Hamburg, Deine Perlen

Inmitten des unwirtlichen Hafens, umgeben von Lagern, Ausfallstraßen und rostigen Containerbergen, sind die letzten Imbisslokale stimmungsvolle, vor allem satt machende Refugien für Arbeiter

Gegen Mittag kommen sie. Die Trucker in den gelben Warnwesten. Die Monteure in den blauen Thermojacken. Die Frau, die beim Reden die Zigarette nicht aus dem Mund nimmt. 

„Na, mein Lieber, was kann ich dir Gutes antun?“, fragt Uschi über den Tresen hinweg. „Was haste denn heute?“, fragt der Mann zurück, auf der Straße warnblinkt in zweiter Reihe sein Sattelzug. – „Hackbraten mit Kartoffeln und Bohnen.“ – „Einmal.“ – Uschi geht nach hinten, füllt das Essen in eine Thermobox, kommt zurück und reicht sie ihm, dazu Messer und Gabel aus Plastik. „Bitte schön, mein Herr“, sagt sie. 

Normalerweise stehen sie hier mittags zu dritt hinter dem Tresen und bedienen die Hungrigen, aber Uschis Tochter ist gerade krankgeschrieben, und ihre Enkelin ist in Elternzeit, wie gut, dass Uschi Verstärkung bekommen hat von ihrem Bruder Willi, 67, der sein halbes Leben lang in einem noblen Hotel gekocht hat und nun hier im Imbiss seiner Schwester steht und Schnitzel mit Pommes macht und Hackbraten mit Kartoffeln und Brötchen mit Frikadelle. 

Aber er macht es gern, der Willi mit dem grauen Schnauzbart, man sieht es gleich, er lacht die ganze Zeit und ist genauso freundlich zu den Gästen wie seine Schwester. Und wenn hier alle nur beim Vornamen genannt werden, dann hat das seine Ordnung, denn im Hamburger Hafen sind alle per Du, das war schon immer so und wird auch so bleiben. 

Wobei: Was ist denn nun so besonders an „Uschi’s Imbiss“? Auf den ersten Blick: nichts. Fünf weiße, miteinander verbundene Container, an denen fünf Leuchtschilder hängen: „Fanta“, „Uschi’s“, „Imbiss“, „Frühstück ab 5.00 Uhr“, „Coca-Cola“. Vor den Containern einige Holzbänke, dahinter ein krüppeliges Wäldchen, darum herum: Industriegebiet. Nach links endet die Straße vor einem Deich, dahinter ein Hafenbecken, noch weiter hinten die Türme der Stadt und die gläsernen Wellen der Elbphilharmonie, aber die ist meilenweit weg. Das hier ist tiefster Hamburger Hafen. Lagerhallen und Speditionen, Ausfallstraßen und Unkraut, eine Welt aus Asphalt und Eisen, durch die lose Schlagbolzen knallen, von Sattelzügen, die den nächsten Container holen. 

Doch auf den zweiten Blick ist „Uschi’s Imbiss“ ziemlich besonders, und das beginnt beim Essen. „Hier schmeckt es nun mal besser“, sagt einer der Trucker. „Die Brötchen frisch, das Mett frisch, deutsche Hausmannskost – wo kriegst du das denn noch?“ 

„Das ist nicht so ein tiefgefrorener Pressmüll wie an den Rastplätzen“, sagt ein anderer. Hier werde frisch gekocht. Willi, der Koch, der hinter dem Tresen mitgehört hat, wirft ein: „Sogar die Schnitzel schneiden wir selber.“ Und Uschi erzählt, wie sie das Paniermehl aus alten Brötchen mahlt und seit Jahrzehnten die gleichen Lieferanten hat: die Eier von Bauer Prigge, die Kartoffeln von Bauer Eggers. Kostet vielleicht ein paar Euro mehr, ist aber verlässlich gut. 

„Vertrauen musst du dir erarbeiten“, sagt Uschi, 75 Jahre jung, klein und freundlich, in Schürze und Teddyjacke.

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mare No. 141

mare No. 141August / September 2020

Von Ariel Hauptmeier und Achim Multhaupt

Ariel Hauptmeier, Jahrgang 1969, lebt in Reutlingen, wo er die Reportageschule leitet, und in Hamburg. Er liebt es, die Weiten des Industriehafens mit dem Rad zu erkunden. „Uschi’s Imbiss“ war ihm bisher entgangen. Aber er kommt wieder. Die hausgemachten Bratkartoffeln waren hervorragend.

Achim Multhaupt, Jahrgang 1967, lebt als freier Fotograf in Hamburg. Als er nach einem Fotojob im Hafen frühmorgens durchgefroren und müde auf einen Imbiss stieß und dort den dringend benötigten Kaffee bekam, fühlte er sich gleich an die Imbiss- und Kiosk­kultur seiner alten Heimat, des Ruhrgebiets, erinnert. So kam ihm die Idee zu einem Fotoprojekt über die Schnellküchen im Hamburger Hafen.

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Vita Ariel Hauptmeier, Jahrgang 1969, lebt in Reutlingen, wo er die Reportageschule leitet, und in Hamburg. Er liebt es, die Weiten des Industriehafens mit dem Rad zu erkunden. „Uschi’s Imbiss“ war ihm bisher entgangen. Aber er kommt wieder. Die hausgemachten Bratkartoffeln waren hervorragend.

Achim Multhaupt, Jahrgang 1967, lebt als freier Fotograf in Hamburg. Als er nach einem Fotojob im Hafen frühmorgens durchgefroren und müde auf einen Imbiss stieß und dort den dringend benötigten Kaffee bekam, fühlte er sich gleich an die Imbiss- und Kiosk­kultur seiner alten Heimat, des Ruhrgebiets, erinnert. So kam ihm die Idee zu einem Fotoprojekt über die Schnellküchen im Hamburger Hafen.
Person Von Ariel Hauptmeier und Achim Multhaupt
Vita Ariel Hauptmeier, Jahrgang 1969, lebt in Reutlingen, wo er die Reportageschule leitet, und in Hamburg. Er liebt es, die Weiten des Industriehafens mit dem Rad zu erkunden. „Uschi’s Imbiss“ war ihm bisher entgangen. Aber er kommt wieder. Die hausgemachten Bratkartoffeln waren hervorragend.

Achim Multhaupt, Jahrgang 1967, lebt als freier Fotograf in Hamburg. Als er nach einem Fotojob im Hafen frühmorgens durchgefroren und müde auf einen Imbiss stieß und dort den dringend benötigten Kaffee bekam, fühlte er sich gleich an die Imbiss- und Kiosk­kultur seiner alten Heimat, des Ruhrgebiets, erinnert. So kam ihm die Idee zu einem Fotoprojekt über die Schnellküchen im Hamburger Hafen.
Person Von Ariel Hauptmeier und Achim Multhaupt
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