Land vor dem Meer

Wild und schroff und windumtost liegt die Bretagne am „Ende der Welt“. Wie wenige andere Küstenstriche formt der Atlantik die Bewohner der Halbinsel zu stolzem Eigenwille

Die Römer nannten es „finis terrae“, und das nicht zu Unrecht. Das Ende der Welt ist die Bretagne nicht ganz, aber doch beinahe, zumal aus römischer Sicht um 50 vor Christus. Später dann wird der Landstrich zum Ort des Aufbruchs für Entdecker, Eroberer und für die vielen durch Kirche und Politik Verfolgten. Im äußersten Westen Frankreichs gelegen, mit einer Sprache, die immerhin 500 000 der drei Millionen Bretonen ihre eigene nennen und die ihnen lange verboten war, ist es nicht nur vom Kontinent, sondern auch vom alles beherrschenden Paris abgewandt. Modernste Verkehrsmittel erschließen das Land zwar, doch geprägt wird es von etwas ganz anderem: dem allgegenwärtigen Ozean.

Kein Ort ist hier weiter als 60 Kilometer vom Meer entfernt, es züngelt, brandet und schlägt einem immer wieder entgegen, mit frischer, atlantikreiner und oft regenreicher Luft. Granitgrau sind die Felsen, die den Wellen trotzen an der Küstenlinie. Granitgrau sind auch die Häuser, die sich unter den stürmischen Winden zu ducken scheinen. Der Atlantik beherrscht hier das Leben, nicht nur in der Küche, die auf Austern und allerlei anderem Meeresgetier basiert. So abweisend das Klima manchmal ist, wild und undurchdringbar, so können es auch seine keltischstämmigen Bewohner sein, deren Vorfahren einst übers Meer kamen, von den Britischen Inseln. Schon 100 Jahre vor der Französischen Revolution widersetzten sie sich der Obrigkeit, wehrten sich gegen erdrückende Steuerlast. Auch später empörten sie sich immer wieder über Bevormundungen, zündeten Sprengstoff, wollten sich separieren, setzten bretonischen Sprachunterricht durch, klagten gegen eine Ölfirma und forderten Entschädigung für die durch einen Tankerunfall zerstörte Küste. Ein störrisches Volk, ein stolzes Volk. „Tétu comme un breton“, sagen die restlichen Franzosen, wenn sie Sturheit meinen.

Und doch reisen sie immer wieder hierher, im Sommer in Scharen, die Bretagne ist eine der meistbesuchten Regionen des Landes. Sie kommen wegen des Atlantiks, der Natur und auch wegen der Bretonen selbst, die diesen Landstrich lieben und doch immer darüber hinausschauen. Der Horizont ist weit, das Dahinter verlockend, es ist wenig verwunderlich, dass die besten Skipper der Welt aus der Bretagne stammen. Die Besucher zwängen sich in Neoprenanzüge oder kleiden sich in Regenjacken, segeln am Strand oder auf dem Wasser, surfen mit Drachen oder ohne und kämpfen gegen die Elemente, die hier so wild sind und so roh, dass sie sich ganz auf sich zurückgeworfen fühlen in ihrer Sehnsucht nach dem Authentischen und der Urgewalt des Meeres. Zdb

Der mare-Bildband „Bretagne“

Format 28 mal 30 Zentimeter, 136 Seiten, 58 E/98 sfr.

mare No. 76

No. 76Oktober / November 2009

Fotografien von Matias Bothor

Knapp ein Dutzend Mal reiste der Berliner Fotograf Mathias Bothor für mare in die Bretagne. Der für seine Porträts berühmter Zeitgenossen wie Angela Merkel oder Robert de Niro bekannte Fotograf stand vor keiner leichten Aufgabe. Die in seinem gewohnten Stil gehaltenen Schwarz-Weiß-Porträts mussten hart erarbeitet werden; das Vertrauen der Menschen zu gewinnen verlangte Einfühlungsvermögen und Liebe zu der Region. Auch der rauen Landschaft näherte er sich auf seinen Reisen immer mehr und erzeugte in seinen Bildern eine beinahe filmische Atmosphäre. Bothor erkennt Bekanntes neu, und Klischees bleiben unerfüllt.

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Vita Knapp ein Dutzend Mal reiste der Berliner Fotograf Mathias Bothor für mare in die Bretagne. Der für seine Porträts berühmter Zeitgenossen wie Angela Merkel oder Robert de Niro bekannte Fotograf stand vor keiner leichten Aufgabe. Die in seinem gewohnten Stil gehaltenen Schwarz-Weiß-Porträts mussten hart erarbeitet werden; das Vertrauen der Menschen zu gewinnen verlangte Einfühlungsvermögen und Liebe zu der Region. Auch der rauen Landschaft näherte er sich auf seinen Reisen immer mehr und erzeugte in seinen Bildern eine beinahe filmische Atmosphäre. Bothor erkennt Bekanntes neu, und Klischees bleiben unerfüllt.
Person Fotografien von Matias Bothor
Vita Knapp ein Dutzend Mal reiste der Berliner Fotograf Mathias Bothor für mare in die Bretagne. Der für seine Porträts berühmter Zeitgenossen wie Angela Merkel oder Robert de Niro bekannte Fotograf stand vor keiner leichten Aufgabe. Die in seinem gewohnten Stil gehaltenen Schwarz-Weiß-Porträts mussten hart erarbeitet werden; das Vertrauen der Menschen zu gewinnen verlangte Einfühlungsvermögen und Liebe zu der Region. Auch der rauen Landschaft näherte er sich auf seinen Reisen immer mehr und erzeugte in seinen Bildern eine beinahe filmische Atmosphäre. Bothor erkennt Bekanntes neu, und Klischees bleiben unerfüllt.
Person Fotografien von Matias Bothor