Käpten Ahabs Bitterbier

Eine kleine Brauerei auf der US-Ostküsteninsel Nantucket widmet ein eigenwilliges Bier den alten Walfängern

Nehmen wir mal an, Wale könnten nicht nur singen, sondern auch sprechen. Dann würden sie zweifellos Horrorgeschichten von dieser Insel erzählen und ihre Bewohner verfluchen. Denn nicht nur Käpten Ahab ist von Nantucket aus zur Jagd auf Moby Dick ausgelaufen – wie er hat das gesamte Inselvolk davon gelebt, Pottwale zu harpunieren und aus ihrem Tran Lampenöl zu kochen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts der Hafen an Neuenglands Küste versandete, aber das ist eine andere Geschichte.

Heute schießen bekanntlich nur noch Japaner mit Harpunen, doch auch auf Nantucket verdienen sie weiter prächtig an den Walen, indem sie die Erinnerung an das große Schlachten pflegen. Wie beispielsweise die Brauerei der Insel am Cisco Beach, wo sie das erfolgreichste Bier der Produktpalette „Whale’s Tale Pale Ale“ nennen. Ein schöner Reim, der sich leider nicht so elegant übersetzen lässt; das „helle Bier zur Geschichte vom Wal“ müsste es heißen. Wobei das obergärige dunkle Ale eher dem englischen Bitter oder dem deutschen Altbier entspricht als den hellen Gerstensäften.

Die Brauerei bezeichnet den Namen gern als „Tribut an die große Ära des Walfangs“, was man angesichts der fast gelungenen Ausrottung zynisch finden könnte. Aber Wendy und Randy Hudson, die Gründer von Cisco Brewers, haben einfach Spaß an Wortspielereien. Die anderen Biere im Sortiment heißen „Baggywrinkle Barleywine“ (Tausendfüßlers Gerstenwein) und „Moor Porter“ (Moorschwarzbier).

Allerdings könnte man nach einer langen Nacht durchaus auf den Gedanken kommen, es handele sich bei dem köstlichen Bitter um eine späte Rache des Wals – was in den Anfangsjahren wohl auch an der Flaschengröße lag. Wendy und Randy bekamen zur Firmengründung 1994 ein paar tausend Champagnerflaschen gespendet und füllten ihr Bier lange Zeit in die XXL-Pullen. Für gewissenhafte Biertrinker ein Problem. Die Flasche muss leer, ist doch so.

Schlimmer wird es noch, wenn die Walgeschichten mit einem Trinkspiel kombiniert werden, dem Wendy und Randy Hudson der Firmenlegende nach früher sehr zugetan gewesen sein sollen – und das unverkennbar seinen Einfluss bei der Namensfindung für das Ale hatte. Die Regeln sind hinreichend kompliziert, um bei fortgesetztem Versagen für einen ordentlichen Rausch zu sorgen. „Whale’s Tails, Prince of Wales, somebody stole my tails“, fängt ein Trinker den Reigen an – und ruft die Nummer des Spielers auf, den er für den Dieb hält: „I accuse number four.“ Wenn die Vier im Rund nicht geistesgegenwärtig mit „No!“ antwortet, bevor die anderen Spieler auf ihn zeigen, muss er trinken. Dito, wer es nicht schafft, den Reim korrekt aufzusagen – oder zu langsam spielt. Denn auf das „No“ folgt blitzschnell die Rückfrage des Spielleiters „Who?“ – „wer dann?“ Die Vier ruft dann die nächste Nummer auf – und so weiter. Jeder Fehler wird mit dem nächsten Schluck bestraft, was – wie erfahrene Spieler wissen – nur Anfänger absichtlich provozieren.

Auch sonst muss man hier im Pub auf überraschende Prüfungen gefasst sein. Der Wirt in der Piratenschenke „Brotherhood of Thieves“ etwa quält seine Kundschaft mit einer Regel, die erst einmal geschäftsschädigend klingt, aber tatsächlich den Ehrgeiz der Durstigen nur zusätzlich befeuert. „Das nächste Glas kriegt nur“, droht besagter Barkeeper, „wer den Namen unfallfrei aufsagen kann.“ Whale’s Tale Pale Ale, das will geübt sein.

Kein Problem damit hatten jüngst die Teilnehmer einer Regatta, die den Zungenbrecher bald so gut beherrschten, dass sie in nur einer Nacht nahezu die gesamten Vorräte auf der Insel vernichteten, was unter den Einheimischen eine regelrechte Panik ausgelöst haben soll. Cisco Brewers produziert nämlich immer hart an der Kapazitätsgrenze und kann den Ausstoß auch nicht beliebig ausweiten. Immerhin haben sie inzwischen einen Kompromiss akzeptiert: Ein Tochterunternehmen auf dem Festland darf nach bewährtem Rezept „Whale’s Tale“ in Flaschen füllen. Und so scheint es, als hätte Nantucket nach dem Lampenöl endlich wieder einen echten Exportschlager gefunden. Schade nur, dass die Insulaner nicht gleich auf diese Idee gekommen sind. Sie könnten heute in aller Ruhe ihr hopfiges Ale zischen und sich Geschichten von den Walen erzählen, die draußen im Atlantik vorüberziehen.

Biergarnelen mit Honigdip

Zutaten (für vier Personen)
1 kg Garnelen, 1/4 l Bier, 4 Tassen Erdnussöl, 1 Tasse Mehl, Zucker, Backpulver, Pfeffer, 2 Chilischoten, 1 Tomate, 1 Zwiebel, Knoblauch, 1/4 Tasse Honig, Rotweinessig.

Zubereitung
Mehl, Pfeffer, Backpulver, etwas Zucker und Bier in einer Schüssel mischen, eine halbe Stunde ziehen lassen. Öl in einer Pfanne erhitzen. Garnelen in die Panade tunken und etwa zwei Minuten frittieren.

Für den Dip: Tomate, Chili, Zwiebel und Knoblauch mit wenig Wasser kurz aufkochen und bei niedriger Temperatur 15 Minuten garen lassen. Abkühlen, pürieren, Honig und Rotweinessig unterrühren.

mare No. 70

No. 70Oktober / November 2008

Von Olaf Kanter und Jürgen Herschelmann

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Jürgen Herschelmann ist freier Fotograf und lebt in Hamburg.

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Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Jürgen Herschelmann ist freier Fotograf und lebt in Hamburg.
Person Von Olaf Kanter und Jürgen Herschelmann
Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

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