Liebesaffaire von Insel und Meer

Das Fischgericht Kokoda entzückte auch die Queen, als sie auf Fidschi weilte. Eigentlich ist es das Einfachste von der Welt, man muss es nur können

Poasa Waqa ist Koch und Philosoph, beides mit Leidenschaft. Als Koch Profi, als Philosoph Autodidakt: „Das Leben stellt Dir dauernd Fragen. Darauf muss man doch Antworten suchen, oder?“ Auch nach Dienstschluss im „Sandalwood“ legt Poasa den Kochlöffel nicht beiseite. Er kocht weiter, zur Freude seiner umfangreichen Verwandtschaft im Dorf, und an Feiertagen und bei Festen sowieso. Hinter seinem Haus aus Bambuswänden und Palmdach auf der Fidschi-Insel Viti Levu im Südpazifik geht er genüsslich seinen beiden Passionen nach.

So wie heute. Poasa bereitet Kokoda, gesprochen: „Kokonda“. Unter hohen Kokospalmen im Schneidersitz vor einer flachen Tafel sitzend, häutet und filetiert er einen meterlangen Fisch, schneidet das weiße Fleisch in Würfel, hungrig umkreist von den Dorfhunden, die auf die Karkasse warten. „Nix da“, knurrt Poasa, „die brauch’ ich für ein Fumet de Poisson.“

Sagt beiläufig „Fumet de Poisson“ – der Duft des Fisches“ –, als habe er sein Berufsleben in Frankreichs ersten Häusern verbracht. Aber schließlich ist der beleibte Poasa nicht irgendeiner. Er hat bei Nakoro gelernt, eine Berühmtheit auf den Inseln. Nakoro hat für Ihre Majestät Königin Elizabeth II. von England (und Fidschi) gekocht, in den Siebzigern, als die Queen die pazifischen Besitztümer ihres zerfallenden Commonwealth visitierte. „Sie haben ihn ausgewählt, obwohl er noch ein junger Spund war und in keinem der Luxushotels gearbeitet hat“, erzählt Poasa voll Stolz auf seinen Lehrmeister. „Er hat fidschianisch gekocht. Inselküche, verfeinert natürlich. Haute cuisine der Südsee. Das gab es noch nicht. Madam hat’s geschmeckt. Seine Kokoda hat sie gelobt.“

Kokoda à la Nakoro ist berühmt seither. Poasa erklärt: „Eigentlich ist eine Kokoda das Einfachste der Welt. Man muss es nur können.“ Er wirft die Fischwürfel in eine Schüssel und übergießt sie mit Limonensaft. „Man muss das Gleichgewicht von Meer und Insel kennen. Zwischen Fisch und Nuss. Ohne die beiden gäbe es kein Leben auf den Inseln. Kokoda ist eine Liebesaffaire von Insel und Meer.“ Wir schauen hinaus auf den sonnigen Strand, die Lagune, die Brandung am Riff. Über uns rasseln Palmkronen im Passat.

Rittlings setzt sich Poasa auf einen Hocker, an den seitlich ein schmaler Eisenkamm geschraubt ist. In schnellem Rhythmus schrappt er das Fruchtfleisch aus den halbierten Nüssen, füllt die Raspel in ein großes Tuch, nimmt die Ecken auf und dreht sie immer fester zusammen. Sämig, weiß und duftend fließt die Fruchtmilch in eine Schüssel. „Hier hast du das Geheimnis der Inselküche: Lolo, die Sahne der Kokosnuss. Fett, aromatisch, mild. Sie schmiegt sich an jeden Geschmack, ob Fisch, Fleisch, Gemüse oder Kuchen.“

Als Poasa zu raspeln beginnt, fahren seine Schweine hoch, reihen sich am Gatter auf und schieben fiepend ihre rosa Steckdosen durch die Latten. „Wir nennen die Kokospalme Kau-ni-bula, Baum des Lebens. Sie gibt uns alles. Schau dich um: Pfosten und Dächer, Matten, Körbe, Kordeln, Becher, das Öl und die Lolo, alles von der Kokospalme. Auch das Schweinefutter“, fügt er an, als das Fiepen flehentlicher wird, und schüttet die Reste in den Trog.

