Kadetten und der Traum vom Meer

Schon einmal bemerkt, bei wie vielen Autos das Meer den Paten stellt? Corvette, Commodore und Capri – jeder Name ein Versprechen

Mako", sagt Manfred Gotta, „ist ein schlechter Name für ein Auto." Ein ganz schlechter Name. Manfred Gotta muss es wissen, denn Namen sind sein Geschäft, insbesondere die Namen von Automobilen. Der Mako-Hai (Isurus oxyrinchus), nach dem der Autohersteller Chevrolet in den 1960er Jahren eine superdynamische Designstudie benannte, ist zwar ein stolzes Tier mit Ausstrahlung, aber leider, sagt Herr Gotta, bezeichne man auf Trinidad Klatschtanten als „mako", also jene unangenehmen Menschen, die ihre Nase überall hineinstecken. Und will man ein Auto, das so heißt? Nun mag es auf Trinidad nicht gerade viele potenzielle Supersportwagenkäufer geben, aber das Beispiel zeigt: Die Sache mit den Namen, sie ist ein heikles Geschäft. Chevrolet auf jeden Fall ließ den Mako eine Studie bleiben und brachte später die nach einem Schiffstyp benannte CORVETTE auf den Markt (das Lexikon sagt: „schnelles, kleines Kriegsschiff mit geringem Tiefgang").

Manfred Gotta ist der Gründer von Gotta Brands in Baden-Baden, einer Firma, die Namen für die Industrie kreiert. Langwierig und mühevoll ist jener Prozess, der dem Taufakt vorangeht und schnell einmal eine Viertelmillion Euro kostet. Aber die Sache ist es wert. „Schließlich ist ein Auto wie ein Mensch. Es hat eine Seele, ein Hintern, ein Gesicht", sagt Gotta.

Auf der Suche nach dem treffenden Namen fand man im Meer eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Stehen nicht Schiffe für Eleganz und Schnittigkeit, künden nicht Raubfische von Aggressivität und Agilität, und sind Inseln nicht das ultimative Traumziel, die ideale Projektionsfläche?

Opel begann nach dem Zweiten Weltkrieg zaghaft mit Anleihen beim nautischen Hierarchiesystem. Zwar hatte man eben einen Krieg verloren, das Land lag in Trümmern, und alles Militärische war verhasst, doch der Autobauer vertraute auf die saubere Ausstrahlung der gestärkten weißen Uniformen der Marine, auf Virilität (damals waren die Frauen noch keine Zielgruppe), auf die mitschwingende Ahnung vom Aufbruch in neue Gewässer. Man war zwar ganz unten, doch man strebte nach oben. Man brauchte bloß Willenskraft - und das richtige Gefährt von Opel.

Es gab den KADETT für den kleinen Mann mit Ambitionen, für den Anfänger quasi, der sich hochdient; es gab den KAPITÄN für den nicht mehr ganz so kleinen Mann und den COMMODORE, der von 1976 bis 1982 gebaut wurde (ein Kommodore ist bei großen Reedereien der dienstälteste Kapitän). Schließlich gab es sogar den ADMIRAL, für jene, die es geschafft hatten.

Bei Ford Deutschland beschränkte man sich nach dem Zweiten Weltkrieg vorerst auf Ziffern und Nummern. Anfang der 1930er Jahre hatte man den Ford-Modellen noch deutsche geografische Bezeichnungen gegeben: Rheinland, Köln, Eifel und Taunus. Namen, die ihre Absicht hatten. Man wollte sich beim neuen Regime anbiedern, denn schließlich war Ford eigentlich eine amerikanische Firma.

Schließlich war es der Name einer Insel, der 1968 als erster Name und silbern glänzender Schriftzug auf dem Kofferraumdeckel eines in Deutschland hergestellten Fords prangte, einem schnittigen Sportcoupé CAPRI. Ein Name, der den Nerv der Zeit traf, denn Capri stand für Sonne und die Sehnsucht nach dem Süden. Fast zur selben Zeit bedient sich ein Fruchtsaftgetränk in einem neuartigen Trinkbeutel der Kraft des Namens, der den Sommer in den grauen Alltag holte. Die Capri-Sonne.

Der Ford Capri war quasi ein automobiles Echo zu dem Lied „Capri-Fischer". Ein Song, der 1943 von Gerhard Winkler (Musik) und Ralph Maria Siegel (Text; Vater des heute hyperaktiven Schlagerproduzenten Ralph Siegel) komponiert, jedoch sogleich im Rundfunk verboten wurde, denn 1943 war das US-Militär bereits auf Capri gelandet und die Insel somit tabu. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Schmachtfetzen („Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt") zum großen Erfolg und stand exemplarisch für die Sehnsucht der Deutschen nach Italien.


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mare No. 57

No. 57August / September 2006

Von Max Küng

Max Küng, geboren 1969, arbeitet in Zürich als Reporter von Das Magazin. Soeben erschien sein erstes Buch Einfälle kennen keine Tageszeit.

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Vita Max Küng, geboren 1969, arbeitet in Zürich als Reporter von Das Magazin. Soeben erschien sein erstes Buch Einfälle kennen keine Tageszeit.
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Vita Max Küng, geboren 1969, arbeitet in Zürich als Reporter von Das Magazin. Soeben erschien sein erstes Buch Einfälle kennen keine Tageszeit.
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