Luxusliner inkognito

Auf keinen Fall darf die „Bremen“ Kriegsbeute werden. Also lässt der Kapitän 1939 Tarnfarbe streichen und beginnt ein riskantes Versteckspiel auf hoher See

Der Nebel ist verflogen an diesem Morgen mitten auf dem Atlantik. Es könnte eine Fahrt werden wie so viele zuvor für die „Bremen“: Amerika liegt im Kielwasser, es herrscht klare Sicht, das Schiff läuft Volldampf voraus, Kurs heimwärts. Doch Kapitän Adolf Ahrens befiehlt die Crew an Deck. Knapp sind seine Kommandos, präzise, eindeutig – und ungeheuerlich: Ruderhaus und Kartenstand lässt er mit Matratzen und Sandsäcken polstern, um sie gegen Fliegerangriffe zu schützen. Und er ordnet den Tarnanstrich des Schiffes an. Rund 400 Mann, einschließlich der Musiker des Bordorchesters, müssen pinseln. Weiß sind die Aufbauten, zu auffällig, und gelb die Masten und die Schornsteine. Die Crew malt alles grau, nur der Rumpf bleibt schwarz. Es ist der 3. September 1939, der dritte Tag des Krieges.

Gerade war noch Frieden, eben noch war der Turbinendampfer „Bremen“, 1928 bei der Deschimag in Bremen gebaut, ein Passagierschiff. Jetzt ist es begehrte Kriegsbeute. Denn die „Bremen“, die zwischen Bremerhaven und New York pendelt, ist nicht irgendein Schiff. Sie ist ein Luxusliner, der sich mit dem Blauen Band für die schnellste Atlantikquerung schmücken darf. Die Rekordfahrt gelingt gleich auf der Jungfernreise; mit einer Geschwindigkeit von 27,83 Knoten im Schnitt pflügt der 286 Meter lange Dampfer von Ost nach West.

Wegen ihrer verschwenderischen Ausstattung nennt man die „Bremen“ auch die „Königin der Meere“. Das Oberdeck ist ein kleiner Prachtboulevard mitten auf dem Meer. Modesalon steht neben Antiquitätengeschäft, ein Schwimmbad gibt es auch, und neben den großen Speisesälen lockt ein weiteres Restaurant der Extraklasse. Die Bibliothek an Bord würde jede ehrwürdige Universität zieren, und im luxuriösen Rauchsalon trifft sich die Prominenz jener Jahre: die Dietrich, der Tenor Richard Tauber, der Boxer Max Schmeling. Sie räkeln sich in üppigen Clubsesseln und debattieren über den Gang der Welt. In den letzten Wochen immer häufiger auch über einen drohenden Krieg.

Nein, man kann nicht sagen, dass die Ereignisse die „Bremen“ unvorbereitet treffen, selbst die Jüngsten an Bord ahnen etwas. Schon beim Auslaufen aus Bremerhaven am 22. August überwiegt eine „bedrückte Stimmung“, wie sich der damals 18-jährige Steward Wilhelm Bohling erinnert. Wenig später läuft das mit mehr als 2000 Passagieren voll besetzte Schiff zwei Häfen im Ärmelkanal an. „Ich sah, wie die Hafeneinfahrten von Southampton und Cherbourg mit U-Boot-Netzen gesperrt waren“, sagt Bohling.

Auch der Kapitän hat Vorkehrungen getroffen: Brücke, Funkstation und Feuerwache werden von bewaffneten Posten gesichert. Draußen auf See herrscht bereits absolute Funkstille. Ein englischer Liner nur morste zurück. „Sorry“, lautet seine Botschaft, „wir können keine Verbindung mehr mit deutschen Schiffen aufnehmen.“ Kein Telegramm kommt mehr an, nicht einmal der Wetterbericht.

Im New Yorker Büro des Norddeutschen Lloyds wird man unruhig: Warum nur hüllt sich die „Bremen“ seit Tagen in Schweigen? Erst am 28. August – dasSchiff befindet sich bereits nahe der Küste südlich von New York – funkt sie den Zeitpunkt ihrer Ankunft. Um 18 Uhr desselben Tages macht sie fest. Noch während die Passagiere aussteigen, beschließen Kapitän und Reederei, die „Bremen“ ohne Passagiere so schnell wie möglich zurück nach Deutschland dampfen zu lassen. Mit etwas Glück würde die Überfahrt noch vor Kriegsausbruch gelingen.

Doch der Hafenkapitän hält das Schiff fest, ein neues Gesetz, alles müsse auf Waffen und Munition kontrolliert werden. In aller Seelenruhe lösen die Zöllner zwei Tage lang Wandverschalungen, lassen Wasser aus dem Swimmingpool und kriechen durch die Wellentunnel der Maschine. Am nächsten Tag dann folgen neue Anordnungen, nun im Namen der Sicherheit. Die Rettungsboote werden zu Wasser gelassen, die gesamte Besatzung muss im Hafenbecken rudern. „Jedem war klar: Das sind bewusste Verzögerungen, um das Schiff später durch die Engländer aufbringen zu können“, sagt Wilhelm Bohling.


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mare No. 64

No. 64Oktober / November 2007

Von Hans Wille

Autor Hans Wille, Jahrgang 1963, traf den 86-jährigen Wilhelm Bohling in Bremerhaven. Der ehemalige Steward der „Bremen“ erzählte unter Tränen, wie ihn sein Onkel in New York kurz vor Kriegsausbruchbekniet hatte, doch im sicheren Amerika zu bleiben. Bohling jedoch reiste zurück nach Deutschland, weil er seiner Großmutter nicht das Herz brechen wollte. Immerhin legte der Onkel die üppigen Trinkgelder, die Bohling während der Überfahrten bekam, an der Wall Street an. Bohling investierte das Kapital später in sein Eigenheim bei Bremerhaven. Für die wissenschaftliche Beratung und die Hilfe bei der Bildbeschaffung danken wir dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.

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Vita Autor Hans Wille, Jahrgang 1963, traf den 86-jährigen Wilhelm Bohling in Bremerhaven. Der ehemalige Steward der „Bremen“ erzählte unter Tränen, wie ihn sein Onkel in New York kurz vor Kriegsausbruchbekniet hatte, doch im sicheren Amerika zu bleiben. Bohling jedoch reiste zurück nach Deutschland, weil er seiner Großmutter nicht das Herz brechen wollte. Immerhin legte der Onkel die üppigen Trinkgelder, die Bohling während der Überfahrten bekam, an der Wall Street an. Bohling investierte das Kapital später in sein Eigenheim bei Bremerhaven. Für die wissenschaftliche Beratung und die Hilfe bei der Bildbeschaffung danken wir dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.
Person Von Hans Wille
Vita Autor Hans Wille, Jahrgang 1963, traf den 86-jährigen Wilhelm Bohling in Bremerhaven. Der ehemalige Steward der „Bremen“ erzählte unter Tränen, wie ihn sein Onkel in New York kurz vor Kriegsausbruchbekniet hatte, doch im sicheren Amerika zu bleiben. Bohling jedoch reiste zurück nach Deutschland, weil er seiner Großmutter nicht das Herz brechen wollte. Immerhin legte der Onkel die üppigen Trinkgelder, die Bohling während der Überfahrten bekam, an der Wall Street an. Bohling investierte das Kapital später in sein Eigenheim bei Bremerhaven. Für die wissenschaftliche Beratung und die Hilfe bei der Bildbeschaffung danken wir dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.
Person Von Hans Wille