Kaviar I: Der Störfall

Kaviar aus dem Iran ist der kostbarste, weshalb die Regierung ihn hütet wie einen Staatsschatz. Doch seit der Stör sich rar macht, verwalten 1600 Kaviarbeamte nur noch den Mangel

Es war im Oktober 1971, da ließ der Schah von Persien 51 Seidenzelte bei den Ruinen von Persepolis spannen. Er ließ einen Wald in die Wüste pflanzen und 50000 Singvögel importieren, die schon nach wenigen Tagen verendeten, weil sie das Klima nicht vertrugen. Er ließ einen Flugplatz bauen und eine tausend Kilometer lange Autobahn, die aus Teheran hierherführte.

Um einen Kaiser, neun Könige, fünf Königinnen, 13 Prinzen, acht Prinzessinnen, 16 Präsidenten, drei Premiers, vier Vizepräsidenten, neun Scheichs und zwei Sultane, um Repräsentanten aus 69 Staaten zu empfangen. Nur das Land, das das Sicherheitskonzept der Party entwickelt hat, war nicht eingeladen: Israel.

Persien feierte 2500. Geburtstag, doch im Mittelpunkt stand nicht das Geburtstagskind. „Wir mussten demonstrieren, dass die Ära Pahlevi die Auferstehung der iranischen Zivilisation bedeutete“, schreibt Schahgemahlin Farah Diba in ihren „Erinnerungen“.

Die Kellner kredenzten Pfauenbrüste à l’impériale mit zarter Blattgoldkruste, Langustenmousse, Champagnersorbet, hundertjährigen Cognac. Die Gäste, müde von den erfüllten Wünschen, ließen mehr als die Hälfte des Buffets zurückgehen. Das Personal wusste mit den angebrochenen Magnumflaschen nichts anzufangen, als sich die Köpfe damit zu duschen, das Bukett eines Château Lafite Rothschild 1945 war nicht von ihrer Welt, 330 Dollar betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Iraners damals.

Seinen Gästen aus dem Ausland wollte es der Mann auf dem Pfauenthron an nichts fehlen lassen, vor allem nicht am Kaviar, den gab es in generösen Mengen, 130 Kilogramm Sättigungsbeilage. Seltsamerweise das einzige persische Gericht auf der persischen Reichsgründungsfeier, sonst war die Opulenz aus Paris eingeflogen, wie das Besteck und die Köche. Nur der Kaviar kam vom Kaspischen Meer, woher auch das Wort stammt.

„Chav-iar“, „Kuchen der Freude“ nannten die persischen Chediven den Rogen, das jedenfalls verkündete auf der Jubiläumsfeier ein deutscher Philologe namens Wilhelm Eilers. Die Pahlevis wollten den Iran auferstehen lassen, und im schwarzen Glanz der Eier konnten sie sich spiegeln, die stolzen Könige und die edlen Heerscharen, die Weiten von Ägypten bis Indien. Im Kaviar schimmerte der Iran noch wie Persien.

Seit 1953 sind Störfang und Rogenhandel im Iran verstaatlicht, Monopol der Fischereibehörde und ihrer Tochterfirma Shilat. Damals verwalteten die „amerikanischen Marionetten“ (Khomeini) das Nationalgericht, heute „diese schrecklichen Bärtigen mit den wilden Augen“ (Farah Diba).

Einer davon ist Herr Schabani, er trägt gepflegten Schnauzer, und wild sind nur die Mickymäuse auf seiner Krawatte. Die Wände seines Zimmers sind weiß verputzt, eine nackte Glühbirne spiegelt sich auf dem Marmorboden. In der Ecke steht ein Staubsauger mit Schleife, das Geschenk an einen Mitarbeiter, der die Behörde nach zehn Jahren verlässt. Er ordnet seinen Schreibtisch, die Büroklammern, den Locher, die Akten, alles in rechten Winkeln. Sein Bürostuhl ist, typisch iranisch, noch in Plastik eingeschweißt, wie auch sein Kleiderständer.

