Kämpfer und Sammler

Peter Tamm wurde in diesem Jahr 70. Der ehemalige Chef des Springer-Konzerns besitzt die größte private Marinesammlung der Welt

Der eine sortiert sein Briefmarkenalbum, der andere richtet seine Bierdeckelsammlung, der dritte seine Streichholzschachteln – Deutschlands Ruheständler. Und dann gibt es noch einen, der ordnet ganz besonders gerne seine zwanzig- bis einundzwanzigtausend Modellschiffe (jeden Tag werden es mehr), seine 3000 Seestücke, seine vielen hundert Marineuniformen, je nach Gusto auch Schiffsspeisekarten, Kompasse, Steuerräder, Schiffsbaupläne: Peter Tamm, im Mai ist er 70 Jahre alt geworden. Einst, als Vorstandsvorsitzender des Springer Konzerns, war er bestbezahlter Manager der Republik, heute ist er Inhaber der größten privaten Marinesammlung der Welt: „Alles vom Nähzeug bis zum Marshallstab“, umreißt er seine Schätze. Und das ganze auf 3000 Quadratmetern eines Patrizierhauses, das einstige Parkhotel Teufelsbrück, in Deutschlands teuerster Wohnlage: Hamburg Ovelgönne, Elbchaussee.

1991 hat Peter Tamm das Anwesen gekauft. Es musste sein: „Mein Privathaus vorher war vollgestopft, ich konnte niemanden mehr einladen.“ Und deshalb sitzt er heute hier, im dritten Stock seines „Wissenschaftlichen Institutes für Schiffahrts- und Marinegeschichte“. Obwohl von mittlerer Größe, so doch würdevoll raumgreifend mit der Havanna in der Hand, in seinem breiten Ledersessel vor der Bücherwand seines Büros, unter anderem mit einigen laufenden Metern „Lloyd’s Register of Ships“. Dem Gegenüber fest ins Auge blickend, erklärt er die Philosophie seines Hauses: „Mir liegt daran, die Schifffahrtsgeschichte möglichst ohne Lücken darzustellen.“ Alles Maritime ist in seinen Augen nur ein Medium für Größeres: Ohne Schiffe, sagt er, gäbe es keine Weltgeschichte, und demgemäß ließe sich die Weltgeschichte auch am besten in der Schifffahrtsgeschichte darstellen. Weltgeschichte, das sind seine kleinen und großen Dinge und die Menschen, die dahinterstehen: „Der Schiffbauer, der das Schiff entworfen hat, die Werft, die es gebaut hat, die Besatzung, die sich darauf wohl gefühlt hat oder auch nicht.“ Die Faszination des Lebens ist für ihn die Geschichte schlechthin, und die spricht aus den vielen tausend Exponaten.

„Ich bin verrückt, weiß es und genieße es.“ Der Mann, der sich „natürlich“ zu seinem „Spleen“ bekennt, streitet zwar ab, dass ihn Lücken in seiner Sammlung ärgerten. „Aber ich bin verbissen hinterher, sie zu stopfen. Ich muss sie erkennen, und wenn ich sie erkannt habe, muss ich sie ausfüllen.“ Da kennt er mehrere Wege.

Viele Marinaria finden ihren Weg von ganz allein – und unentgeltlich – in die noble Villa. Aus Erbschaften, aufgelösten Sammlungen und dergleichen. „Fast jeden Tag klopft jemand an.“ Vieles aber ist Ergebnis harter Arbeit. Nicht weniger als 20 Jahre lang hat Peter Tamm zum Beispiel vornehm, aber hartnäckig gebohrt, den marinen Nachlass des Prinzen Heinrich von Preußen, Bruder und Sportskamerad des Hobbyseglers und Marinefanatikers Wilhelm II., übergeben zu bekommen. Bisweilen aber muss es auch blitzschnell gehen. Kurz nach der Wende in der DDR ergatterte der Springer-Chef für 20000 Mark ein veritables Schnellboot der Volksmarine. „Ein Sammler, wenn er denn einer ist, hat einen Sinn dafür, wann er zuschlagen und wo er warten muss.“ Allerdings war nach dem Erwerb der Kampf noch nicht zu Ende, im Clinch mit dem Bundesverteidigungsministerium (CDU), das das Schiff als kampfunfähig klassifiziert hatte, und dem Wirtschaftsministerium (FDP), das nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz Einspruch erhob, gab es noch Klärungsbedarf. Doch ein in den Rumpf gefrästes Sichtfenster, das aus der Waffe ein Museumsstück machte, sowie 10000 Mark Buße an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger – und das Schnellboot (Ost) darf seither auf Tamms riesiger Elbterrasse aufgebockt ruhen. Neben einem Flakgeschütz der Bundesmarine (West). Der Vollständigkeit halber.


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mare No. 8

No. 8Juni / Juli 1998

Von Ulli Kulke und Stefan Pielow

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. 
Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. 
Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Von Ulli Kulke und Stefan Pielow
Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg. 
Für mare reiste Pielow seit Mitte der 90er Jahre an besonders exotische Orte, von den Bahamas bis zum Nordkap. 2011 erschien der mare-Bildband NEW YORK, für den Pielow Bewohner der Stadt am Meer portraitierte. 2016 produzierte er zusammen mit dem mareverlag das Buch: MEIN SCHIFF ENTSTEHT für die TUI Cruises GmbH.
Person Von Ulli Kulke und Stefan Pielow