Iss mich!

Gesund ist es ja und nachhaltig auch: „Novel Food“ aus dem Meer wird zunehmend zu einem bedeutenden Gegenstand der ernährungswissenschaftlichen Forschung in aller Welt

Quallen können ganz schön nerven. Schon weil an Badestränden nicht selten plötzlich Hunderte Tonnen dieser Nesseltiere im Wasser umhertreiben. Im September 2013 gelangte in Schweden ein Quallenschwarm in das Kühlsystem eines Atomkraftwerks. Aus Sicherheitsgründen musste der Meiler vorübergehend vom Netz genommen werden. Und dann sind da noch die Feuerquallen, deren Gifte bei Schwimmern schmerzhafte Hautverätzun­gen auslösen. Was also tun mit dem Glibbergetier? Vielleicht einfach aufessen?

So kurios es klingen mag: Seit einigen Jahren untersuchen internationale Forschungsteams das kulinarische Potenzial von Quallen und das von Algen gleich dazu. Schon weil an Euro­pas Küsten mehr und mehr Algen angespült werden und dort Gestank und Treibhausgase verbreiten. Erste Studien legen nahe, dass Quallen und Algen zu essen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch gesund ist. Journalisten schreiben schon vom „neuen Superfood aus dem Meer“. Doch handelt es sich dabei um mehr als einen Hype?

Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang mit maritimen Nahrungs- und Heilmitteln Wunder versprochen werden. Von gemahlenen Seepferdchen und Einhornhörnern über Ambra, Krill und Makroalgen bis hin zu Açaíbeeren, Spirulina, Meeresspargel und eben Quallen reicht das Spektrum. Doch etwas ist neu: Anders als in früheren Zeiten geht es bei der Vermarktung heute nicht mehr nur um die Verheißung, sich durch den Verzehr selbst etwas Gutes zu tun, sondern auch der Umwelt und dem Klima.

Bizarr war einst der Glaube an die Heilkräfte der Narwalstoßzähne. Diese bis zu drei Meter langen Gebilde, die Seefahrer von ihren Reisen mitbrachten, hielt man in Europa seit dem Mittelalter für die Stirnwaffe des in alten Fabeln beschriebenen Einhorns (mare No. 159). Zu Pulver gerieben, wurden Narwalzähne als Arznei gegen Toxine genutzt. Mediziner verbreiteten die Lehre, dass der Gebrauch von Bechern und Geschirr aus diesem Mate­rial gegen Giftanschläge schütze. 

Das Gewicht solcher Stoßzähne wurde in Gold aufgewogen. 1638 lösten Naturforscher das Geheimnis um die vermeintlichen Einhornhörner, ohne deren medizinische Wirksamkeit infrage zu stellen. Mitte des 17. Jahrhunderts aber, nach dem Dreißigjährigen Krieg, stürzten die Preise ins Bodenlose. Seither ist von Heilkräften nicht mehr die Rede. 

Seepferdchen dagegen gelten bei vielen Menschen bis heute als eine Art Zaubermittel. Noch im 18. Jahrhundert fanden sie sich, zu Pulver gemahlen, auch in Europa als eine Art Power-Snack in Hausapotheken: gegen Müdigkeit, Haarausfall oder Impotenz. In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird gestampftes Seepferdchen, vermischt mit Ginseng, Honig und roten Oliven, bis heute gegen Leiden fast aller Art verschrieben, obwohl Pharmaforscher aus dem Westen kein gesundheitsförderndes Potenzial der Inhaltsstoffe dieser Tierchen feststellen konnten.

Und das geheimnisvolle Ambra? Diese wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen soll gut für die Seele sein. In der Homöopathie und Naturheilkunde werde Ambra grisea seit Jahrhunderten erfolgreich genutzt, heißt es auf einschlägigen Websites – gegen Schlafstörungen, Erschöpfung, Fehlsteuerungen des Nervensystems, Kummer und Sorgen. Eine Wirksamkeit von Ambra­globuli, die über den Placeboeffekt hinausgeht, ist allerdings nicht belegt.

Vielmehr gibt es Hinweise, dass man alles, was von Walen stammt, besser nicht verzehren sollte. „Walfleisch, insbesondere das von Zahnwalen wie dem Pottwal, ist wegen seiner hohen Schwermetallbe­las­tung jedenfalls sehr ungesund“, sagt  Helena Herr, Biologin am Institut für marine Ökosystem- und Fischereiwissenschaften der Universität Hamburg. „Diese Tiere stehen am Ende der Nahrungskette und akkumulieren im Lauf ihres Lebens daher eine große Menge Schadstoffe.“ Studien legen nahe, dass der Konsum von Walfleisch die Bildung von Tumoren begünstigt und unfruchtbar machen kann.

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mare No. 160

mare No. 160Oktober / November 2023

Von Till Hein und Maurice Weiss

Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, hat bei der Recherche zu diesem Text auch einen schönen alten Song von „Element of Crime“ wiederentdeckt: „Michaela sagt, sie kann Sonntage nicht leiden, denn da treiben alle Menschen so wie Quallen durch den Tag ...“

Maurice Weiss, geboren 1964, wohnhaft in Berlin, ist Reportage- und Porträtfotograf.

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Vita

Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, hat bei der Recherche zu diesem Text auch einen schönen alten Song von „Element of Crime“ wiederentdeckt: „Michaela sagt, sie kann Sonntage nicht leiden, denn da treiben alle Menschen so wie Quallen durch den Tag ...“

Maurice Weiss, geboren 1964, wohnhaft in Berlin, ist Reportage- und Porträtfotograf.

Person Von Till Hein und Maurice Weiss
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Till Hein, Jahrgang 1969, Wissenschaftsjournalist in Berlin, hat bei der Recherche zu diesem Text auch einen schönen alten Song von „Element of Crime“ wiederentdeckt: „Michaela sagt, sie kann Sonntage nicht leiden, denn da treiben alle Menschen so wie Quallen durch den Tag ...“

Maurice Weiss, geboren 1964, wohnhaft in Berlin, ist Reportage- und Porträtfotograf.

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