Kraft durch Filme?

Seit die Bilder laufen lernten, locken Marinefilme die Menschen ins Kino. Aber als Propaganda für Kriegspolitik wurden sie zum gefährlichen Werkzeug

Der Ton war der Zeit gemäß markig. „Dieser Film legt den ersten Grundstein, um aus dem unsichtbaren Denkmal unserer Mannestat im Krieg ein sichtbares zu machen“, schrieb die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ im Jahr 1926. Kurz zuvor war der Film, „Unsere Emden“, in den deutschen Kinos angelaufen.

Der Stummfilm erzählt von dem Einsatz der „Emden“ im ersten Weltkriegsjahr 1914. Der Kleine Kreuzer aus dem aufgelösten Ostasiengeschwader unter Maximilian Graf Spee führt im Indischen Ozean einen Kaperkrieg auf eigene Faust. Dabei versenkt er, mithilfe eines auch im Film authentisch rekonstruierten vierten Schornsteins als britischer Kreuzer getarnt, in eindeutigen Akten der Piraterie 23 Handelsschiffe und zwei Kriegsschiffe.

Der Film war ein großer Kassenerfolg. Und so ließ Regisseur Louis Ralph sechs Jahre später, 1932, ein Sequel folgen, „Kreuzer ‚Emden‘“, diesmal als Tonfilm.

„Die Zukunft scheint auf dem Wasser zu liegen. Marinefilme, nichts als Marinefilme“, stöhnte Kritiker und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer am 5. Dezember 1926 in der „Frankfurter Zeitung“.

Während der Weimarer Zeit kamen jedes Jahr neue Marinefilme in die Kinos. Ein neues Genre schien zu erblühen – und mit ihm eine neue Entwicklung, die nichts Gutes verheißen sollte: die der maritimen Propaganda.

Weit mehr als 1000 deutsche Spiel- und Dokumentarfilme behandeln bis heute maritime Themen, oft als reine Propaganda für die Seestreitkräfte der verschiedenen deutschen Staaten vom Kaiserreich bis zur DDR mit ihrer Fernsehpropaganda am alljährlichen „Tag der Nationalen Volksarmee“ am 1. März. Auch die Bundesmarine des vereinigten Deutschlands wirbt in Kinospots im Stil der Musikclipästhetik.

Nicht selten verfolgten Filme ohne unmittelbaren militärischen Inhalt einen Propagandazweck. Das Mottowort „Seegeltung“ faszinierte, es bediente Abenteuerlust und Weltmachtträume. Selbst scheinbar ohne vordergründige Absicht gedrehte Unterhaltungsfilme wie „Bomben auf Monte Carlo“ mit Hans Albers aus dem Jahr 1931 gerieten in den Strudel dieses Herrschaftsanspruchs auf See.

Jene Filme machten Seeleute zu Helden: stark, wild, gesellig, frei, erotisch und/oder leidend. Hinzu kamen die gängigen Chiffren von Männerfreundschaft, die im militärischen Klartext meist „Kameradschaft“ heißen. Meer und Seefahrt lieferten neben attraktiven Gefahren und den Chancen zu deren männlich-robuster Bewältigung den idealen Bezugsrahmen, um einer „disziplinierten Freiheit“ Ausdruck zu verleihen, die den von Siegfried Kracauer attestierten „Kollektivsehnsüchten“ der Deutschen entgegenkam.

Eros und Thanatos spielten auf See und an Land ihr wirksames Doppelspiel: Windstärke zehn vor Kap Hoorn – und das Bordell auf der Reeperbahn. Dabei ist Deutschland kein ausgesprochenes Hochseeland; seine Küsten liegen an Randmeeren, seine Bewohner haben zu keinem Zeitpunkt erheblich von und mit dem Meer gelebt. Dennoch behauptete der deutsche Film das Gegenteil.

Nur wenige wissen, dass die berühmte Ufa, die viele international beachtete, hervorragende Filme herstellte, ehe sie in den Missbrauch von Goebbels Propagandaministerium einbezogen wurde, 1917 mit Geld der Hapag und des Norddeutschen Lloyds gegründet wurde. Die deutsche militärische Führung unter General Erich Ludendorff hatte diese Gründung im nationalen Interesse gefordert, nicht zuletzt, um den „uneingeschränkten U-Boot-Krieg“ propagandistisch zu entschärfen. Mit im Boot der Geldgeber saßen neben den beiden größten deutschen Reedereien die Deutsche Bank, die AEG und Robert Bosch. Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkten die Reedereien die Zusammenarbeit mit der Ufa über die Einrichtung von Bordkinos. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die Hapag auf 30 Schiffen etwa 50 Abspielgeräte laufen – so viele hatte außer der Ufa kein deutscher Filmtheaterkonzern. Das „bedrängte“ Vaterland, das faszinierende neue Medium Film und die Abenteuerbühne der See bildeten einen militärisch-zivilen Propagandakomplex mit den bekannten Folgen.

 

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mare No. 130

Oktober / November 2018

Von Harald Loch

Harald Loch, Jahrgang 1941, ist Jurist und Historiker in Berlin und arbeitet neben anderem auch als Dokumentarfilmer und Literaturkritiker.

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Vita Harald Loch, Jahrgang 1941, ist Jurist und Historiker in Berlin und arbeitet neben anderem auch als Dokumentarfilmer und Literaturkritiker.
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Vita Harald Loch, Jahrgang 1941, ist Jurist und Historiker in Berlin und arbeitet neben anderem auch als Dokumentarfilmer und Literaturkritiker.
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