„Herr Cook fiel tot zur Erde“

Ein Badener Handwerker schildert in den Notizen von seiner Weltreise die wahre Geschichte von James Cooks Tod

Das Tuch lag im Sand zwischen ihnen, der König mit seinen Untertanen auf der einen Seite, der Kapitän und die Matrosen auf der anderen. Eine alte Frau hatte es ausgebreitet und mit lautem Geschrei zu verstehen gegeben, dass das Volk es nicht dulde, wenn der Herrscher über diese Grenze geführt werde. Dennoch ergriff der Kapitän nun den Arm des Königs und versuchte, ihn über das Tuch zu ziehen.

Auf der anderen Seite hielten die Untertanen ihren Herrscher fest, 20, 30 Sekunden mag es hin und her gegangen sein. Als die ersten Steine geworfen wurden, feuerte der Kapitän mit seiner Schrotflinte in die aufgebrachte Menge. Hilfe suchend drehte er sich zu den Beibooten um. „Einer, der gleich hinter Herrn Cook stand, stieß ihm da einen eisernen Dolch zur rechten Schulter hinein und vorne auf der linken Seite zum Herzen heraus. Herr Cook fiel tot zur Erde.“ 

Geschichte, heißt es, werde von den Siegern geschrieben, aber nicht immer ist das wahr. Manchmal sind es auch die Besiegten, die ihre Sicht der Dinge zur später gültigen machen – auch wenn sie nicht ganz der Wahrheit entspricht. Laut offiziellem Logbuch fiel der berühmteste Seefahrer seiner Zeit nämlich keineswegs unvermittelt tot ins Wasser. Stattdessen versucht James Cook „jedwedes weitere Blutvergießen zu verhindern“, „den Booten die Feuereinstellung zu befehlen“, Menschenleben zu retten und, möchte man hinzufügen, Britanniens noble Haltung in Situationen der Bedrängnis zu zeigen. Notiert und tradiert wurde dies allerdings von Männern, die das Geschehen am Strand von Hawaii durch Teleskope beobachteten, von Bord der „Discovery“, Hunderte Meter entfernt. 

Den tatsächlichen Ablauf jener schicksalhaften Minuten verdanken wir dagegen einem Augenzeugen, der ­mittendrin war im Handgemenge am Strand, in der offiziellen Geschichtsschreibung allerdings nie erwähnt wurde. Einem jener Männer, die Bert Brecht gemeint hat, als er in seinem berühmten Gedicht fragte, ob Cäsar die Gallier tatsächlich ganz allein besiegt habe. Oder ob er nicht zumindest noch einen Koch bei sich hatte. 

Heinrich Zimmermann wurde am 25. Dezember 1741 in Wiesloch südlich von Heidelberg geboren. Er erlernte das Handwerk des Gürtlers (der keine Gürtel, sondern Metallgegenstände wie Beschläge und Tore herstellt) und befand, dass ihm die kurpfälzische Heimat zu eng sei. 

Zimmermann begab sich auf Wanderschaft. Er arbeitete in Genf, Lyon und Paris, als Schwertfeger, Schwermetallgießer sowie in einer Zuckersiederei. In London – damals die größte und wichtigste Stadt der westlichen Welt – hörte er davon, dass James Cook sich mit der „Discovery“ und der „Resolution“ auf eine neue Reise vorbereitete. 

Zimmermann überlegte nicht lange. „Ich wollte nach dem mir angebohrnen frischen Pfälzermuthe auch noch versuchen, wie es auf der See herginge.“ Wenige Tage später brach er mit Cook zu dessen dritter Expeditionsreise auf. Er war 35 Jahre alt, gab sein Alter aber mit 25 an. Mit an Bord brachte er „ein kleines Schreibtäfelchen“, in das er „das Hauptsächlichste ganz kurz und mit halben Worten in deutscher Sprache“ notieren wollte.

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mare No. 153

mare No. 153August / September 2022

Von Stefan Nink

Stefan Nink, Jahrgang 1965, Journalist in Mainz, hat schon immer ein ­Faible für Menschen, die bei den großen Ereignissen der Weltgeschichte dabei waren, es aber nie in die Geschichtsbücher schafften.

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Vita Stefan Nink, Jahrgang 1965, Journalist in Mainz, hat schon immer ein ­Faible für Menschen, die bei den großen Ereignissen der Weltgeschichte dabei waren, es aber nie in die Geschichtsbücher schafften.
Person Von Stefan Nink
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