutionäre Musik live nachgespielt.

Werner Jürgens, früher Stammgast im „Waterkant“ und heute Radiomacher im Süddeutschen, hat mit „Komm, wir geh’n zu Meta“ die Chronik dieser Kneipe geschrieben. Meta Otten, 1935 in Norddeich geboren, ist die Gründerin des „Waterkant“; ihre erste Schanklizenz aus dem Jahr 1960 lautet noch auf das „Führen einer Milchbar“. Live treten unter anderem die „Twilights“ aus London und „King Size Taylor“ aus Liverpool auf. Und, vom Arbeitsamt Hannover vermittelt, Howard Carpendale, damals noch ein Rocker.

Die Kneipe gefällt nicht allen. Für die braven Ostfriesen ist sie ein „Hottentottenschuppen“. Immer wieder versucht man, Meta die Konzession zu entziehen, erst recht, als mit den Siebzigern die Drogenwelle aus den Städten auch an der Küste anlandet. Bei Meta treten jetzt die „Krautrocker“ auf, und psychedelische Gruppen wie „Grobschnitt“ oder „Birth Control“. Es sind auch Künstler dabei, die heute noch erfolgreich sind: die „Scorpions“, Hermann Brood oder ein gewisser Otto Waalkes.

Die Vorbehalte gegen das „Waterkant“ sind dabei von handfesten Interessen geprägt: Norddeich verzeichnet einen touristischen Boom. Und da liegt in idealer Lage direkt am Deich eine schäbige Gaststätte, in der sich Langhaarige tummeln. Was könnte man aus dem Grundstück nicht alles machen! Doch alle Versuche, die Kneipe zu schließen, schlagen fehl.

Das „Waterkant“ bleibt – und verpasst doch den Anschluss an die achtziger Jahre. Popmusik ist jetzt in jedem Club zu hören, die Zeiten der Landdiscos sind vorbei. Meta bleibt, hin und wieder auf der Revival-Welle mitzuschwimmen.

Auch den Autor befällt ab dieser Zeit eine gewisse Wehmut. Er zählt auf, wer von den alten Stars dann und wann wieder kommt. Der Rest ist Chronistenpflicht: 1994 stirbt Meta Otten an Krebs, 59 Jahre alt. Ihr Sohn übernimmt die Kneipe – und hält sie bis heute. Von ihm stammt auch das meiste Material – Eintrittskarten, Plakate, Fotos – mit denen Jürgens sein Buch liebevoll bestückt hat. Es ist weit mehr als eine Fleißarbeit; es ist ein Zeitdokument und zugleich eine Sozialgeschichte der Küstenjugend. Frank Keil

Werner Jürgens: „Komm, wir geh’n zu Meta“, Verlag Norden, Norden 2000, 128 Seiten, 34,80 Mark


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 24. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

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