Er verwaltet Irans Kaviarprovinzen am Kaspischen Meer in Bandar Anzali, einer Hafenstadt am West-ufer. „Schabani, mein Name, Eshagh Scha-bani, ein jüdischer Vorname, aber ich bin kein Jude!“, sagt er und reicht lächelnd die Hand.
„Warum seid ihr da? Iranischer Kaviar ist doch weltbekannt. Was wollt ihr noch wissen?“

Nein, sagen kann er nicht, wie viel Kaviar die Firma Shilat im vergangenen Jahr gefördert hat. Das wüssten die in Teheran. Wann Fangsaison ist, kann er auch nicht sagen, das wüssten die Fischer. Er weiß aber, dass Kaviar aus dem Iran der Beste sei, so sauber seien die Gewässer hier. Er würde exportiert in alle Welt, bringe dem Staat viele Devisen ein. Der Staat wiederum gebe das Geld an das Volk weiter, errichte Schulen und Krankenhäuser, subventioniere Benzin und Strom. Er jage Schmuggler und Raubfischer mit seinem Militär, und er kümmere sich um die Schau seines nationalen Hoheitszeichens. „Kaviar steht für Iran wie Toyota für Japan, wie Lada für Russland, wie Mercedes für Deutschland – ein nationales Symbol.“
Und für ihn?

Er lächelt, jetzt unsicher. „Wenn Sie mich fragen, ist das Glibber.“ Er isst keinen Kaviar. „Die Arbeit“, sagt Schabani, „ist mein Genuss.“ Von Samstag bis Donnerstag zieht er jeden Morgen um 7.30 Uhr seine Chipkarte durch den Automaten beim Pförtner, dann wartet er in seinem Zimmer. Männer kommen und bringen Papiere, Artenschutzabkommen, Fangtabellen, Überstundenabrechnungen. Einer will sein Weihnachtsgeld, 100 Gramm Sevruga zum Vorzugspreis von 13000 Toman, zehn Euro. Ein anderer einen Laster, um irgendwo Lebensmittel abzuholen. Ein anderer will einfach nur Hallo sagen. Schabani unterschreibt, nickt, sagt hallo.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 63. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 63

No. 63August / September 2007

Von Dimitri Ladischensky und Andrew Testa

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur im Ressort Leben, hat immer noch keinen Kaviar gegessen. Auch die Beamten im Iran hatten keinen für ihn übrig.

Andrew Testa, Jahrgang 1965, lebt als Fotograf in New York. Die Diskussion, ob der Stör nun rein oder unrein ist, kennt er bestens. Für mare No. 59 begleitete er bereits jüdische Lebensmittelinspektoren, die das Koscher-Gütesiegel vergeben.

Mehr Informationen
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur im Ressort Leben, hat immer noch keinen Kaviar gegessen. Auch die Beamten im Iran hatten keinen für ihn übrig.

Andrew Testa, Jahrgang 1965, lebt als Fotograf in New York. Die Diskussion, ob der Stör nun rein oder unrein ist, kennt er bestens. Für mare No. 59 begleitete er bereits jüdische Lebensmittelinspektoren, die das Koscher-Gütesiegel vergeben.
Person Von Dimitri Ladischensky und Andrew Testa
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, mare-Redakteur im Ressort Leben, hat immer noch keinen Kaviar gegessen. Auch die Beamten im Iran hatten keinen für ihn übrig.

Andrew Testa, Jahrgang 1965, lebt als Fotograf in New York. Die Diskussion, ob der Stör nun rein oder unrein ist, kennt er bestens. Für mare No. 59 begleitete er bereits jüdische Lebensmittelinspektoren, die das Koscher-Gütesiegel vergeben.
Person Von Dimitri Ladischensky und Andrew Testa