Auf den Fidschi-Inseln findet der Reisende zwar indische Restaurants und Garküchen zuhauf; fast die Hälfte der 800000 Staatsbürger ist indischer Abstammung. Auch chinesisch kann man allenthalben einkehren. Restaurants mit original fidschianischer Küche sind hingegen selten.

Das liebenswürdigste, zudem mit der besten einheimischen Küche, ist das „Sandalwood Inn“, halbwegs zwischen Fidschis Flughafen und der Stadt Nadi („Nandi“) gelegen. Poasas Reich, ein kleines, gemütliches, preiswertes Hotel samt Restaurant, seit Jahrzehnten von Ana und John Birch privat geführt. Er ein zuvorkommender Gastgeber, so englisch wie ein Bilderbuch-Lord, hager, groß und von sarkastischem Witz, sie aus altem fidschianischen Adel, eine Schönheit noch immer.

Die beiden haben ihre Chefs de cuisine ermutigt, die Küche Fidschis zu kochen. Und das tun sie, mit Begeisterung und sicherem Gespür für die Nuance. Hoben die rustikale, naturbelassene Küche der pazifischen Inseln auf internationales Niveau, ohne ihr den Reiz der Ursprünglichkeit zu nehmen. Mitunter kommt auch Nakoro auf einen Schwatz vorbei, lüpft schnuppernd die Deckel, kostet genüsslich schmatzend eine Sauce, schaut seinem Schüler und Nachfolger wohlwollend über die Schulter: „Ein guter Mann. Er weiß alles.“

Poasa strahlt, werkelt schwitzend, lachend und singend, mit den Kellnerinnen schäkernd, den weiblichen Gästen über den offenen Tresen feurige Blicke zuwerfend, in seiner kleinen Küche, bereitet Huhn in Kokos-Creme, Palusami – geschmorte Taroblätter, die mit Lammhack, Zwiebeln und Kokos-Creme gefüllt sind –, Muschelragout, Hummer, Fisch, Oktopus, Brotfrucht ... und Kokoda, so delikat, dass eine Königin davon schwärmt.


Kokoda (marinierter Fisch in Kokos-Creme)

Zutaten (als Vorspeise für vier Personen)

400 g Fischfilet ohne Haut und Gräten (frischer Meeresfisch, weiß und festfleischig, z.B. aus mediterranen oder tropischen Gewässern, z. B. Barsch, Brasse, Papageienfisch), 1 Tasse frisch gepresster Limonen- oder Zitronensaft, 1 Teelöffel Salz, 1 rote Paprika, in dünnen Streifen, 2 Schalotten, fein geschnitten, 1 Tomate, entkernt, in kleinen Würfeln, 1 kleine Chili-Schote, feingehackt, 1 Teelöffel frisch geschabter Ingwer, 300 ml Kokoscreme (hierzulande in Büchsen oder als Pulver erhältlich)

Zubereitung

Den Fisch in Würfel von 2 cm schneiden. In einer Schüssel (kein Plastik) mit Limonensaft und Salz für mindestens vier Stunden kaltgestellt marinieren lassen. Hin und wieder wenden. Die Flüssigkeit abgießen, die Fischwürfel in Wasser spülen, mit Küchenkrepp trocken tupfen und mit allen anderen Zutaten mischen. Wenn nötig nachwürzen (Limonensaft, Orangensaft, Salz, weißer Pfeffer, Curry). Mindestens eine halbe Stunde durchziehen lassen – ohne Kühlung, sonst granuliert die Kokosmilch. (Zur Beruhigung für Übersensible: Dies ist kein Gericht aus rohem Fisch. Durch die Zitronensäure wird er genauso gegart wie durch Hitze).


Sandalwood Inn
Box 9454, Queens Road,
Nadi Airport, Fidschi
Tel. 00679/72 20 44, Fax: 00679/72 01 03

mare No. 21

No. 21August / September 2000

Von Hans-Christof Wächter und Knut Gielen

Hans-Christof Wächter, Jahrgang 1940, war Autor und Theaterregisseur in Berlin.

Knut Gielen, geboren 1964, ist freier Fotograf in Hamburg.

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Vita Hans-Christof Wächter, Jahrgang 1940, war Autor und Theaterregisseur in Berlin.

Knut Gielen, geboren 1964, ist freier Fotograf in Hamburg.
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Knut Gielen, geboren 1964, ist freier Fotograf in Hamburg.
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