„Ich bins ein Gentlemensch“

Der Spinatesser Popeye: Von einer Randfigur zum Serienstar

„Ich bins ein Seemann!“ Am unkorrekten sprachlichen Ausdruck ist er gleich zu erkennen. Noch berühmter ist sein ozeantiefer lebensphilosophischer Satz „Ich bins, was ich bins, und das ist alles, was ich bins!“ („I yam what I yam and that’s all I yam!“).

Das Urbild, der Vorfahre, die archetypische Gestalt gleichsam aller folgenden Matrosen in der Welt der Comics ist eine Witzfigur. Unverwechselbar sein Äußeres, namentlich die verkehrten Proportionen seiner Arme, deren Bizepse 18 Zentimeter messen, während der Unterarm einen Umfang von 51 Zentimetern aufweist. Die obligate Pfeife im Mundwinkel eines einäugigen Gesichts, die Mütze keck platziert, das Anker-Tattoo auf dem linken Arm, die charakteristische vorstehende Kinnform, Schlagkraft und Stärke dank unbremsbarem Appetit auf Spinat sowie flotte Sprüche – das sind die Kennzeichen von Popeye.

Am 17. Januar 1929 taucht er erstmals auf im Tagesstrip „Thimble Theatre“. Hier lässt der zwar am Ufer des Mississippi geborene, jetzt aber für das Hearst-Zeitungsimperium in New York arbeitende Zeichner Elzie Crisler Segar (1894 bis 1938) seine Stammsippe der Oyls (deutsch: Öl) in munteren Späßen agieren, bis Castor und Gravy für einen bestimmten Zweck am Hafen einen Seemann anheuern. Per Schiff, das die beiden eben erstanden haben, soll’s auf die Würfelinsel, Dice Island, zum erfolgversprechenden Glücksspiel gehen. Dafür brauchen sie nun aber eine kompetente Einmann-Crew. Folgenreich ist denn auch der Anheuer-Dialog. Castor: „He du, bist du ein Seemann?“ – Popeye: „Seh’ ich aus wie’n Cowboy?“

Und so geschieht’s: Popeye wird von der anfänglichen Nebenfigur dank anhaltenden Erfolgs zum Comicstar aufsteigen und weltweit einschlagen. Seine weisen Sprüche sind längst Legende, sein „Salzwasser ist der beste Freund des Seemanns!“ bleibt unvergessen.

Ihn werden Widrigkeiten aller Art umtreiben und einzelne Situationen sehr wohl auch erfreuen („Hau mich um!“). Die Liebe zu seiner Dauerverlobten Olivia Öl (Maße 48-48-48, Schuhgröße 57) wird ewig währen, die Sorge um sein Adoptivbaby Swee’Pea seine sentimentalen Seiten offenbaren. Einmal abgesehen von der wahnwitzigen Orthographie, bringt es Sprachschöpfer Segar mit seinem Popeye gar in die amerikanische Umgangssprache, indem er Begriffe prägt. Vor allen anderen sind es die Wörter „Jeep“ (nach dem hundeähnlichen gelben Tier Eugene The Jeep) und „Goon“ (Segars haariges Ungeheuer Alice The Goon): Sie stehen inzwischen im Lexikon.

Eine gewisse seemannsraue Ausdrucksart war unserem Helden in seiner Frühzeit fürwahr nicht abzusprechen. Das machte im wesentlichen seinen Charakter aus, der allerdings nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß. Davon kündet ein Rüffel von Hearst: 1934 erhielt Segar eine Weisung der die Popeye-Strips vertreibenden Comicagentur King Features. Gerade weil Popeye bei den Kindern so beliebt geworden war, sollte er sich mäßigen. Auf Betreiben von Medienzar William Randolph Hearst wurde dem Zeichner jedenfalls per Telegramm mitgeteilt: „Popeye darf nicht mehr fluchen und nicht mehr brutal sein.“ So wurden notgedrungen Popeyes Fluchwörter gemildert und die Faustschläge reduziert. Popeyes Kommentar: „Ich bins jetzt ein Gentlemensch!“


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mare No. 4

No. 4Oktober / November 1997

Von Urs Hangartner

Urs Hangartner, leidenschaftlicher Comic-Kenner, lebt und arbeitet als freier Journalist in Luzern.

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